Die Schweiz hat an der Eishockey-WM eine grosse Chance vergeben. Lars Weibel, der Direktor Sport bei Swiss Ice Hockey, bezieht gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA Stellung.
Lars Weibel, was ist das, was Sie am meisten enttäuscht hat am Ausscheiden im Viertelfinal gegen Deutschland?
Lars Weibel: «Dass wir am Tag X, beim wichtigsten Spiel, die Leistung nicht gebracht haben. Zuvor hatten wir einmal mehr dominiert und fantastisches Eishockey gezeigt.»
Die Konstellation hätte besser kaum sein können. Ich denke, das macht das Scheitern noch bitterer?
«Absolut. Wir waren top vorbereitet, hatten das bestmögliche Kader, es stimmte alles. Von daher ist es hart, das Scheitern zu akzeptieren.»
Fischer gab sich nach der Niederlage sehr selbstkritisch, sagte, er sei enttäuscht darüber, es wieder nicht geschafft zu haben, dass die Mannschaft am Tag X bereit gewesen sei. Wieso sollte er das Ihrer Meinung nach das nächste Mal hinbekommen?
«Das ist eine schwierige Frage. Warum nicht? Fakt ist, dass wir zweimal Gruppensieger wurden, Top-Nationen dominierten, nach Rückständen gewannen, mehrmals unser Spiel durchzogen. Wir sind überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein, sind selbstbewusst. Aber natürlich müssen wir darüber diskutieren, warum wir wieder am Tag X nicht bereit waren. Ist es ein mentales Problem? Kann sein. Das ist für mich allerdings schwierig zu glauben mit Spielern im Kader, die Meister geworden sind, die in den NHL-Playoffs eine siebte Partie gewonnen haben, die eine Saison lang gute Leistungen zeigten. Vielleicht ist es schlicht und einfach eine Frage der Mentalität, ist die DNA einer Schweizer Mannschaft nicht unbedingt für solche Partien geschaffen. Wie auch immer, es ist nicht alles schwarz oder weiss. Aber klar, wenn wir zum Schluss kommen würden, einen Mentalcoach zu brauchen, dann würden wir einen holen.»
Vor dem Viertelfinal herrschte unter den Spielern der Tenor, dass etwas Spezielles zusammengewachsen sei. Es wurde immer wieder die gute Stimmung hervorgehoben. Ist das Nationalteam zu sehr eine Wohlfühloase?
«Ich finde nicht, nein. Wir zogen die Schraube an, gaben eine klare Linie vor, nachdem die Spieler im Jahr zuvor zu viele Freiheiten genossen hatten. Wenn eine Wohlfühloase herrscht, dann ist das konstant der Fall. Da wir ja mehrheitlich gut gespielt haben, kann das für mich nicht der Grund sein. Patrick (Fischer, dem Nationaltrainer) gelingt es gut, die richtige Balance zu finden. Ich bin überzeugt, nicht sagen zu können, die Spieler hätten ein zu schönes Leben im Nationalteam und deshalb sei die wichtigste Partie verloren gegangen. Aber auch das ist ein Punkt, den wir diskutieren werden, vielleicht müssen wir dort tatsächlich weitere Anpassungen vornehmen. Ich bleibe jedoch dabei, dass wir vieles richtiggemacht haben, reiner Aktionismus nun falsch wäre. Ich glaube an Kontinuität, Geduld und Selbstsicherheit. So wird sich der Erfolg einstellen, das haben andere Nationen, andere Sportvereine bewiesen und hat nichts mit Schönreden zu tun.»
Sie selber sind zum Teil harsch kritisiert worden. Gibt es etwas, das Sie sich vorwerfen?
«Ich bin zuständig für das perfekte Setup, für die Vorbereitung, für eine optimale Umgebung, für die bestmögliche Zusammenstellung des Teams. An dem werde und muss ich mich messen lassen. Das werden wir genau anschauen. Ich nehme Kritik sehr ernst, wenn sie Hand und Fuss hat. Wenn jedoch auf den Mann gezielt wird, dann kümmert mich das nicht. An dem orientiere ich mich nicht.»
Diese Woche steht eine genaue Analyse der WM auf dem Programm. Wie konkret läuft diese ab?
«Zuerst werden wir uns mit den Coaches generell austauschen. Dabei wird jeder in Frage gestellt: Hat er seine Aufgaben den Pflichten entsprechend wahrgenommen? Wir fordern uns da gegenseitig heraus. Dann wird geschaut, welche taktischen Anpassungen es im Playbook braucht, im Wissen, dass vieles gut funktioniert hat. Wir werden auch Feedback aus dem Team holen. Das Spektrum wird immer enger, wir haben uns jedes Jahr weiterentwickelt, es gibt nicht mehr zig Baustellen. Wir sind überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein, sind selbstbewusst. Aber natürlich ist das schwierig zu verkaufen, wenn das wichtigste Spiel verloren gegangen ist.»
Das umso mehr, als Ihr zum dritten Mal in Serie einen Viertelfinal als Favorit verloren habt. Zumindest einmal hättet Ihr die Halbfinals zwingend erreichen müssen. Einverstanden?
«Absolut. An dem gibt es nichts zu verneinen, dem sind wir uns bewusst. Es war nicht so, dass Deutschland unglaublich gut war. Wir hätten dieses Spiel gewinnen müssen, daran ist nichts zu rütteln. Nichtsdestotrotz, ich wiederhole mich, stimmt der Weg.»
Die erneute Enttäuschung dürfte also keine personellen Konsequenzen haben.
«Stand jetzt ist das so. Für mich machen personelle Konsequenzen nur Sinn, wenn die Leistungen nicht stimmen, wenn gegen Mannschaften wie Kasachstan Punkte abgegeben werden. Dann ist der Fall klar. Dem ist aber nicht so. Von daher gilt es nun, schlaue Entscheide zu treffen, solche, die Hand und Fuss haben. Nur etwas zu ändern, damit etwas geändert ist, das kann jeder. Das wäre das einfachste. Doch ist das die Lösung? Ich habe nicht die Verantwortung gegenüber den Medien, ich habe die Verantwortung gegenüber dem Eishockey in der Schweiz, gegenüber den Jungen mit Perspektiven, den Fans, den Sponsoren. Diese nehme ich wahr. Deshalb werden wir eine genaue Analyse vornehmen. Bei dieser geht es allerdings nicht explizit um die Frage, wer die Verantwortung für das Scheitern hat, sondern was wir besser machen müssen. Die zweite Frage ist: Was braucht es dafür? Aber ja, ewig können wir nicht im Viertelfinal scheitern, ausser wir hätten das Team nicht mehr für das Ziel, das finale Wochenende zu erreichen.»