National League Sechs Ausländer – ein Fluch oder ein Segen?

sda

14.9.2022 - 10:01

Mikko Lehtonen - einer der zahlreichen neuen Stars in der National League
Mikko Lehtonen - einer der zahlreichen neuen Stars in der National League
Keystone

Ab dieser Saison dürfen die Mannschaften in der National League sechs statt wie bisher vier Ausländer einsetzen. Ein Fluch oder Segen? Die Meinungen gehen auseinander.

Keystone-SDA, sda

Klar ist, dass das Niveau der Liga so hoch wie noch nie ist, da aufgrund der günstigen Konstellation auf dem Markt viele Top-Ausländer geholt wurden. Davon profitieren selbstredend auch die Schweizer, da die Qualität der Spiele und auch im Trainingsalltag steigt.

Mindestens ebenso wichtig ist es jedoch, in entscheidenden Situationen zum Einsatz zu kommen, also im Power- und Boxplay oder in den letzten Minuten, wenn es darum geht, einen Rückstand noch aufzuholen oder einen Vorsprung zu verwalten. Stehen dann vorwiegend die Ausländer auf dem Eis, wirkt sich das negativ auf die Schweizer Nationalmannschaft aus. Und welche Perspektive haben die Jungen noch? Diese hatten es schon bisher schwer.

Leuenberger sieht bei Schweizern noch Reserven

Betreffend die neue Regelung eine eindeutige Meinung hat ZSC-Sportchef Sven Leuenberger: «Angst hast du nur, wenn du nicht gut genug bist. Es ist eine totale Herausforderung für die Schweizer Spieler, was ich gut finde. Es ist für sie Zeit zu zeigen, was sie können. Bis jetzt wurden sie manchmal zu wenig gefordert und wurde ihnen vieles geschenkt. Ich glaube, dass die Schweizer Spieler noch Reserven haben und sich durchsetzen werden, wenn sie jeden Tag so hart wie möglich arbeiten.»

Leuenberger ist deshalb überzeugt, dass die Spitze besser wird. Darin bestärkt sieht er sich im Beispiel von Deutschland. «Seit dort die Anzahl der Ausländer erhöht wurde, haben sie Draft-Picks.» Lieber wäre ihm allerdings, wenn die National League wie vor Corona aus zwölf Teams bestehen würde und somit nur vier Ausländer erlaubt wären. Diesbezüglich gibt es jedoch keine Pläne. Für eine Reduktion müsste ein Verein freiwillig auf den Platz in der National League verzichten, wovon nicht auszugehen ist.

Aufholbedarf im Nachwuchsbereich

Wie Leuenberger sieht auch der Zuger Trainer Dan Tangnes, der sein Team zweimal in Folge zum Meistertitel geführt hat, aufgrund des höheren Niveaus in der Liga mehr Vorteile in der Erhöhung der Ausländerzahl. Er betont: «Es soll nicht einfach sein. Mit vierzehn Mannschaften brauchen wir sechs Ausländer, sonst ist das Level nicht gut genug.»

Der Norweger glaubt nicht, dass es nun schwieriger wird, junge Spieler einzubauen, die Vereine müssten diesbezüglich allerdings einen klaren Plan haben. Jedenfalls gibt es in der Schweiz im Nachwuchsbereich noch einiges an Potenzial. Insbesondere auf den untersten Stufen gilt es, noch professioneller zu werden. «In Schweden sind die Jungen besser ausgebildet, verstehen sie das Spiel besser», sagt Tangnes, der dort vor dem Engagement beim EVZ tätig gewesen ist. «Da müssen wir aufholen, wobei der Trend in die richtige Richtung geht.»

Janick Steinmann sieht für die Jungen Nachteile

Eine teilweise andere Meinung zur Erhöhung hat Janick Steinmann, der Sportchef der Rapperswil-Jona Lakers. «Ich muss ehrlich sein, für die Jungen sind die zusätzlichen Ausländer kein Vorteil. Die Liga wird dermassen gut sein – und schon in den vergangenen Jahren wurden wenige U20-Nationalspieler in der National League eingesetzt. Nun wird der Gap nochmals grösser.» Wie für Tangnes ist es für Steinmann essenziell, dass die Klubs einen klaren Plan haben, wie sie die Talente fördern und einsetzen wollen. «Nur mit den Trainings alleine werden die Jungen nicht auf das notwendige Level kommen.»

Nationalmannschaftsdirektor Lars Weibel sieht in der Änderung grosse Gefahren. Vor allem für die jungen Schweizer Goalies sind die Perspektiven düster und damit langfristig auch für das Nationalteam. Die ZSC Lions (Simon Hrubec), Biel (Harri Säteri), Lugano (Mikko Koskinen) sowie Kloten (Juha Metsola) haben im Sommer einen ausländischen Keeper verpflichtet, bei Ambri-Piotta ist der Finne Janne Juvonen die Nummer 1. Andere Vereine könnten bei Bedarf nachziehen.

Das Schlusswort gehört dem Davoser Headcoach Christian Wohlwend, der lange beim Schweizer Verband gearbeitet hat. «Ich als Trainer habe Freude, dass mir sechs Ausländer zur Verfügung stehen, da das Niveau steigt. Alles andere wird sich zeigen, das kann keiner beurteilen, da wir keine Erfahrungswerte haben.» Damit trifft er den Nagel auf den Kopf. Erst die nächsten Jahre werden zeigen, ob die Ausländererhöhung Fluch oder Segen ist.