Es wird eine Eishockey-WM, wie wir sie noch nie erlebt haben. Eine WM in der Bubble. Für unsere Nati-Spieler, die sich aktuell in Isolation befinden, ist das eine zusätzliche Herausforderung. «blue Sport» konnte mit einigen Akteueren reden.
Er habe etwas getan, was er zuvor noch nie getan habe, gesteht Goalie Reto Berra. An seiner achten WM hat er erstmals ein Buch ins Reisegepäck eingepackt. «Bücher nehme ich sonst eigentlich nur an den Strand mit», so Berra. An einer WM, mit dem gedrängten Spielplan und den sozialen Kontakten, die innerhalb des Teams pflege, komme man üblicherweise gar nicht dazu, sich solchen Themen wie der Literatur zu widmen. Aber spezielle Ereignisse erfordern nun für einmal spezielle Massnahmen.
Und so ist Berra mit Jonas Jonassons Welterfolg «Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand» nach Lettland entschwunden. Stürmer Sven Andrighetto hat gar drei Bücher nach Riga mitgeschleppt («Mal schauen, wie viele ich von denen zu lesen komme») und Andres Ambühl sagt, dass er, wenn ihm denn langweilig sein sollte, auch mal wieder ein Buch lesen werde. Die Bubble der am Freitag beginnenden WM sorgt mitunter also dafür, dass aus unseren Eishockey-Nationalspielern plötzlich Leseratten werden.
Das Schutzkonzept der WM-Bubble umfasst nicht weniger als 88 Regeln. Jedes Teammitglied muss sich beim Eintritt in die weltmeisterliche Blase zunächst während zweieinhalb Tagen in seinem Einzelzimmer in Isolation begeben. Erst dann darf trainiert und später auch gespielt werden, was letztlich Sinn und Zweck einer WM ist. Das Leben beschränkt sich aber ausschliesslich auf das Hotel und das Stadion – und dort auch nur auf jene Bereiche, die für die jeweilige Mannschaft vorgesehenen sind.
Genoni kämpft mit der Steuererklärung, Meier mit dem Jetlag
Persönliche Kontakte zu Menschen, die ausserhalb der Blase leben, sind strengstens verboten. Vor Turnierbeginn stehen in der WM-Bubble vier PCR-Tests an. Ab Turnierstart werden während der Gruppenphase vier weitere PCR-Tests absolviert, eine zusätzliche Testrunde gibt es für die Teams in den K.-o.-Spielen. Es gilt eine strenge Maskenpflicht und der Transport zwischen Hotel und Stadion ist nur in einem speziellen Bubble-Shuttlebus erlaubt. Diese Strecke beispielsweise zu Fuss zu gehen, ist nicht möglich.
In die WM-Bubble und somit in die persönliche Isolation eingetreten sind die Nati-Spieler am Sonntagvormittag, nach den beiden letzten Testpartien gegen Lettland. «Der Bewegungsradius ist schon eingeschränkt, aber das Ende ist ja absehbar», berichtet Goalie Leonardo Genoni am Montag unaufgeregt aus seinem Hotelzimmer. Die Teammeetings finden wegen der Isolation via Zoom statt, «wir haben zum Beispiel das letzte Spiel gegen Lettland analysiert». Die Decke ist dem Zuger Meisterkeeper bis jetzt nicht auf den Kopf gefallen – er hat seinerseits auch vorgesorgt. «Es gibt einige private Sachen, die ich erledigen muss, etwa meine Steuererklärung. Und ich habe auch schon den einen oder anderen Film geschaut.»
Fischer: «An Corona denke ich nicht gross»
Speziell herausfordernd ist die Situation für die angereisten NHL-Spieler. Nach der langen Reise über den Teich mussten sie sich nun als Erstes in ihrem Hotelzimmer einschliessen. Auf diese Weise gegen den Jetlag anzukämpfen und in die europäische Zeitzone zu finden, ist anspruchsvoll. «Zum Glück habe ich eine Kaffeemaschine im Zimmer», sagt Timo Meier, der Stürmer der San Jose Sharks, denn auch.
Aber bis jetzt sei es eigentlich sehr gut gegangen, «man kann ein wenig runterfahren und sich auf die nächste Zeit, die hart und hoffentlich auch lang wird, vorbereiten. Bis jetzt konnte ich mich eigentlich gut beschäftigen und geschlafen habe ich auch gut». Nur sportliche Betätigung sei kaum möglich: «Das Zimmer ist nicht sehr gross, da herumzuspringen ist schwierig. Deshalb beschränke ich mich auf Stretching und die Regeneration nach der langen Saison.»
Die Spieler sind gut vorbereitet. Neben den persönlichen Laptops, Büchern oder wie im Fall von Genoni auch die Steuererklärung haben auch Unterhaltungsspiele den Weg nach Riga gefunden. «Einige haben die Playstation mitgenommen und wir haben sogar ein Pokerset dabei», erzählt Andrighetto und ist überzeugt: «Wir werden das Beste aus der Situation machen.» Davon ist auch Nati-Trainer Patrick Fischer überzeugt: «Wir kennen die Realität, müssen Tests machen und Masken anziehen, aber wir dürfen immer noch Hockey spielen und darauf freue ich mich extrem. An Corona denke ich nicht gross.»