Benjamin Conz verhilft Ambri-Piotta mit einer starken Leistung gegen Biel zu einer guten Ausgangslage vor dem Rückspiel des Play-In. Der Torhüter unterstreicht vor dem Abschied seinen Wert fürs Team.
Steht etwas auf dem Spiel, greifen Trainer gern in die Trickkiste. Sie verändern die taktische Ausrichtung, stellen die Linien um – oder sie nominieren Spieler, denen normalerweise nur eine Nebenrolle zuteil wird.
Luca Ceredas Griff in die Trickkiste zaubert am Montagabend im Hinspiel der zweiten Runde des Play-In Benjamin Conz hervor. Der 32-jährige Goalie des HC Ambri-Piotta steht im ersten Aufeinandertreffen mit dem EHC Biel überraschend zwischen den Pfosten, nachdem in dieser Saison meist Janne Juvonen den Vorzug erhalten hat. Doch der Finne ist an diesem Abend überzählig. Stattdessen nominiert Cereda je drei ausländische Stürmer und Verteidiger.
Salopper Steinegger
Ob er überrascht gewesen sei, dass Conz gespielt habe, wird Biels Sportchef und Interimstrainer Martin Steinegger später gefragt. Die saloppe Antwort des 52-Jährigen: «Wenn wir davon überrascht würden, würden wir uns wie Junioren verhalten.»
Ein paar Meter weiter links steht Benjamin Conz vor der Ambri-Garderobe. In der linken Hand hält er eine halbleere Wasserflasche – und auf seinem kahlen Kopf glitzern Schweissperlen. Es sind Indizien, die auf einen strengen Arbeitstag hindeuten. Conz ist in den Katakomben der Bieler Arena umringt von Medienschaffenden.
Alle wollen sie wissen, wie es war, dieses Spiel, in dem Conz 32 der insgesamt 33 Schüsse abwehren konnte, die auf sein Gehäuse geflogen kamen. Sie fragen ihn nach seinen zahlreichen starken Paraden – etwa gegen Jérôme Bachofner, der im letzten Drittel einmal allein auf ihn zu gestürmt kam. Oder gegen die Schüsse von Damien Brunner, Luca Cunti oder Jere Sallinen. Conz bringt an diesem Abend viele Bieler Offensivkräfte zur Verzweiflung und sichert sich mit seiner starken Leistung die Auszeichnung als bester Spieler aufseiten der Tessiner.
Der Jurassier ist für den HCAP die grosse Figur. Als die Schlusssirene ertönt, wird er von den Mitspielern geherzt. Sie wissen, dass ohne einen Conz in dieser Form nach halbem Pensum dieses Play-In-Duells kaum ein 1:1 auf der Anzeigetafel stehen würde, das den Leventinern fürs Rückspiel am Mittwoch in Ambri eine gute Ausgangslage verschafft, den letzten Schritt Richtung Playoff-Viertelfinals in der heimischen Gottardo Arena zu nehmen.
Starke Fangquote
Die grosse Figur ist aber keiner der grossen Worte. Conz sagt: «Ja, es war ein gutes Spiel, aber die Teamkollegen waren auch da, um die Abpraller wegzubefördern. Es war vor allem eine gute Leistung von uns als Team.» Es sind Sätze, die gut zu Benjamin Conz passen. Der 32-Jährige würde sich nie in den Mittelpunkt rücken, sondern den Erfolg des Teams über eigene Interessen stellen.
Es ist eine Eigenschaft, die wertvoll ist für Ersatztorhüter. In Biel steht Conz erst zum 16. Mal in dieser Saison auf dem Eis, zum zehnten Mal darf er über die gesamten 60 Minuten spielen. Bei seiner Ankunft in Ambri 2017 ist das anders: Von Fribourg-Gottéron gekommen, soll er da nach dem Abgang von Sandro Zurkirchen nach Lausanne die neue Nummer 1 der Biancoblu sein. Und während zwei Saisons ist er das auch.
Doch dann stehen ihm mit Daniel Manzato, Damiano Ciaccio und jetzt Janne Juvonen andere vor der Sonne, sodass er immer mehr in die Rolle des Backups gedrängt wird. Dass Conz dabei zu den Verlässlichen gehört, zeigt er nicht nur in Biel, sondern veranschaulicht auch der Blick in die Statistik: Mit einer Fangquote von 92,3 Prozent ist er unter allen in dieser Saison mindestens einmal eingesetzten Torhütern die Nummer 10 der Liga. Sein Kompagnon Juvonen, der bislang 41 Partien bestritten hat, folgt auf Rang 18.
Fast 300 Spiele
In Biel läuft Conz zum 296. Mal für Ambri auf. Damit das Jubiläum möglich bleibt, müssen die Tessiner die Hürde Biel hinter sich lassen. Denn Conz' siebte Saison in Blau-Weiss wird seine letzte sein. Ihn zieht es zurück in die Heimat zu seinem Jugendklub Ajoie, bei dem er für die kommenden zwei Saisons mit der Ambition auf einen Stammplatz im Tor unterschrieben hat.
Ob er am Mittwoch wieder zum Einsatz kommt, oder Trainer Cereda für das Rückspiel in der ausverkauften Gottardo Arena eine erneute Rochade vornimmt, weiss Conz nicht. Vor seinem potenziell letzten Heimspiel ist er bemüht, den Druck von sich und dem Team wegzuhalten. «Der Druck wird auf Biel sein. Wir dürfen ihnen keinen Zentimeter überlassen.», sagt Conz, ehe er sich mit einer schweren Tasche am Rücken verabschiedet.
Als er die Tür Richtung Teambus öffnet, ruft ihm ein Betreuer zu: «Gratuliere. Das war ein grosses Spiel.» Conz zieht die Mundwinkel hoch. Man spürt: Nur zu gern würde er diese Leistung am Mittwoch wiederholen – und den Tifosi zum Abschied die erste Playoff-Qualifikation seit 2019 schenken.