Vor 34 Jahren, am 7. April 1986, beendet die Rekurskammer des SEHV einen Streit: Der Zürcher SC steigt ab, der SC Bern am grünen Tisch auf. Je nach Lesart ist es ein normaler Vorgang oder ein Skandal.
Der Zürcher SC und der SC Bern sind seit 1989 in der höchsten Spielklasse vereint und nicht wegzudenkende Grössen des Schweizer Eishockeys. In dieser Zeit wurden sie insgesamt 16 Mal Schweizer Meister.
Wer die lang anhaltende Dominanz der zwei Grossklubs als selbstverständlich anschaut, darf sich in Erinnerung rufen, dass beide in den Achtzigerjahren grösste Mühe hatten, sich einigermassen gut zu etablieren. Besonders bitter war der Ausgang der Saison 1981/82. In der damals acht Mannschaften umfassenden Hauptrunde der Nationalliga A wurde der SCB Siebter, der ZSC Achter. Sie mussten sich in der Auf-/Abstiegsrunde behaupten, in der es unter sechs Mannschaften um zwei Plätze im Oberhaus ging. Lugano und Ambri-Piotta waren hoch überlegen und bescherten dem Tessin einen Doppelaufstieg. Bern und Zürich stiegen synchron ab.
Für den Eishockey-Chef des «Sport», einen ausgewiesenen Fachmann, war dies zu viel. Er appellierte in einem Leitartikel auf der Frontseite an die Flexibilität des nationalen Verbandes SEHV: Die NLA soll per Dekret subito auf zehn Teams aufgestockt werden. Das Schweizer Eishockey könne es sich nicht leisten, die Vertreter der beiden grössten Eishockey-Marktzentren gegen Gegner wie Wetzikon und Grindelwald spielen zu lassen. Zürich und Bern seien die Städte mit dem grössten Zuschauerpotential, also müssten sie die Nutzniesser der ohnehin überfälligen Aufstockung sein. Die Aufstockung würde endlich auch die Einführung der Playoffs (die 1985 tatsächlich eingeführt wurden) ermöglichen.
Der Fachjournalist argumentierte mit viel Logik und schrieb auch: «Aussergewöhnliche Umstände rechtfertigen aussergewöhnliche Massnahmen.» Das Postulat wurde im Verband nie traktandiert. Es wäre ein Kunstgriff gewesen, den sich das NL-Komitee nie hätte erlauben können. Der SCB verpasste den Platz in der NLA nur um einen Rang, aber der ZSC wurde in der Poule nur Fünfter, noch hinter Sierre. Die Zürcher hätten also nicht nur künstlich promoviert, sondern auch noch an den Wallisern vorbei gelotst werden müssen. Das Postulat des «Sport» war dennoch ernst gemeint. Die Zeitung erschien montags, mittwochs und freitags, während der 1. April 1982 auf einen Donnerstag fiel.
Arosas Rückzug als Streitpunkt
Vier Jahre später wurde ein weiteres Dekret Tatsache, weil es unumgänglich war. Diesmal ging es nicht um ZSC/SCB sowohl als auch, sondern um ZSC/SCB entweder oder. Das abschliessende Verdikt der SEHV-Rekurskammer am 7. April 1986 besagte, dass der Zürcher SC als Zehnter und Letzter der NLA absteigt und dass der SC Bern als Zweiter der NLB den Platz einnimmt, der durch den freiwilligen Rückzug des EHC Arosa frei geworden ist. Bern war in den Aufstiegsspielen an Chur beziehungsweise Renato Tosio gescheitert. Die Rekurskammer schmetterte die Einsprache der Zürcher ab.
Den ersten Entscheid zu der Streitfrage – der freiwillige Abstieg eines Klubs war in den Reglementen nicht vorgesehen – hatte das NL-Komitee am 19. März gefällt. Der Anwalt Anton Cottier hielt die Sitzung mit den übrigen Komitee-Mitgliedern sowie Klubvertretern in den Räumlichkeiten seiner Kanzlei in Freiburg ab. Die Journalisten warteten an jenem Mittwochnachmittag vor verschlossener Tür auf Holzstühlen. Noch bevor ihnen der Entscheid mitgeteilt wurde, wussten sie, was es geschlagen hatte. Aus dem Innern war die unverkennbare Stimme von Sepp Vögeli zu vernehmen. Der Hallenstadion-Direktor verfluchte und beleidigte die Komitee-Mitglieder aufs Übelste.
Als die Tür aufging, kam Vögeli herausgestapft. Mit hochrotem Kopf ging er fluchend an den Journalisten vorbei. Wiederum im «Sport» war danach dies zu lesen: «Von den ZSC-Vertretern wurde das Urteil natürlich mit Enttäuschung aufgenommen. Unverständlich aber, wie Sepp Vögeli reagierte. Was er sich an persönlichen Beleidigungen an die Adresse der SEHV-Exponenten erlaubte, war schlicht peinlich.»
Eine Verschwörung gegen den ZSC?
Dabei konnte ein Aussenstehender der Argumentation des NL-Komitees durchaus folgen: Ein ordentlicher Absteiger (ZSC) wird durch einen ordentlichen Aufsteiger (Chur) ersetzt, ein ausserordentlicher Absteiger (Arosa) durch einen ausserordentlichen Aufsteiger (Bern).
Der damalige Fall hallt heute noch nach. Sporadisch ist zu lesen, alles sei ein Betrug und ein Skandal gewesen. Der damalige Aroser Präsident Peter Bossert (späterer Chef Technik im SEHV und noch späterer Präsident und Sanierer des EHC Kloten) habe den Ausstieg des EHC von langer Hand geplant und mit dem SCB rechtzeitig gemeinsame Sache gemacht. Man könne nicht ausschliessen, dass Geld von Bern das Schanfigg hinauf geflossen sei. Mit seinem angeblich immensen Einfluss auf das Schweizer Eishockey habe Bossert die Mitglieder des NL-Komitees gefügig gemacht, sodass diese gar nicht anders gekonnt hätten, als sich für die Variante Bern zu entscheiden. Überdies sei ja Samuel Burkhardt, ein Ehrenmitglied des SCB, Präsident des Komitees, gewesen.
Wer immer eine Verschwörungstheorie unterstützt, findet haufenweise Argumente und lässt allfällige Gegenargumente weg. In dem Fall macht es sich gut zu verschweigen, dass Burkhardt für die denkwürdige Sitzung in den Ausstand treten musste.
Die Rekursinstanz hätte immer noch die Möglichkeit gehabt, den Entscheid des NL-Komitees umzustossen. Aber auch in den gut zwei Wochen zwischen den beiden Sitzungen habe Bossert mit immaterieller oder materieller Überzeugungskraft so gewirkt, dass er zuletzt auch die Rekurskammer auf seiner Seite wusste. Der dreiköpfigen unabhängigen Rekursinstanz gehörte unter anderen der Neuenburger Denis Oswald an, das spätere Schweizer IOC-Mitglied.