Märchenhafter Abend für Messias Früher lieferte er Kühlschränke aus, heute montiert er Tore in der Champions League

SB10/BFI

25.11.2021

Atlético Madrid – Milan 0:1

Atlético Madrid – Milan 0:1

24.11.2021

Die unglaubliche Geschichte des brasilianischen Offensivspielers, der am Mittwochabend das Metropolitano verblüffte und Milan im Rennen um die Champions League hielt.

SB10/BFI

25.11.2021

Vor 30 Jahren wurde ein Neugeborenes unter dem Namen Junior Walter Messias in das Geburtsregister von Belo Horizonte eingetragen. Ein Versprechen.

Gestern Abend in der 65. Minute erfüllte Messias sein Schicksal und erzielte das einzige Tor des Spiels, das Milan ein Stück Hoffnung im Rennen um die Champions-League-Qualifikation bewahrte. Der «Retter» erzielte bei seinem Debüt in der Königsklasse sein erstes Tor für Milan.

87. Minute: Messias erlöst Milan mit dem 1:0

87. Minute: Messias erlöst Milan mit dem 1:0

24.11.2021

«Ich bin sehr zufrieden mit der Leistung und dem Sieg. Das bedeutet, dass wir noch am Leben sind, aber es gibt noch viel zu tun», sagte Messias gegenüber Amazon Prime Video Italia.

«Es war reiner Instinkt, ich habe meinen Laufweg gemacht und habe die Ruhe bewahrt, als der Ball auf mich zukam. Wenn man ruhig ist, kann man grosse Dinge tun», so Messias. «Was heute Abend passiert ist, ist der wichtigste Moment in meiner Karriere, aber Demut ist sehr wichtig. Ich darf mich weder über Kritik noch über Komplimente aufregen», fügte der 30-Jährige hinzu.

«Ich widme dieses Tor meiner Familie und all denen, die an mich geglaubt haben.» Das dürften nicht allzu viele sein, wenn man seine unglaubliche Geschichte hört.

Eine Geschichte aus einer anderen Zeit

Der in Belo Horizonte geborene Brasilianer spielte bei Cruzeiro in der Jugend. Er machte gerne Party und trank auch häufig über den Durst. Irgendwann wollte er doch Fussballprofi werden. Als knapp Zwanzigjähriger wagte er mit Frau und Kind das Abenteuer in Europa und zog 2011 nach Italien. 

Doch der Start war harzig, Unterschlupf bei einem Profiteam fand er nicht. Stattdessen drohte die Abschiebung. Doch der Dribbelkünstler mit dem feinen linken Fuss landete beim peruanischen Team Sport Warique. «Wenn du für uns spielst, besorgen wir auch einen Job für dich», machte das Freizeit-Team aus Turin Messias ein unwiderstehliches Angebot.

Junior Messias ist endlich oben angekommen.
Junior Messias ist endlich oben angekommen.
Bild: Keystone

So verdingte sich Messias als Laufbursche in einem Elektrogeschäft. Unter der Woche musste er Kühlschränke und TVs ausliefern, am Abend oder an den Wochenenden ging es auf den Platz. Manchmal tat ihm von der Schlepperei – auch als Maurer arbeitete Messias einst – der Rücken weh. 

Italienische Ochsentour

Das Talent des brasilianischen Jungen blieb zum Glück nicht lange verborgen – bald wurde er vom ehemaligen Torino-Star Ezio Rossi angesprochen, der ihn gerne nach Casale in die fünfte Liga geholt hätte. Ein Vorschlag, den Messias zuerst ablehnte, da er mit seinen beruflichen Verpflichtungen kollidiert wäre. Doch Rossi gab nicht auf, sodass Messias schliesslich nachgab und 2015 in Casale – als Trainer dort war wenige Wochen zuvor Rossi vorgestellt worden – seine richtige Karriere startete. Danach wechselte er munter die Teams und Ligen – 2017 kickte er in der Serie D, 2018 in der Serie C. 

2019 kam der Brasilianer in die Serie B zu Crotone und schaffte am Ende der Saison 2019/20 den Aufstieg in die Serie A. In Kalabrien spielte er nur eine Saison in der ersten Liga – in 36 Spielen erzielte der Angreifer neun Tore. Milan schnappte sich den Rohdiamanten dieses Jahr am Deadline Day und lieh Messias für 2,6 Millionen Euro sowie eine Kaufoption über weitere 5,4 Mio. Euro für ein Jahr aus. Beim Traditionsklub kam er danach aber verletzungsbedingt nicht gross zum Einsatz. Bis am Mittwochabend. 

Milan-Trainer Stefano Pioli erwartet für die Zukunft noch viel von ihm. «Seine Geschichte ist wunderbar, aber ich denke, das ist erst der Anfang für ihn, denn er hat echte Qualität. Er hatte einige Schwierigkeiten, als er ankam, aber jetzt wird er der Mannschaft wirklich helfen.»