Die riesige Euphorie nach dem besten WM-Start seit 1939 ist vorerst gedämpft. Das Eishockey-Nationalteam verliert an der WM in Bratislava nach Schweden auch Russland, diesmal mit 0:3.
Dem Schweizer Trubel in der Slowakei taten die beiden Niederlagen vorerst keinen Abriss. Um die 5'000 Schweizer reisten übers Wochenende nach Bratislava. Noch nie vorher waren derart viele Schweizer der Eishockey-Nationalmannschaft an eine ferne WM nachgereist. Nebst zweimal gut 3'000 Fans in der Ondrej-Nepela-Arena befanden sich weitere 2'000 Schweizer in der Fan-Zone. Sie hatten keine Tickets mehr erhalten oder aus freien Stücken bei Schwarzmarktpreisen von 200 Euro auf einen Kauf verzichtet.
Sofort nach dem Spiel skandierten die Schweizer Fans sofort wieder das bekannte «Nati, Schweizer Nati». Die Unzufriedenheit hielt sich in sehr engen Grenzen. Dabei bot die Partie gegen Russland gewiss nicht mehr Feinkost wie am Abend vorher das Spiel gegen Weltmeister Schweden.
Russland von Beginn weg dominant
Die Schweizer waren der Herkules-Aufgabe gegen Russland nicht gewachsen. Sie wurden von den Russen gleich am Anfang krass dominiert. Aus der ersten Druckphase resultierte schon nach 216 Sekunden der erste Gegentreffer. Artjom Anissimow brachte den Favoriten mit dem vierten Torschuss in Führung.
Die Schweizer fanden danach den Tritt besser. Lino Martschini (6.), Roman Josi (9. und 14.), Nico Hischier (19.), Tristan Scherwey und Sven Andrighetto (beide 24.) kamen zu Chancen auf den Ausgleich. Ausserdem konnten die Schweizer bis zum zweiten Gegentreffer in der 27. Minute durch NHL-Topskorer Nikita Kutscherow dreimal Powerplay spielen.
Aber: Die Schweizer spielten nicht mehr so überzeugend, so schnell, so gradlinig, so mutig, so selbstbewusst und so stark wie gegen Schweden. Die Umstellung aller Angriffsformationen tat dem Schweizer Spiel zumindest vorerst noch nicht gut. Automatismen gingen verloren. Viele Pässe fanden keinen Abnehmer.
Parallelen zu 2018
Was liefern die Niederlagen gegen Schweden und Russland für Klarheiten? Wer meinte, dass die Schweiz nach der Silbermedaille von 2018 sowie den 4:0 Siegen und 20:2 Toren zu Beginn dieser WM nun definitiv zu den Top-Nationen gehört, der wurde vorerst belehrt. Aber: Schon vor einem Jahr in Kopenhagen verlor die Schweiz am mittleren Wochenende gegen Russland (3:4) und Schweden (3:5) – und stand eine Woche später dennoch im WM-Final.
Russland hat nach dem Erfolg gegen die Schweiz gute Aussichten, die Vorrunde auf Platz eins zu beenden. Und die Schweiz kann bei einem Sieg am Dienstag im abschliessenden Gruppenspiel gegen Tschechien immer noch Zweite werden. Wenn die Schweiz in Bratislava in der nun beginnenden letzten WM-Woche im Konzert mit den Grossen aber noch eine Rolle spielen will, muss sie sofort das Powerplay in den Griff kriegen.
Powerplay ungenügend
Gegen Schweden spielte die Schweiz sechs Mal in Überzahl, gegen Russland nochmals sechs Mal. Ein Powerplay-Tor gelang in beiden Spielen keines, trotz fast vier Minuten sechs gegen vier Feldspieler (ohne Goalie) im Finish gegen die Russen. Gegen Schweden am Samstag taten sich die Schweizer sogar schwer, den Weg in die Angriffszone zu finden. Zumindest das gelang am Sonntag besser.
Vor einem Jahr in Kopenhagen erzielte die Schweiz in den Playoffs aus fünf Powerplay-Chancen vier Tore. Insgesamt erzielten sie 2018 in Dänemark elf Treffer in Überzahl aus 35 Chancen. Jetzt in Bratislava gelang der Schweiz aus den letzten elf Möglichkeiten kein Tor mehr. Aus den letzten 24 Powerplay-Chancen resultierten nur zwei Goals – beide in der Schlussphase gegen Norwegen, als der Widerstand der Norweger zusammengebrochen war.
Ab Montag mit Niederreiter
Aber: Am Montag trifft der nächste und letzte Schweizer Hoffnungsträger für diese Weltmeisterschaft ein. Nino Niederreiter landet am Vormittag in Wien und wird anschliessend nach Bratislava chauffiert, wo er am frühen Nachmittag mit der Schweizer Equipe auf dem Eis trainieren wird. Niederreiter spielte vor einem Jahr im Schweizer Angriff und im Powerplay eine Hauptrolle – schafft er das erneut?
Die abschliessende Partie gegen Tschechien mit Niederreiter steht am Dienstagmittag um 12.15 Uhr auf dem Programm.
Telegramm:
Schweiz – Russland 0:3 (0:1, 0:1, 0:1)
Bratislava. – 9056 Zuschauer. – SR Björk/Tufts (SWE/USA), Malmqvist/Oliver (SWE/USA). – Tore: 4. Anissimow (Orlow, Gussew) 0:1. 27. Kutscherow (Gussew/Ausschluss Hischier) 0:2. 56. Kutscherow (Anissimow, Saizew) 0:3. – Strafen: 4mal 2 Minuten gegen die Schweiz, 7mal 2 Minuten gegen Russland.
Schweiz: Genoni; Fora, Frick; Loeffel, Genazzi; Weber, Josi; Diaz; Rod, Bertschy, Scherwey; Fiala, Hischier, Simon Moser; Andrighetto, Kuraschew, Ambühl; Martschini, Haas, Hofmann; Praplan.
Russland: Georgijew; Saizew, Orlow; Chafizullin, Gawrikow; Sergatschjow, Nesterow; Sadorow; Telegin, Andronow, Kowaltschuk; Dadonow, Malkin, Grigorenko; Kaprissow, Kusnezow, Owetschkin; Kutscherow, Anissimow, Gussew; Barabanow.
Bemerkungen: Schweiz ohne Janis Moser (verletzt), Mayer (Ersatztorhüter) und Berra (geschont). – Timeout Schweiz (58:04). – Schweiz ab 56:23 ohne Goalie. – Schüsse: Schweiz 31 (9-11-11); Russland 34 (12-14-9). – Powerplay-Ausbeute: Schweiz 0/6; Russland 1/3.