«Swagger» Der EVZ auf der Suche nach seiner früheren Arroganz

ck, sda

19.3.2024 - 05:00

Predigt im Moment oft vergebens: Zugs Coach Dan Tangnes.
Predigt im Moment oft vergebens: Zugs Coach Dan Tangnes.
Bild: Keystone

Der EV Zug steckt in einer Negativspirale. Auch zum Auftakt der Playoff-Viertelfinals gegen Bern werfen die Innerschweizer im letzten Drittel eine klare Führung weg.

Keystone-SDA, ck, sda

«Swagger». Dan Tangnes benutzt das englische Wort oft, als er nach dem 3:4 zuhause gegen den SC Bern zum Playoff-Auftakt nach der Resultat- und Formkrise sucht. Es ist schwierig zu übersetzen, bezeichnet aber eine Art Arroganz oder Selbstbewusstsein – wie es sehr erfolgreiche Teams entwickeln. Ein Selbstverständnis, dass man (fast) immer einen Weg zum Sieg findet und am Ende besser ist als der Gegner.

Der EV Zug war auf dem Weg zu seinen Meistertiteln 2021 und 2022 geradezu der Inbegriff dieses «Swagger». Und der Coach der Zuger zeigt sich überzeugt, dass er auch jetzt noch die Spieler hat, um Meister zu werden. Bloss: Auf dem Eis strahlen diese schon seit vielen Wochen alles andere als Selbstbewusstsein oder Souveränität aus. Selbst ein für einmal starkes Mitteldrittel mit drei sehenswerten Toren in 18 Minuten hat nicht zum erhofften Effekt geführt. Der Anschlusstreffer durch Romain Loeffel zum 3:2 hat gereicht, um das Kartenhaus zusammenkrachen zu lassen.

«Wir haben unseren 'Swagger' verloren», stellt Tangnes deshalb fest. Es ist geradezu eine Untertreibung, denn die Krise des eigentlichen Meisterkandidaten hat bedrohliche Ausmasse angenommen. Neun der letzten zehn Spiele der Qualifikation hat Zug verloren, aber immerhin gerade noch den 4. Platz und das Playoff-Heimrecht in den Viertelfinals gerettet. Seit Sonntagabend ist auch dieses weg.

Vor beiden Toren zu «weich»

Konnte man in der ebenfalls enttäuschend verlaufenen letzten Saison noch eine gewisse Sättigung nach zwei Meistertiteln in Folge ins Feld führen und in diesem Jahr über eine gewisse Zeit die vielen Verletzten als Erklärung heranziehen, gilt auch diese Ausrede nicht mehr. Mit den Schweden Lukas Bengtsson und Niklas Hansson sowie Tobias Geisser sind drei der vier angeschlagenen Stammverteidiger zurückgekehrt, am Dienstag im Spiel 2 in Bern dürfte auch Livio Stadler folgen. Dennoch gleicht die Abwehr eher einem Hühnerhaufen als einem geordneten Bollwerk.

«Wir waren zu weich», lautet Topskorer Lino Martschinis verblüffende Analyse. «Vor dem eigenen und vor dem gegnerischen Tor.» Wie bitte? Zu weich, also nicht bereit, da hinzugehen, wo es wehtut, und die «Drecksarbeit» zu leisten – das ist ein erschreckendes Fazit nach einer Playoff-Partie. Der EVZ scheint nicht nur seine einstige «Arroganz» verloren zu haben, sondern auch sein Arbeitsethos.

Für einmal konnte selbst Leonardo Genoni einen mittelmässigen Auftritt seiner Teamkollegen nicht mit einer seiner bekannten, brillanten Leistungen herausreissen. Schon oft hat sich der siebenfache Meistergoalie in eine alles abweisende Mauer verwandelt in wichtigen Momenten, wenn die Playoffs anstehen. In seiner 907. Partie als Torhüter Nummer 1 in der National League – womit er den Rekord von Reto Pavoni einstellte – war aber auch Genoni ein Schlussmann von irdischer Statur. Bei zwei der vier Gegentreffer sah er nicht sehr souverän aus. Wenn selbst der Superman nur noch menschlich ist, müssen in Zug definitiv alle Alarmglocken läuten.

Seit Januar kein Powerplay-Goal

Eine weitere Baustelle, neben der löchrigen Abwehr vielleicht die grösste, ist das Überzahlspiel der Zuger. Seit dem 30. Januar konnte Zug in zwölf Spielen fast 40 Minuten Powerplay spielen – und erzielte dabei null Tore. Ein grosses Problem, wie auch Dan Tangnes zugibt.

Der eloquente und erfolgsverwöhnte Norweger ist auch im Bauch der Zuger Eisarena zu später Stunde die Freundlichkeit in Person und nimmt sich viel Zeit für die Journalisten. Doch er macht auch einen ziemlich ratlosen Eindruck. Er glaubt nicht, dass die Krise eine Frage des Könnens, der Taktik oder der Fitness ist. Er spricht vielmehr von der richtigen Einstellung, dem richtigen Auftreten.

Spieler nicht mehr erreicht

Im Schlussdrittel versuchte er vergeblich, seine Spieler während der ausgedehnten Werbepause aufzurütteln. «In einer Stresssituation wie dieser sind sie sowieso kaum aufnahmefähig für meine Inputs», glaubt Tangnes. Ist das bereits eine Bankrotterklärung des Trainers, der sich in sechs äusserst erfolgreichen Jahren in Zug fast schon Legenden-Status erarbeitet hat?

Lino Martschini gibt sich kämpferisch. «Im Playoff braucht es ein kurzes Gedächtnis.» Im Moment scheint die Hoffnung der beste Verbündete der Zentralschweizer zu sein. Bis am Dienstagabend bleibt jedenfalls nicht viel Zeit.