Bern und der ZSC liefern sich 2012 einen denkwürdigen Playoff-Final. Dass ein Defensiv-Verteidiger wie McCarthy die Zürcher 2,5 Sekunden vor dem Finalissima-Ende ins Glück schiesst, passt ins Bild.
Fast auf den Tag genau vor acht Jahren, am 17. April 2012, bescherte Steve McCarthy dem ZSC den siebten von heute neun Meistertiteln der Klubgeschichte. Der Treffer zum 2:1 des Kanadiers im siebten und entscheidenden Finalspiel fiel nach einem Getümmel vor dem Berner Gehäuse und war überaus umstritten. Berns Goalie Marco Bührer monierte, er sei behindert worden. Erst nach dem Videostudium anerkannten die Schiedstrichter das Tor, das die über 16'000 Heimfans im Berner Hockey-Tempel, die zuvor einen über weite Strecken überlegenen SCB gesehen hatten, verstummen liess.
Der damalige ZSC-Captain Mathias Seger erinnert sich noch gut an die Szenerie. «Es waren lange Minuten, bis der Entscheid der Schiedsrichter feststand.» Der Schweizer Rekord-Internationale war beim entscheidenden Treffer seines Verteidigerpartners («der ist sonst nie so weit vorne anzutreffen») ebenfalls auf dem Eis und versuchte nach dem exzessiven Jubel, den Fokus schnell wieder zu finden. «Es war eine sehr schwierige Situation. Ich versuchte den Teamkollegen einzureden, der Treffer zähle nicht, damit die Enttäuschung im Fall einer Annullierung nicht so gross wäre.» Segers Befürchtungen einer möglichen Verlängerung traten nicht ein. Als die noch ausstehenden 2,5 Sekunden heruntergespielt waren, gab es bei den ZSC-Spielern und deren Entourage kein Halten mehr.
Besonders beeindruckt hat Seger die Reaktion des Berner Publikums. «Obwohl es eine sehr strittige Szene war, verhielten sich die Fans absolut sportlich und sehr fair. Viele Zuschauer blieben nach Spielschluss für die Pokalübergabe noch im Stadion. Das war eine sehr schöne Geste.» Auch Head-Schiedsrichter Danny Kurmann lobte das sportliche Verhalten der Berner damals ausdrücklich. Als sich die Emotionen etwas gelegt hatten, erhielt er von SCB-Goalie Marco Bührer später sogar ein Bier überreicht.
Vom 1:3 zum 4:3 in der Serie
Für den ZSC war es nach einer Durststrecke von vier Jahren ohne Meistertitel auch deshalb ein spezieller Abend, weil eine Woche zuvor kaum noch jemand auf die Lions als Champion getippt hätte. Der SCB mit Trainerneuling Antti Törmänen – der Finne folgte im Spätherbst nach einer spektakulären Entlassung auf Larry Huras – hatte sich dank einem 2:0-Sieg in Spiel 4 im Hallenstadion drei Matchpucks erspielt.
Seger erinnert sich, wie er und seine Mannschaft am Tag nach diesem Spiel in der Garderobe sassen. «Trainer Bob Hartley erzählte uns, dass es bereits Mannschaften gelungen sei, ein 1:3 in der Serie zu drehen.» Im Wissen, dass Seger beim Titelgewinn des ZSC 2001 gegen Lugano in derselben Situation steckte, fragte der Frankokanadier seinen Captain nach dem Rezept. Seger antwortete simpel: «Dreimal gewinnen.» Mit seinem Tor in der Verlängerung von Spiel 5 in Bern leitete Seger selbst die Wende in der Serie ein.
Mindestens so viel zu reden wie das Meistergoal von McCarthy gab am Tag nach dem Titelgewinn ein Foto von Seger nach der Meisterfeier. Samt Pokal trat der Kult-Verteidiger in einem Zürcher Tram die Heimreise an. Weil ein anderer Passagier die Szene fotografisch festhielt und es einer Zeitung zukommen liess, verbreitete sich die Geschichte in Windeseile. Später schalteten die Zürcher Verkehrsbetriebe sogar eine Werbekampagne mit dem meisterlichen Seger-Bild.
Premiere, Rekorde – aber kein Trauma
Das erste und bislang einzige Finalduell zwischen dem SCB und ZSC seit Einführung der Playoffs in der Saison 1985/86 war eines für die Geschichtsbücher. Erstmals zogen zwei Teams in den Final ein, die zuvor zwei Playoff-Serien ohne Heimvorteil gewonnen hatten. Bern schloss die Qualifikation auf Platz 5, der ZSC auf Platz 7 ab.
Logisch, dass das Duell der beiden grössten Eishockey-Organisationen der Schweiz auch die Massen anzog. Die PostFinance-Arena in Bern wie auch das Hallenstadion in Zürich waren stets ausverkauft. Insgesamt 102'124 Fans verfolgten die sieben Finalspiele – was bis heute ein Zuschauerrekord für eine Playoff-Finalserie bedeutet.
Für eine unrühmliche Geschichte war Berns damaliger Abwehrhaudegen Johann Morant besorgt. Der Franzose mit Schweizer Lizenz, der bereits in der Saisonvorbereitung Mathias Seger mit einem wuchtigen Schlag ins Gesicht das Jochbein gebrochen hatte, wurde für eine Prügelattacke gegen Cyrill Bühler und ein Umstossen eines Linienrichters in Spiel 3 für 14 Spiele gesperrt. Auch dies war ein Rekord auf NLA-Niveau.
Der Schock beim Berner Team und Anhang sass tief nach der verlorenen Finalissima. Doch er löste kein Trauma aus. Elf der nächsten zwölf Playoff-Serien entschied der SCB für sich. Bis 2019 wurde er viermal Meister, zweimal im eigenen Stadion.
Hartley, in der Branche als «harter Hund» bekannt, zog es nach nur einer Saison bei den Zürchern zurück nach Nordamerika. In der NHL konnte der frühere Stanley-Cup-Sieger (2001 mit Colorado) allerdings nicht an die Erfolge früherer Tage anknüpfen.