Der HC Lugano kann sich am Donnerstag im Showdown gegen den Qualifikations-Zweiten Fribourg-Gottéron erstmals seit 2018 für die Playoff-Halbfinals qualifizieren. Das verdankt er auch einem Umdenken.
In den ersten fünf Saison nach der Einführung der Playoffs, die 1986 erstmals ausgetragen wurden, holte der HCL viermal den Schweizer Meistertitel. «Grande Lugano» war geboren. Bis 2006 kamen immerhin drei weitere Titel dazu. Seither aber waren die Final-Qualifikationen 2016 und 2018 das höchste der Gefühle. Zweimal verpassten die Bianconeri gar die Playoffs (2008, 2011).
Die Erfolge waren auch dank des Geldes der Milliardärs-Familie Mantegazza möglich. Geo Mantegazza führte den Verein von 1978 bis 1991, bei seinem Amtsantritt spielte Lugano noch in der NLB. Seit 2011 ist seine Tochter Vicky die Präsidentin. Es mangelt also weiterhin nicht an Geld, doch fehlte es oft an der notwendigen Leistungskultur – wurde zumindest von ausserhalb moniert.
Grosser Trainerverschleiss
Zudem war der Verschleiss an Trainern gross seit 2006. Luca Gianinazzi ist der 16. Trainer seit dem letzten Meistertitel, Greg Ireland war zweimal im Amt. Gianinazzi ist seit Oktober 2022 für das Team verantwortlich, und er ist sozusagen das Synonym für das Umdenken, das stattgefunden hat. Gianinazzi ist erst 31 Jahre alt, zuvor trainierte er das U20-Team.
Es wird nun bei Lugano mehr auf Junge gesetzt wie die Eigengewächse Marco Zanetti und Lorenzo Canonica. Captain ist seit dieser Saison der erst 26-jährige Calvin Thürkauf, der sich bei Lugano zu einem absoluten Topspieler entwickelt hat und in der Qualifikation hinter Fribourgs Marcus Sörensen der zweitbeste Skorer war.
Noch fehlt es den Luganesi an der nötigen Konstanz, weshalb das Team in der Regular Season nicht über den 7. Rang hinauskam. In der Viertelfinalserie gegen Fribourg-Gottéron gingen die ersten beiden Spiele mit einem Torverhältnis von 3:10 verloren. Dennoch kommt es am Donnerstag in Freiburg zu einem Showdown, glichen doch die Südtessiner am Dienstag mit einem 4:2-Heimsieg zum 3:3 aus.
«Wir haben defensiv super gearbeitet, es gelang uns, ihnen den Speed wegzunehmen», sagte Thürkauf im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Zudem hätten ihnen die zwei erzielten Tore im Powerplay Energie gegeben. «Es war im Grossen und Ganzen eine solide Leistung.» Ein Sonderlob hatte Thürkauf für Goalie Niklas Schlegel: «Er hat uns im Spiel gehalten. Ohne ihn wäre der Sieg nicht möglich gewesen.»
Keinerlei Anlaufzeit
Schlegel ist ein gutes Stichwort. In den ersten beiden Viertelfinalspielen hütete noch der Finne Mikko Koskinen das Tor der Luganesi. Dann übernahm Schlegel und seither läuft es den Bianconeri. Der 29-Jährige verzeichnet in den Playoffs eine Abwehrquote von 94,92 Prozent, womit er diese Statistik anführt. Das ist umso bemerkenswerter, als er am 23. Januar eine Oberschenkel-Verletzung erlitt und erst in der dritten Partie der Serie gegen Fribourg sein Comeback gab. Er benötigte also keinerlei Anlaufzeit.
«Nach anderen Verletzungen war ich froh, ein, zwei Spiele zu haben, um wieder Fuss zu fassen», so Schlegel. «Diese Zeit hatte ich nun einfach nicht. Deshalb sagte ich zu mir: Überlege nicht zu viel, nimm einen Schuss nach dem anderen.» Gerät man, wenn es dermassen gut läuft, in einem Flow, so dass man sich fast unschlagbar fühlt? «Ich habe das Gefühl, dass man gleich ein Tor kassiert, wenn man so denkt. Ich bin eher einer, der die Füsse gerne auf dem Boden hält und lieber vorsichtig ist. Insbesondere in den Playoffs darf man nie zu hoch fliegen, aber auch nie zu tief zu sinken, denn es geht Schlag auf Schlag.»
Überhaupt nimmt sich Schlegel, der mitten in der Saison 2019/20 von Bern nach Lugano abgeschoben worden ist, nicht zu wichtig. «In den ersten beiden Partien mit Mikko (Koskinen) waren wir noch nicht bereit für die Playoffs. Er wurde allein gelassen.» Auch heute hätten sie in den ersten 40 Minuten sehr viele Eigenfehler gemacht, seien sie zu wenig ruhig am Puck gewesen. «Das müssen wir abschalten im nächsten Spiel. Vielleicht ist es manchmal besser, sich etwas mehr Zeit zu nehmen, um einen sicheren Pass zu spielen, als die Scheibe quer durch die Mitte zu schiessen, wo sie abgefangen werden kann. Das kommt mit der Erfahrung, wir lernen jeden Tag dazu.»
Was am Donnerstag in Freiburg auch immer passiert – den Weg, den die Bianconeri eingeschlagen haben, wirkt vielversprechend. Es würde nicht erstaunen, wenn Lugano bald wieder «grande» wäre.
sfy, sda