In der Liga ein Flop, international top: Borussia Dortmund fehlt es an vielem und vor allem an Beständigkeit. Und doch kann der Fünfte der Bundesliga noch vom Gewinn der Champions League träumen.
Nur noch drei Spiele trennen Borussia Dortmund vom zweiten Gewinn der Champions League nach 1997: das Hin- und Rückspiel gegen Paris Saint-Germain im ersten Halbfinal seit elf Jahren und der allfällige Final am 1. Juni im Londoner Wembley-Stadion – dort, wo der BVB 2013 zum letzten Mal im Final stand und 1:2 gegen Bayern München verlor.
Drei Spiele, in denen die Dortmunder wie im Viertelfinal-Rückspiel gegen Atlético Madrid (4:2-Sieg nach 1:2 im Hinspiel) über sich hinauswachsen müssen. Denn die Aussicht auf den maximalen Erfolg im europäischen Klubfussball steht im Kontrast zum Gesamtbild, das der BVB in dieser Saison abgibt. 23 Siege aus 44 Pflichtspielen weist Borussia Dortmund mit Anbruch der finalen Phase vor, in fast der Hälfte der Partien blieb der Klub ohne Sieg.
Grosse Siege, viele Aussetzer
Es sind nicht die Zahlen eines Champions-League-Siegers. Weil die Leistungen der Mannschaft mit dem Schweizer Goalie Gregor Kobel zu stark schwanken. Und weil die Dortmunder von den acht Spielen gegen vier die stärksten Liga-Gegner nur eines gewonnen haben und bloss 5 von 24 möglichen Punkten aus diesen Duellen mitnahmen.
Auf der positiven Seite stehen nebst dem Sieg gegen Atlético Madrid aus der Champions League auch zwei Erfolge gegen Newcastle United (1:0, 2:0) und ein 3:1 auswärts bei der AC Milan in der Gruppenphase sowie das 2:0 bei Bayern München in der Bundesliga zu Buche. Negativ fallen Punktverluste gegen Kleine wie Bochum, Heidenheim, Mainz und Augsburg ins Gewicht. Zudem verlor die Mannschaft von Trainer Edin Terzic alle Liga-Duelle gegen Stuttgart und Leipzig – mit ein Grund, weshalb der BVB nur auf dem 5. Tabellenplatz liegt. Auch im Cup schied Dortmund im Achtelfinal gegen Stuttgart aus.
«Das ärgert mich brutal, dass wir jetzt so abgeschlagen auf Platz 5 stehen», sagte Kobel nach dem 1:4 bei RB Leipzig am Wochenende in geschönten Worten. Der exakte, nicht druckreife Wortlaut brachte den Frust über die wiederholten Aussetzer des aufgrund von Verletzungen und Krankheiten mehrmals ausser Gefecht gesetzten Goalies zum Ausdruck.
Als Fünfter in die Champions League
Obwohl es auf den ersten Blick scheint, als drohte dem BVB spätestens jetzt mit nun fünf Punkten Rückstand auf den 4. Platz eine Spielzeit ohne Champions League, könnte alles noch gut ausgehen. Es sieht nämlich ganz danach aus, als dürften nächste Saison fünf Klubs aus der Bundesliga in der Königsklasse antreten.
Dass Dortmunds Qualifikation auch als Tabellenfünfter nicht vom Gewinn der Champions League abhängt, ist dem guten Abschneiden der deutschen Klubs im Europacup in dieser Saison und der anstehenden Reform des Wettbewerbs zu verdanken, der eine Aufstockung von 32 auf 36 Teams vorsieht. Die Bundesligisten haben in den laufenden Europacup-Wettbewerben bislang am zweitmeisten Punkte gesammelt hinter den italienischen Klubs. Von den englischen Europacup-Teilnehmern mischt nur noch Aston Villa in der Conference League mit, Frankreichs Vertreter Paris Saint-Germain und Olympique Marseille müssten noch mehr aufholen.
Der BVB hat im Kampf um die finanziell extrem wichtige Champions-League-Teilnahme also unverhofft einen Airbag erhalten. Schon ein Heim-Erfolg am Mittwoch im Hinspiel gegen PSG könnte massgeblich dazu beitragen, dass sich die Bundesliga den zusätzlichen Startplatz in der Champions League sichert. Bei noch zwei Siegen der deutschen Halbfinal-Teilnehmer aus Dortmund, München (beide Champions League) und Leverkusen (Europa League) in den laufenden Wettbewerben wären auch die letzten Zweifel ausgeräumt. «Wir haben es in der eigenen Hand, den 5. Rang am Ende für uns zu einem Champions-League-Platz zu machen», weiss auch Dortmunds Sportchef Sebastian Kehl.
Unberechenbarkeit als Stärke
Aber wie will sich der BVB gegen das nach den Abgängen von Lionel Messi und Neymar besser ausbalancierte und im Saisonverlauf immer stärker gewordene, mit vielen Talenten bestückte Paris Saint-Germain um Kylian Mbappé und den Ex-Dortmunder Ousmane Dembélé behaupten, wenn es selbst für Stuttgart und Leipzig nicht reicht? Wohl damit, dass die Schwäche, das Unberechenbare, sich an besonderen Tagen in eine Stärke verwandelt, zumal im eigenen Stadion.
«Wir haben bewiesen, dass wir sehr schnell switchen können. Wir haben ein Riesenspiel vor der Brust», sagte Gregor Kobel, nachdem sich der erste Frust im Zuge der Leipzig-Pleite gelegt hatte. Ausserdem sehen die Dortmunder den aktuellen PSG, auf das sie schon in der Gruppenphase getroffen sind (0:2, 1:1), nicht im obersten Segment. Mittelfeld-Akteur Salih Özcan etwa meinte: «Paris ist ein richtig guter Gegner, aber keine Übermacht, die für uns unschlagbar ist.»