Heisses Playoff-Duell Der SC Bern weckt in Biel alte Geister

sda

23.3.2023 - 05:30

Ein Kampf auf Biegen und Brechen: Biel und Bern schenken sich im Playoff-Viertelfinal nichts
Ein Kampf auf Biegen und Brechen: Biel und Bern schenken sich im Playoff-Viertelfinal nichts
Keystone

Der EHC Biel droht erneut eine Playoff-Serie aus der Hand zu geben, die er eigentlich fest im Griff gehabt hat. Nun muss vor dem 5. Viertelfinalspiel gegen den SC Bern ein Ruck durch das Team gehen.

Keystone-SDA, sda

Das viel zitierte Momentum hat gedreht. Spiegelbild dafür ist Chris DiDomenico. Vergangene Woche lieferte sich der umstrittene und kaum zähmbare Kanadier Sekunden vor Schluss von Spiel 2 eine wüste Schlägerei mit dem Bieler Jungspund Ramon Tanner. Auch danach kriegte sich der spielerisch hochbegabte Provokateur auf dem Weg in die SCB-Kabine kaum mehr ein. Bern verlor den Match 2:4 und lag in der Serie verdient 0:2 hinten. Es drohte die Schmach, das schnellstmögliche Ausscheiden gegen den Kantonsrivalen.

Doch so schnell liessen sich die Berner Bären das Fell nicht abziehen. Nach dem 3:2-Heimsieg am Dienstag und dem 2:2-Ausgleich in der Serie schlich DiDomenico nach 60 Minuten fast emotionslos vom Eis. Nicht etwa, weil sein SCB erneut enttäuschte, sondern, weil es dem 16-fachen Meister wie am Samstag beim 5:3 in Biel gelungen war, sich zu zügeln, disziplinierter aufzutreten und unnötige Strafen zu vermeiden. Es war der Schlüssel zum Erfolg. «Emotionen sind gut, aber man muss sie auch richtig einsetzen können», sagt SCB-Captain Simon Moser, zweifacher Torschütze am Dienstag.

Wie kam es zu dieser Verwandlung? SCB-Trainer Toni Söderholm hat eine einfache Erklärung, was in den ersten zwei Partien falsch gelaufen ist. «Wir haben unsere Energie nicht ordentlich kanalisiert.» Jetzt würden sich seine Spieler auf das Wesentliche konzentrieren. Das gilt auch für DiDomenico, der mit seiner Klasse jederzeit imstande ist, seine Mannschaft zum Sieg zu führen, sie durch seine Aussetzer aber auch in den Abgrund zu reissen. Es scheint, als habe «DiDo» seinen Egoismus abgelegt. Söderholm dazu: «Wir haben keine andere Wahl. Wenn wir nicht als Team auftreten, haben wir null Chance.»

Zurück zum Tempo-Hockey

Auf Bieler Seite lässt man nach den zwei Niederlagen noch keine Nervosität aufkommen. «Es braucht manchmal wenig, damit eine Serie kippt», weiss Etienne Froidevaux, der nach dieser Saison und 16 Jahren als Profi seine Karriere beenden wird. «Wir sind immer noch in einer guten Situation, haben die ganze Saison durch hart gearbeitet, damit wir den Heimvorteil auf unserer Seite haben.»

Optimismus versprüht auch Robin Grossmann. Er spricht dazu die eigenen Fehler schonungslos an. «Nach dem 1:1-Ausgleich (22 Sekunden nach dem 1:0) haben wir den Faden verloren und dumme Strafen genommen», ärgert sich der Bieler Verteidiger, der in der 37. Minute in Unterzahl unglücklich einen Schuss von Dominik Kahun zum 1:2 ins eigene Tor ablenkt hatte. Sie seien in der zweiten Spielhälfte zu wenig gelaufen, so Grossmann weiter, und etwas zu passiv geworden. Und was will man im Hinblick auf Spiel 5 ändern? «Wir müssen 60 Minuten Tempo-Hockey spielen. Dann haben sie Mühe.»

Bleibt noch die Frage, wie schwer es um die Verletzung von Damien Brunner steht, der im Mitteldrittel nach einem (harmlosen) Zusammenprall mit Jesse Zgraggen vom Eis humpelte und nicht mehr zurückkehrte. Biels bester Schweizer Torschütze in der Qualifikation dürfte zumindest am Freitag fehlen, wahrscheinlich sogar noch länger. Damit bleibt vom Schweizer Paradesturm nur noch Luca Cunti übrig. Mike Künzle verbüsst seine zweite Sperre.

Das SCB-Trauma überwinden

In der jetzigen Situation erlebt der EHCB gleich ein doppeltes Déjà-vu. Vor einem Jahr verspielten die Seeländer in der Viertelfinalserie gegen die ZSC Lions eine 2:0-Führung in der Serie, führten später 3:2 und schieden trotzdem aus. 2019 passierte im Halbfinal gegen den SCB dasselbe.

Trotz starken Leistungen in der Qualifikation waren die Bieler in jüngster Vergangenheit in den Playoffs in den entscheidenden Momenten ihrer Aufgabe nicht gewachsen. Hat der SCB also die schlechten Geister in Biel geweckt? «Das ist Playoff», sagt Froidevaux simpel. «Es läuft nicht immer alles nach Drehbuch. Wir müssen lernen, etwas cooler zu bleiben im Kopf.»

Überhaupt ist es Biel bislang noch nie gelungen, gegen den SCB eine Playoff-Serie zu gewinnen. 1989 resultierte im Viertelfinal ein 0:2, 1990 im Halbfinal ein 1:3, 2017 im Viertelfinal ein 1:4 und 2019 im Halbfinal ein 3:4.

Säteris Serie gerissen

Der SC Bern seinerseits hat am Dienstag einen kleinen Fluch besiegt. Im fünften Anlauf gingen die Berner gegen den Bieler Goalie Harri Säteri zum ersten Mal als Sieger vom Eis. Dem finnischen Olympiasieger und Weltmeister, der nur im Seeland gelandet ist, weil Stammgoalie Joren van Pottelberghe mit einer Knieverletzung monatelang ausgefallen war und sein vorgesehener Ersatz Jussi Olkinuora dem Ruf der NHL nicht widerstehen konnte, unterlief in Spiel 4 ein seltener Patzer. Beim 1:1 liess er einen Schuss nach vorne abprallen, direkt auf den Stock von Simon Moser, der den Bieler Keeper zwischen den Beinen erwischte. Das Spiel am Samstag hatte Säteri verpasst, weil er am Morgen Vater geworden ist.

Philip Wüthrich im Berner Tor spielte am Dienstag erstmals tadellos, nachdem er zuvor in jedem Match einen haltbaren Treffer kassiert, in Spiel 3 mit zahlreichen Paraden aber auch den ersten Berner Sieg festgehalten hatte. Das zeugt von mentaler Stärke, zumal es für das 25-jährige Berner Eigengewächs seine ersten Playoffs in der National League sind.

Gut möglich, dass in dieser auf maximal sieben Spiele ausgelegten Serie am Ende der bessere Goalie den Unterschied macht, denn mit jedem Fehlgriff kann das Momentum wieder auf die andere Seite kippen. Am Freitag wird im fünften Spiel in Biel ein Team den Vorteil wieder auf seine Seite ziehen können.