Für den SC Bern ist vor der letzten Runde noch alles möglich: Der Super-GAU eines Saisonendes, ein Ausscheiden in den Vor-Playoffs oder die Rettung der Saison mit dem überraschenden Meistertitel.
Donnerstagabend in der Beiz gleich neben dem Ilfisstadion: Längst ist sie gut gefüllt mit Anhängern der SCL Tigers, als sich ein Grüppchen SCB-Fans den letzten freien Tisch schnappt. Die Stimmung bleibt freundschaftlich. Die Gäste aus der Stadt flachsen gut gelaunt: «Jetzt könnt ihr den DiDo wieder zurück haben.» Die Rede ist vom kanadischen Ausnahme-Stürmer Chris DiDomenico, der in Langnau wegen seiner dritten Schwalbe gesperrt ist und Ende Saison den SCB nach nur einem Jahr wieder verlassen wird.
«DiDo» steht für einiges, was beim grossen SC Bern in den letzten Jahren falsch gelaufen ist: personelle Fehlentscheidungen, ein Verlust der Leistungskultur, eine überalterte Mannschaft. Neunter, Neunter und Elfter wurden die Berner seit dem letzten Meistertitel 2019, zweimal bedeutete dies das Verpassen der Playoffs. Dieses Schreckgespenst ist auch jetzt noch nicht ausgeräumt, nach dem erzitterten Sieg im Berner Derby hat der SCB sein Schicksal nun in den eigenen Händen: ein Sieg nach 60 Minuten am Samstag zuhause gegen die ZSC Lions reicht sicher für die Playoff-Achtelfinals.
Das Missverständnis DiDomenico
Ausgerechnet in diesen entscheidenden Wochen sorgte die Personalie DiDomenico wieder für Wirbel. Nach einer Story des «Blick» war die SCB-Führung gezwungen, den Abgang des Topskorers trotz weiterlaufendem Vertrag auf Ende Saison zu bestätigen. Der Kanadier hat zwar die sportlichen Erwartungen erfüllt und ist mit 21 Toren und 29 Assists klar der beste Skorer der Berner. Doch er liess sich nicht in ein taktisches Schema pressen und trieb seine Coaches – erst den Schweden Johan Lundskog, seit November den Finnen Toni Söderholm – und Mitspieler oft zur Verzweiflung, wenn er seine Einsätze auf dem Eis eigenmächtig verlängerte.
«Er hat sich in Bern wohl nie ganz wohl gefühlt», stellte Sportchef Andrew Ebbett fest. Eine Überraschung konnte dies aber nicht sein. Wer DiDomenico holt, weiss, was er bekommt; es ist illusorisch, dass sich der eigenwillige Kanadier mit 34 Jahren noch ändern würde.
Das Missverständnis passt in die jüngere Geschichte des SCB. Es fing an mit dem verunglückten Intermezzo von Florence Schelling als erste weibliche Sportchefin auf höchstem Niveau und dem überforderten Don Nachbaur als Coach. Dann warb man Raeto Raffainer als «Super-Sportchef» unter einigen Nebengeräuschen beim Ligakonkurrenten Davos ab – bislang ohne durchschlagenden Erfolg. Und während DiDomenico zumindest sportlich ein Gewinn war, enttäuschte der vermeintliche Königstransfer Sven Bärtschi bei der Rückkehr aus Nordamerika auf der ganzen Linie. Auch das kam nicht ganz überraschend, der talentierte Oberaargauer hat mehrere schwierigere Saisons hinter sich.
Intern nicht darüber gesprochen
Da fiel es der Mannschaft auch auf dem Eis schwer, konstante Leistungen abzuliefern. Zweimal schien mit vier und mehr Siegen in Folge eine Wende zum Guten geschafft, es folgten aber auch wieder Serien mit zweimal vier Niederlagen in Folge. Tristan Scherwey, der erfahrene Stürmer und fünffache Meister mit dem SCB, versucht, diese Nebengeräusche auszublenden. «Es wird schon die ganze Saison immer etwas um uns herum geredet», stellt er im Gespräch mit Keystone-SDA fest. «Aber für uns spielt das keine Rolle. Wir haben einen Job zu machen, alles andere ist nebensächlich. Wir sprechen das intern auch nicht an.»
Als Leistungsträger ist er in dieser Situation speziell gefordert, wie auch der Routinier Beat Gerber, der Ende Saison mit 40 Jahren als Profi aufhört. «Der Druck war enorm, wir brauchten dringend Punkte», sagte dieser nach der Partie in Langnau erleichtert. Nun können die Berner ihre Saison am Samstag gegen die ZSC Lions zumindest vorläufig retten.
Der Druck bleibt aber hoch. Bei einer Niederlage oder einem Sieg im Nachsitzen müssten sie allerdings auf Punktverluste der punktgleichen Konkurrenten Lausanne und Lugano oder des einen Zähler zurückliegenden Kloten hoffen. Bei Punktgleichheit mit Lausanne und Kloten verliert Bern den Direktvergleich, gegen Lugano wären sie besser. Für einen aus dem Quartett ist die Saison zu Ende, die anderen dürfen weiter vom Meistertitel träumen.
Für die Langnauer ist die Lage noch bedrohlicher, sie müssen ins Abstiegs-Playoff gegen Ajoie. Es darf bezweifelt werden, dass DiDomenico da eine Rückkehr ins Emmental ernsthaft in Betracht ziehen würde.