Es tönt nach einer kitschigen Hollywood-Geschichte. Vor wenigen Tagen wird Kevin Fiala erstmals Vater, am Montag ist er der Matchwinner beim Schweizer Sieg gegen Tschechien.
Kevin Fiala war nach der Partie gegen die Tschechen nicht nur wegen seines Tores und des verwandelten Penaltys ein gefragter Mann, sondern auch, weil er bewegte Tage mit der Geburt seines ersten Kindes, einer Tochter namens Maise-Mae, hinter sich hat. Er sprach «von der schönsten Woche, die ich je hatte.»
Doch trotz der enormen Emotionen liess er es sich nicht nehmen, am Sonntagabend in Los Angeles in den Flieger zu steigen, um die Schweiz an der WM zu verstärken. Er habe nicht gedacht, dass ihm der Abschied dermassen schwerfalle, gab der 27-jährige Ostschweizer aber zu. Gleichzeitig bedankte er sich bei seiner Frau Jessica: «Sie pushte mich, zu gehen, da sie weiss, wie wichtig die WM für mich ist. Das ist wirklich nicht selbstverständlich.»
Unerwartete Nachricht
Wäre die Tochter am ermittelten Geburtstermin zur Welt gekommen, wäre eine WM-Teilnahme von Fiala nicht möglich gewesen. Deshalb rechneten die Verantwortlichen nicht ernsthaft mit ihm. Am vergangenen Mittwoch erhielt dann aber Nationaltrainer Patrick Fischer eine Nachricht von Fiala, in der stand, dass die Tochter auf die Welt gekommen sei und er ihn anrufen solle.
Beim Telefonat sagte er Fischer voller Adrenalin, dass er am Sonntag nach Prag fliegen wolle. Fischer antwortete Fiala, er solle sich zuerst einmal etwas Zeit nehmen und es dann in Ruhe mit seiner Frau besprechen. In der Zwischenzeit holte Lars Weibel, der Director Sport von Swiss Ice Hockey, zur Sicherheit die Freigabe ein bei Rob Blake, dem GM der Los Angeles Kings, um die Versicherung abschliessen zu können. Dann meldete sich Fiala erneut, dass er alles geregelt habe und kommen wolle. Er sei bereit, habe trainiert.
«Wir schüttelten vor Überraschung nur die Köpfe und sagten: ›Was für ein Typ’», erzählte Weibel. «Wir hätten Verständnis gehabt, wenn er nicht gekommen wäre. Ich hatte fast ein schlechtes Gewissen, das anzunehmen. Es ist eine tolle Geschichte. Neben seiner spielerischen Klasse, er ist unter Druck unglaublich gut mit der Scheibe, haben wir nun mehr Optionen im Powerplay und in der Linienzusammenstellung. Zudem gibt sein Kommen der Mannschaft Energie und weiteres Selbstvertrauen.»
Die WM ist für Fiala umso spezieller, als Tschechien das Heimatland seines Vaters ist. Von daher stand es für ihn trotz Jetlag und wenig Schlaf in den Tagen zuvor ausser Frage, gegen den Gastgeber zu spielen. «Besser hätte es nicht gehen können», sagte Fiala zu seinem Auftritt. «Meine Grossmutter holte mich am Flughafen ab, das gab mir ebenfalls Energie. Dann sah ich die Jungs. Ich war voller Adrenalin.»
Fiala gibt sich selbstkritisch
Elf Tage zuvor war seine Gefühlslage noch eine komplett andere gewesen, scheiterten doch die Los Angeles Kings mit 1:4 Siegen zum dritten Mal in Folge in den Playoff-Achtelfinals an den Edmonton Oilers. Das erste Mal war Fiala noch nicht dabei, er unterschrieb im Sommer 2022 einen mit 55,125 Millionen Dollar dotierten Vertrag über sieben Jahre mit den Kaliforniern.
«Es war immer ein Traum von mir, dort zu leben», so Fiala. Vor allem aber bringt die Mannschaft für ihn alles mit, um den Stanley Cup zu gewinnen. «Wir sind eine grosse Familie.» Dass dennoch abermals die Achtelfinals Endstation bedeuteten, führt er auch auf die eigene Leistung zurück. So gelangen ihm in den fünf Playoff-Spielen nur je ein Tor und Assist, nachdem er in der Qualifikation in 82 Partien 29 Tore und 44 Assists erzielt hatte. Zwar habe er nicht schlecht gespielt, aber auch nicht gut. Er habe nicht das Maximum herausgeholt, gab er sich selbstkritisch.
Nun hofft er mit der Schweiz in jener Stadt zu reüssieren, in der er als Kind oft war. Er gehörte schon an der WM 2015 in der tschechischen Hauptstadt zum Schweizer Team, als es im Viertelfinal gegen die USA eine 1:3-Niederlage absetzte. Diesmal soll es nun klappen mit der zweiten persönlichen WM-Medaille nach Silber 2018. Zuerst einmal genoss Fiala aber den freien Dienstag mit seiner Grossmutter.