Vicky Mantegazza«Satt, auf das Klischee verwöhnter Millionaros reduziert zu werden»
SDA
12.4.2018 - 06:37
Lugano fordert im Playoff-Final die ZSC Lions heraus. Die Affiche beinhaltet beidseits prägende Kapitel. Ein hoher Pulsschlag ist nur schon aufgrund der aufregenden Vergangenheit garantiert.
Ein Kommentator beschrieb den seit 2006 titellosen Verein am Tag der letzten Trainerrochade im vorletzten Januar als "dysfunktionales Paradies" mit dem "vermutlich teuersten Team ausserhalb der KHL". Der aktuelle Status weicht von der damaligen "NZZ"-Einschätzung ab. Lugano tritt nicht wie ein überteuertes Ensemble auf, die Ära der Diven scheint passé; das Lokalkolorit ist an der Via Chiosso keine Wunschvorstellung der PR-Abteilung, 40 Prozent des Kaders wurden in der Südschweiz ausgebildet.
Die impulsive Tifoseria honoriert den Kurs der Führung, dem Tessiner Element mehr Gewicht beizumessen. Im Vergleich zum FC Lugano, kein anderer Super-League-Verein verkauft weniger Tickets als der Tabellenvorletzte, bewegt der Hockey-Club die Zuschauer. Über 7000 Anhänger strömten in der letzten Playoff-Saison durchschnittlich in die Resega; in der Serie gegen die Lions dürfte die Arena ausnahmslos ausverkauft sein.
Eine richtige Einheit?
"Ich habe es satt, immer nur auf das Klischee der verwöhnten Millionarios reduziert zu werden." Das Statement von Vicky Mantegazza stammt aus dem Dezember vor drei Jahren. Frust und Enttäuschung schwangen bei der Klubchefin mit. Die Bianconeri hatten zwischen 2007 und 2015 keine Playoff-Serie mehr gewonnen. Elf Trainer, unter ihnen Persönlichkeiten wie Kent Ruhnke, Rückkehrer John Slettvoll, Larry Huras und der aktuelle Nationalcoach Patrick Fischer, waren im Sottoceneri gescheitert.
Wenige Monate nach der dezidierten Wortmeldung Mantegazzas zelebrierte der HC Lugano ein Comeback im Sinne seiner ewigen Gönner-Familie. Die erste Finalissima seit dem letzten Titelgewinn endete zwar mit einem 1:4 gegen den SC Bern, aber die innere Überzeugung wuchs, in den Schweizer Rinks wieder Spuren hinterlassen zu können. Die Brust schwoll im Klub generell an, die Debatte im Süden dreht sich mittlerweile um berechtigte Ambitionen und nicht nur um den Kontostand der teuren Stars.
Selbst die vorübergehenden Turbulenzen wegen der Trennung vom kanadischen Taktgeber Doug Shedden beeinträchtigten den Aufschwung nicht nachhaltig. Im Gegenteil: Nachfolger Greg Ireland widerlegte die kritischen Beobachter mit harter Arbeit. Der geschätzte Nordamerikaner steht mehr denn je für die Rückkehr zu den Wurzeln, für eine kollektiv ansprechende Atmosphäre. Er sieht sich nicht als Dompteur hoch dotierter Egozentriker, sondern als Manager einer kollektiven Vorwärtsbewegung.
«Eine körperlich harte Auseinandersetzung»
Lugano kann der nationalen Konkurrenz im Kernbereich wieder wehtun. Die Wucht und Intensität der robusten, eingespielten Squadra ist auch in den Reihen der ZSC Lions ein Thema. Hans Kossmann rechnet mit einer "körperlich härteren Auseinandersetzung als gegen den SCB". Und die Lions-Repräsentanten gehen unisono von einem Duell mit allseits erhöhten Betriebstemperaturen aus.
Beidseits sind nur schon aufgrund spezieller Vorgeschichten Emotionen programmiert. Reto Schäppi, der Center geht von einem Titelkampf mit "viel Zunder" aus. Das Klima werde wohl rauer werden und der Ex-Lugano-Stürmer Fredrik Pettersson könnte ins Fadenkreuz des Antipoden geraten: "Das wissen wir, entsprechend müssen wir ihn schützen", sagt der Nationalspieler zur Nachrichtenagentur sda.
Nach der Jahrtausendwende entwickelte sich das Nord-Süd-Duell par excellence zu einem eigentlichen Playoff-Klassiker. 1992 kam es in Oerlikon zum legendären Sockelsturz des Grande Lugano. Und nach dem Totalumbau der ZSC-Organisation begann die Erfolgsära der Lions am 1. April 2000 mit dem legendären Last-Minute-Meisterschuss von Adrien Plavsic gegen Lugano-Keeper Cristobal Huet.
2001 endete der nächste Finalgipfel zwischen dem HCL und dem ZSC mit dem Sudden Death der Bianconeri in der Overtime - und den schlimmsten Krawallen seit Einführung der Playoffs. CEO Peter Zahner erinnert sich an "manche grosse Serie" und hat die Geschichten von früher nicht vergessen: "Diese Bilder hat man im Kopf."
Das letzte Playoff-Rencontre der beiden Rivalen fand vor knapp 13 Monaten statt. Haften blieb wenig Erbauliches: Sperren, endlose Diskussionen, Frust, die von Tessiner Exponenten ausgelöste Kontroverse um den damaligen Einzelrichter Victor Stancescu. "Ich ärgerte mich damals extrem", sagt Zahner und wischt die suboptimalen Souvenirs vom Tisch: "Das ist vorbei, von einer Revanche spreche ich sicher nicht."
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