National League Bärtschi hat aus schwieriger Zeit gelernt

sda

29.9.2022 - 08:00

Sven Bärtschi hat noch Luft nach oben
Sven Bärtschi hat noch Luft nach oben
Keystone

Ein Assist in sechs Spielen für den SC Bern, das entspricht nicht den Erwartungen an NHL-Rückkehrer Sven Bärtschi. Er hat allerdings gelernt, ruhig zu bleiben.

sda

24. Oktober 2018. Es ist ein einschneidender Tag im Leben von Sven Bärtschi, damals bei den Vancouver Canucks tätig. Er zieht sich im Spiel gegen die Vegas Golden Knights zum «vierten oder fünften Mal» eine Hirnerschütterung zu. Ende Dezember gibt er sein Comeback, doch Anfang Februar erleidet er einen Rückfall. Seine nächste Partie bestreitet er am 24. März.

«Es ist mir emotional und mental gar nicht gut gegangen», blickt Bärtschi im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zurück. Er hat Panik-Attacken, leidet an Depressionen, nimmt Hilfe eines Psychologen in Anspruch. «Ich musste mir Zeit geben, das hat mir vielleicht in der darauffolgenden Saison den Platz im Team gekostet.» Jedenfalls erhielt er nach einer guten Vorbereitung auf der Heimfahrt nach einem Barbecue beim Besitzer einen Anruf, dass er am nächsten Morgen ein Meeting beim Generel Manager habe. Natürlich wusste er, was das bedeutet. Darauf rief er erzürnt den Trainer an, der zuvor auch dabei gewesen war, und drückte seinen Unmut aus.

Schublade Weichei

Dermassen respektlos wurde mit Bärtschi umgegangen, nachdem er zuvor in 288 Partien für die Canucks 66 Tore und 70 Assists erzielt hatte. Sein Manager André Rufener sieht es so: «Seine Situation wurde mit der Zeit vom Management nicht mehr respektiert. Dieses verlor die Geduld mit ihm und steckte ihn in die Schublade Weichling.» Aus dieser Schublade kam er nicht mehr heraus. In den letzten beiden Vertragsjahren bei Vancouver bestritt Bärtschi noch sechs NHL-Partien (zwei Assists).

Dennoch war für ihn die Zeit für die Rückkehr in die Schweiz noch nicht reif. Aus diesem Grund nahm er den Vertrag über eine Saison bei den Vegas Golden Knights an – auch, weil deren Farmteam Henderson Silver Knights in der Nähe beheimatet ist, denn vom ständigen Hin und Her in den Jahren zuvor hatte er genug. Zwar wurde er zeitweise in die NHL beordert, er kam allerdings nur einmal bei den Golden Knights zum Einsatz.

«Heutzutage werden junge Spieler geholt, das ist die Realität», sagt Bärtschi. «Es ist schwierig, lange in der Liga zu bleiben.» Mitte der vergangenen Saison ruft er Rufener an mit dem Ziel, beim SC Bern zu unterschreiben, was dann auch klappt. «Ich habe hier als kleiner Bub Spiele geschaut», begründet Bärtschi.

Drei Tore in den ersten vier NHL-Spielen

Der am 5. Oktober 30 Jahre alt werdende Langenthaler bestreitet seine erste Saison in der höchsten Schweizer Liga, da er 2010 nach Nordamerika auszog, um sich dem Juniorenteam Portland Winterhawks anzuschliessen. Am 9. März 2012 gibt er für die damals von Verletzungen geplagten Calgary Flames, die ihn 2011 als Nummer 13 gedraftet hatten, sein Debüt in der besten Liga der Welt. In den nächsten drei Partien gelang ihm je ein Tor. Es herrschte «Svenmania» in Calgary. Bärtschi erinnert sich: «Trainer Brent Sutter sagte zu mir: ‹Ich weiss, dass du kein NHL-Spieler bist, geh einfach raus und gib Vollgas.›»

In der darauffolgenden Saison übernahm Bob Hartley den Posten als Headcoach der Flames. Die beiden hatten das Heu nicht auf der gleichen Bühne. «Wenn er jemanden nicht gerne hat, dann macht er ihm das Leben sehr schwer», erzählt Bärtschi, der Vater eines dreijährigen Sohnes ist. Der Oberaargauer bekam den Stempel aufgedrückt, nur in der offensiven Zone spielen zu können. «Klar musste ich lernen zu verteidigen. Das ist ein Prozess, sie gaben mir jedoch keine Zeit.»

Aufgeben keine Option

Trotz der schwierigen Situation bei den Flames kam Aufgeben für Bärtschi nicht infrage. Beim «Combine» für den NHL-Draft 2011 wurde er im Interview mit den Verantwortlichen der San Jose Sharks gefragt, ob er einer jener Europäer sei, die nach Hause gehen würden, wenn es hart werde. Er verneinte und dachte immer wieder daran zurück. Die Hartnäckigkeit zahlte sich mit dem Trade Anfang März 2015 zu den Vancouver Canucks aus. Denn bis zur oben erwähnten Hirnerschütterung hatte er eine gute Zeit in der kanadischen Metropole.

Eine gute Zeit will er auch mit Bern haben. Das grössere Eisfeld kommt ihm «eigentlich zugute, da ich gerne Platz habe». Noch lief es ihm offensiv aber noch nicht wie gewünscht; immerhin gelang ihm am Dienstag bei der 2:3-Niederlage nach Verlängerung bei Ajoie mit einem Assist zum 1:0 der erste Skorerpunkt. Aus der Ruhe bringen lässt er sich – auch dank Meditation – aber ohnehin nicht mehr. Dafür hat er zu viel erlebt in Nordamerika.