Kevin Fiala war kein einfacher Spieler, ist aber enorm gereift. In Los Angeles lebt er seinen Traum. Das hilft in einer Saison mit vielen Hochs und Tiefs.
Fiala sitzt in einem bequemen Stuhl in seinem prächtigen Haus. Der Himmel ist stahlblau. Eine bessere Destination als Los Angeles hätte sich der 27-jährige Ostschweizer nicht vorstellen können nach dem Ende seines Engagements im Sommer 2022 bei den Minnesota Wild.
Zwar vermisst er manchmal den «richtigen» Winter, wie er ihn von der Schweiz her kennt, würde er gerne mal wieder Ski fahren. Jedoch schätzt er es sehr, zur jetzigen Jahreszeit mit kurzen Hosen und Flipflops ins Training und danach an den Strand gehen zu können.
«Das macht es einfacher aufzustehen», sagt Fiala. «Früher bin ich an den Strand in die Ferien. Ich habe hier viel mehr Freude am Eishockey und am Leben allgemein.» So fällt es ihm einfacher abzuschalten, insbesondere wenn es nicht wie gewünscht läuft.
Das war in dieser Saison nach einem guten Start der Fall. Die Kings gewannen 20 der ersten 31 Spiele, auswärts reihten sie elf Siege aneinander. Dann aber fielen sie in ein tiefes Loch, verloren sie 14 der nächsten 16 Partien. «Wir wurden von einem Tag auf den anderen von Gewinnern zu Verlierern», sagt Fiala.
Auf Hawaii den Kopf gelüftet
Von daher kam die Pause Anfang Februar wegen des All-Star-Games zur rechten Zeit, obwohl es im letzten Spiel davor einen Erfolg absetzte. Fiala nutzte die freie Zeit, um mit seiner schwedischen Frau Jessica, mit der er seit Anfang 2022 verheiratet ist, nach Hawaii zu verreisen. Im gleichen Ressort waren auch ein paar Teamkollegen zugegen. «Es war sehr, sehr schön, tat gut, den Kopf zu lüften», erzählt Fiala.
Das Tief hatte zur Folge, dass Trainer Todd McLellan, der seit April 2019 im Amt gewesen war, durch Assistent Jim Hiller ersetzt wurde. Während des Interviews hatte Fiala erst ein Training in der neuen Konstellation hinter sich, dieses vermittelte ihm jedoch ein gutes Gefühl. Und dieses täuschte ihn nicht.
Vor dem Heimspiel in der Nacht auf Freitag gegen Roman Josis Nashville Predators gewannen die Kings fünf von sechs Partien seit dem Trainerwechsel. «Er (Hiller) ist ein sehr intelligenter Coach, der uns versteht. Und er lässt moderner spielen», sagt Fiala. Mit moderner meint er schneller.
Mit den eigenen Leistungen ist Fiala im Grossen und Ganzen zufrieden. In den ersten 54 Partien gelangen ihm 14 Tore und 30 Assists. Zwar kann er damit aktuell nicht ganz an die Werte der letzten beiden Qualifikationen anknüpfen, in denen er mehr als einen Punkt pro Spiel verzeichnete. Jedoch «stiehlt» keiner in seinem Team dem Gegner öfters den Puck als der Schweizer, der zu den Leadern im Team gehört.
Mentalcoach und Meditation
Das aussergewöhnliche Talent von Fiala war schon früh zu erkennen. Bereits als 13-Jähriger spielte er immer wieder für das U17-Team von Uzwil, ehe er für zwei Saisons zu den ZSC Lions wechselte. 2012 zog es ihn nach Schweden, wo er nach einem Jahr bei Malmö zu HV71 Jönköping weiterzog. Mit 17 debütierte er in der höchsten schwedischen Liga. 2014 zogen ihn die Nashville Predators im NHL-Draft als Nummer 11. Und Fiala ist einer von nur drei Spielern, die in einer Saison die U18-, die U20- und die A-WM bestritten haben.
Sein Trainer bei Jönköping, Andreas Johansson, sagte damals über ihn: «Sein Potenzial ist so hoch wie der Himmel.» Allerdings hatte Fiala auch einen Hang zur Überheblichkeit und konnte er sehr impulsiv sein. Er musste lernen, seine Emotionen zu kontrollieren. Nicht umsonst arbeitet er schon länger mit einem Mentalcoach zusammen. Ausserdem meditiert er. Mittlerweile verliert er nicht mehr so schnell die Nerven.
Die gesammelten Erfahrungen haben ihm auch gelehrt, welche grosse Wirkung vermeintliche Details haben, umso mehr in der NHL, in der die Strapazen mit den vielen Spielen und der Reiserei immens sind. Von daher achtet Fiala nun noch mehr auf seinen Körper. So investiert er seit kurzem in das im Gesundheitswesen tätige Start-up-Care, das auf eine moderne Prophylaxe in diesem Bereich setzt. Die Zusammenarbeit hilft ihm, proaktiv zu handeln, so gut wie möglich die Kontrolle über seine Gesundheit zu haben und unterstreicht ebenfalls, welchen Reifeprozess er durchgemacht hat.
Nun möchte Fiala mit den Kings den Traum vom Gewinn des Stanley Cup verwirklichen, er hat 2022 einen Vertrag über sieben Jahre mit einer Lohnsumme von 55,125 Millionen Dollar unterschrieben. Die Kalifornier stemmten vor zehn Jahren zum zweiten und letzten Mal die Trophäe in die Höhe. Seither verpassten sie fünfmal die Playoffs und scheiterten viermal in der ersten Runde. Die Sehnsucht nach Erfolg ist in Los Angeles also gross. Das gilt selbstredend auch für Fiala, prächtiges Haus und stahlblauer Himmel hin oder her.