Der SC Bern ist der erfolgreichste Schweizer Eishockey-Klub der letzten Jahre, selbst wenn man mit zwei verpassten Playoffs als Meister auch eine Negativmarke für einen Titelhalter setzte.
Die Bilanz des SC Bern seit 2013 imponiert: Elf von zwölf Playoff-Serien entschied das Liga-Schwergewicht für sich. Bis 2019 wurde er viermal Meister, zweimal im eigenen Stadion. 2016 gewann der SCB gar als erster Klub vom achten und letzten Playoff-Platz aus den Titel, ein Jahr später gelang ihm als erster Verein seit den ZSC Lions die Titelverteidigung (2000/2001).
Die ersten drei Titel des SCB seit 2013 waren eng mit Martin Plüss verbunden, der bis zu seinem 40. Altersjahr das Team als Captain anführte. Auf nationalem Eis gewann Plüss sechs Meistertitel; 2010, 2013, 2016 und 2017 mit Bern, mit Kloten zu Beginn seiner Profi-Laufbahn 1995 und 1996. Hinzu kam der Titelgewinn mit Frölunda Göteborg in Schweden (2005).
Plüss war ein exzellenter Spielmacher mit defensivem Gewissen und ein starker Bully-Spieler. In erster Linie war er aber ein Leader, der das Spiel lesen konnte. Plüss war Dauerleister, der auch dann seine Leistung brachte, wenn es der Mannschaft nicht lief. Bis zum letzten Spiel war er top.
2019 folgte für den SCB der erste Titelgewinn ohne Plüss und der dritte in vier Saisons, die zweite unter Kari Jalonen. Die Meistertitel von 2017 und 2019 waren das Werk des Finnen, jener von 2016 noch des ab November 2015 als Interimstrainer eingesprungenen Lars Leuenberger.
Auf dem Eis symbolisierten neben Plüss auch Haudegen wie Thomas Rüfenacht und Tristan Scherwey mit ihrem unnachgiebigen Zweikampfverhalten die physische und mentale Robustheit der Berner. Rüfenacht und Scherwey wurden vom SCB auf Grund der wiederholt erfolgreichen Playoff-Runs mit Mehrjahresverträgen ausgestattet.
Publikumsliebling mit «Rentenvertrag»
Scherwey erhielt im Februar 2019 einen ligaweit einmaligen und aufsehenerregenden Siebenjahresvertrag bis 2027. Der 28-jährige Freiburger erkämpfte sich mit seiner kompromisslosen Wucht und auch wegen seiner unerschöpflich scheinenden Energiereserven den Status eines Publikumslieblings.
Den Grundstein dafür legte er beim Titelgewinn von 2016, als er ein überragendes Playoff spielte (5 Tore/1 Assists). Die Nächte danach feierte Scherwey in Hockey-Montur durch und demonstrierte dabei von allen SCB-Cracks die wohl grösste Intensität und Ausdauer. Dies zum Leidwesen seiner damaligen Topform. Bei der darauffolgenden WM-Vorbereitung des Nationalteams schaffte der «Feier-Champion» den Cut für die Titelkämpfe nicht.
Beim letzten Titelgewinn des SCB übertraf der mittlerweile im Nationalteam zu einer festen Grösse gewachsene Scherwey seine Produktivität von 2016 gar noch (6 Tore und 3 Assists in 18 Spielen).
Vom Abstiegs- zum Meister-Captain
Daneben ragten vor einem Jahr vorab Captain Simon Moser, der 2013 als junger Captain der SCL Tigers mit den Emmentalern noch abgestiegen war, und Goalie Leonardo Genoni heraus. Moser etablierte sich als Leaderfigur und Nachfolger des langjährigen Erfolgsgaranten Plüss.
Und Nationalgoalie Genoni entschied mehrere Finalspiele gegen Zug im Alleingang. Der Zürcher wurde unlängst vom «Tages-Anzeiger» zu einem der fünf wichtigsten Spieler der dreieinhalb Jahrzehnte alten Schweizer Playoff-Geschichte erkoren.
Gerade in der Finalserie von 2019 zahlte sich die Erfahrung in den Reihen des SCB aus: 17 Spieler aus jenem Team waren in der Vergangenheit bereits mindestens einmal Meister geworden, 13 plus Trainer Jalonen standen beim Titelgewinn 2017 (ebenfalls gegen Zug) bereits im Kader des SCB.
Eine Negativmarke
In der vor wenigen Wochen vorzeitig abgebrochenen Saison verpassten die Berner als Neunter der Qualifikation allerdings bereits zum zweiten Mal nach 2014 als Meister die Playoffs. Mehr als einmal war dies vor den Bernern keinem Titelhalter widerfahren.
Auch deshalb geht der SCB die nächste Saison mit einer neuen Sportchefin an; der in diesem Bereich noch wenig erfahrenen ehemaligen Weltklasse-Torhüterin Florence Schelling. Ebenso wird ein neuer Coach die Nachfolge des nicht mehr weiterbeschäftigten Interimstrainers Hans Kossmann antreten. Mit dem amerikanischen Topskorer Mark Arcobello (Lugano) verlässt ein Jahr nach Genoni ein weiterer Schlüsselspieler den SCB. Dieser gehört trotz der zahlungskräftigen Konkurrenz aus Zug, Lausanne oder Zürich mit einem Budget von zuletzt über 60 Millionen Franken aber nach wie vor zu den wirtschaftlichen Giganten der Liga.