Lions gegen MerzlikinsRockt Elvis weiter, wird der ZSC heute nicht Meister
sda/bam
25.4.2018 - 06:21
Die Playoff-Finalserie zwischen dem ZSC und Lugano verläuft teilweise unberechenbar. Trotzdem sind Tendenzen und Schlüsselfiguren erkennbar. Eine Zwischenbilanz vor dem letzten Heimspiel der Zürcher.
Der Torhüterfaktor
Elvis Merzlikins ist ein Unikum und steht dazu: «Meine Emotionen, meine Gestik gehören zu mir. Und ja, mir macht es Spass, Tore mit schönen Paraden zu verhindern.» Der lettische WM-Goalie mit Tessiner Junioren-Vergangenheit beherrscht die Goalieklaviatur perfekt. Die Symbiose zwischen Show und Klasse könnte kaum perfekter sein.
Der 24-Jährige führt das Ranking der besten National-League-Keeper inzwischen an und stellt selbst den ebenfalls exzellenten ZSC-Torhüter Lukas Flüeler in den Schatten. In der Resega hat er seit 145 Minuten keinen Treffer mehr zugelassen. Seine statistischen Marken sind imposant: 507 Saves, 93,2 Prozent Erfolgsquote, lediglich 2,25 Gegentore pro Spiel.
Sein Agent Hnat Domenichelli traut ihm gemäss «NZZ» eine Weltkarriere zu. Von Merzlikins ist bekannt, dass er spätestens 2019 einen Transfer in die NHL anstreben wird. «In dieser Zeit will ich mindestens einen Titel gewinnen», sagt er selber.
Aber auch Lukas Flüeler macht seinen Job weiterhin sehr gut. An den letzten vier Gegentoren trifft ihn lediglich beim 2:0 eine Schuld. Auch seinen Fangwert von 92.28 bestätigt, dass er für sein Team immer wieder Goldwert sein kann.
Der Output des Topskorers
Er posierte nach dem 4:0 gegen die Lions spätabends auf dem Parkplatz mit glückseligen Tifosi. Und Maxim Lapierre tat, was er auch auf dem Eis oft macht: lächeln, freundlich, nicht diabolisch zur Erniedrigung des Gegners. Der Stürmer mit dem ligaweit grössten Unterhaltungswert hat eine faszinierende Metamorphose hinter sich. Im Vergleich zum Vorjahr vergrösserte der aktuelle Playoff-Topskorer seinen Offensiv-Output um mehr als 50 Prozent.
Faustschläge deutet der frühere Stanley-Cup-Finalist mehrheitlich nur noch an, sein Strafenkatalog hält sich inzwischen in engen Grenzen. Lapierre weicht zwar weiterhin keinem harten Rencontre aus, aber sein Fokus hat sich verlagert. Der Mann mit dem vorzüglichen Auge und hervorragenden Puckmanagement entscheidet die Partien auf einer anderen Ebene. Seine Paradeformation produzierte ausserhalb der Regular Season 54 Skorerpunkte - doppelt so viel wie die Linie um Zürichs Fredrik Pettersson.
In der Finalserie ragen Lapierre und der Finisseur Gregory Hofmann an seiner Seite heraus. Mit sechs Toren und sechs Assists prägt das Duo die Serie massgeblich. Zürichs schwedischer Key-Player Fredrik Pettersson (1 Assist) und der bisher unsichtbare Finne Lauri Korpikoski fanden im Klassiker gegen die Südschweizer vergleichsweise nicht statt; einzig der US-Joker Drew Shore hält mit Lapierres Power einigermassen mit.
Die statistische Zwischenbilanz
Noch führen die Lions dank ihrem Startbreak und zwei Overtime-Heimsiegen in der wichtigsten Kategorie 3:2. Einige Kennzahlen fallen indes nicht zu ihren Gunsten aus. Das Torverhältnis lautet 9:13 und verdeutlicht, dass die Bianconeri sich im Prinzip auf Augenhöhe bewegen. Zürich beanspruchte im Angriff nur in fünf Dritteln Vorteile, sechs gewann Lugano, sechs endeten remis.
Die Form der Coaches
Greg Ireland besitzt in Europa (noch) keine sonderlich prominente Visitenkarte. Seine Beförderung zum Chefcoach von Adler Mannheim machte das Management des DEL-Topklubs 2016 nach wenigen Monaten rückgängig. Experten prophezeiten dem Kanadier im Sottoceneri ein ähnlich frühes Aus – sie unterschätzten den smarten und intern vorzüglich kommunizierenden Ausbildner erheblich.
Anders als sein exzentrischer Vorgänger Doug Shedden interessiert sich Ireland auch für den Unterbau des Tessiner Vereins. Selbst der Moskito-Nachwuchsabteilung stattete er mehrere Besuche ab. Der unaufgeregte und integrative, aber trotzdem klar artikulierende Coach hat es geschafft, die Organisation taktisch und soziokulturell perfekt zu justieren.
Und mit dem riskanten Entscheid, im Playoff mehrheitlich auf die Kunst von Hochlohnbezüger Linus Klasen zu verzichten, schärfte Ireland sein Profil und stellte die Teambalance über alles.
Gegenspieler Hans Kossmann hat im Kampf um den Titelgewinn mehrheitlich alles richtig gemacht und die Lions zu Siegen gegen den EV Zug sowie den Titelhalter Bern gecoacht. Er liest das Team gut und spürte, wann er welche Figuren forcieren musste. Bis zum 0:4 in der Resega wirkte der Kanada-Schweizer souverän, nach dem jüngsten Fehltritt im Tessin hinterliess er bei der medialen Aufarbeitung allerdings einen angespannten Eindruck.
Dem ZSC-Trainer auf Zeit bleiben noch zwei Meisterpucks und ein Heimspiel, den am letzten Samstagabend blassen Akteuren wieder Energie zuzuführen und sie wieder mit mehr Mut in den Rink zu schicken. Kossmann muss im Showdown ähnlich wie sein Team das vollumfängliche Repertoire abrufen, sonst droht ihm wie 2013 mit Fribourg-Gottéron ein finaler Kollaps.