Duell

Thornton zurück beim HCD – Volltreffer oder Risiko?

Pro

Luca Betschart

Sport-Redaktor

16 Jahre nach seinem Debüt findet «Big Joe» Thornton zu seinem geliebten HC Davos zurück. Ein Comeback, das eigentlich gar nicht schiefgehen kann.

Nach zwei Niederlagen zum Saisonauftakt haben die HCD-Fans am gestrigen Donnerstag erstmals guten Grund zum Jubeln: Joe Thornton ist zurück! Bereits zum dritten Mal in seiner Karriere heuert «Big Joe» damit in Davos an – und wird die National League zweifellos auch mit seinen 41 Jahren bereichern.

Denn die Qualität des Kanadiers ist nach wie vor unbestritten. Auch in der abgelaufenen NHL-Saison weist er mit 31 Scorerpunkten in 70 Spielen eine ansehnliche Bilanz vor – obwohl diese nicht vergleichbar ist mit Thorntons Leistungsnachweisen aus den besten Zeiten. Durchaus möglich, dass der 100-Kilo-Brocken die Schweizer Liga nicht mehr im gleichen Ausmass dominiert wie noch 2012/13 mit seinem kongenialen Partner Rick Nash.

Das ist sich Thornton bewusst. «Ich werde müde sein nach dem ersten Shift, müde sein nach dem ersten Drittel. Und am nächsten Morgen erst … Es wird eine Herausforderung sein», schraubt er die Erwartungen bei seiner Vorstellung gleich selbst hinunter.

Aber selbst, wenn er seiner Form zu Beginn hinterherlaufen sollte, ist er für den HCD eine wertvolle Verstärkung. Zumal er auch neben dem Eis seine Qualitäten hat und für viele einer der charismatischsten Hockeyspieler ist. «Joe ist keiner, der neu dazustösst. Er ist bereits einer von uns», sagt etwa Trainer Wohlwend. Allein die Präsenz von «Big Joe» wird den HCD und sein Umfeld mitreissen.

Ausserdem wird Thornton zugutekommen, dass er seit der ersten Lockout-Saison 2003/04 in Davos Fuss gefasst, ein Haus gekauft und jeden Sommer im Landwassertal verbracht hat. Anlaufschwierigkeiten zeichnen sich also keine ab, die Vorzeichen könnten besser nicht sein.

Bereits am Samstag in der Partie gegen die Rapperswil-Jona Lakers soll der Center an der Seite von Luca Hischier und Aaron Palushaj den neuen Davoser Paradesturm bilden und den Bündnern zum ersten Saisonsieg verhelfen. Genau so, wie es Thornton auch bei seinem ersten Auftritt 2012 getan hat: mit drei Assists im ersten Drittel.

Contra

Syl Battistuzzi

Sport-Redaktor

Der HC Davos verpflichtet NHL-Legende Joe Thornton. Der vermeintliche Coup könnte aber vielleicht nicht ganz so erfolgreich sein, wie es sich die Hockey-Fans ausmalen.

Zugegeben: Die sportliche Leitung der Bündner hat mit dem Transfer alles richtig gemacht. Der Kanadier spielt im Landwassertal praktisch zum Nulltarif. Ausserdem (ver-)braucht er keine Ausländerlizenz. Das Teamgefüge bleibt also sicher intakt. Mit seinem Zuzug bekommt nicht nur der HCD, sondern die ganze Liga eine Attraktion. Auch seine Ehefrau Tabea freut sich sicher über die Rückkehr in ihre Heimat.

Nichtsdestotrotz ist die Rückkehr der Ikone mit sportlichen Fragezeichen verbunden. Bei seinem Debüt in der Schweiz war «Big Joe» 25 Jahre alt. Der smarte Center mit den Laserpässen dominierte zusammen mit Kumpel Rick Nash die Liga. In den Playoffs überragte er mit 25 Punkten in 14 Spielen (4 Tore, 21 Assists).

Jetzt sind stolze 16 Jahre vergangen. Thornton hat inzwischen über 1600 NHL-Spiele auf dem Buckel. Doch auch an einem Superstar nagt der Zahn der Zeit. Die Ausbeute in seiner letzten Saison bei den San Jose Sharks war die schlechteste seiner ganzen Karriere (in 70 Spielen 7 Tore und 24 Assists). In Übersee war der nun 41-Jährige der zweitälteste Spieler der Liga. In Europa sind aufgrund des grösseren Spielfelds die läuferischen Qualitäten noch wichtiger.

In seiner Karriere hat er über 100 Millionen Dollar verdient. In Davos besitzt er eine Wohnung. Für ihn sei es, wie nach Hause zu kommen, so der designierte Heilsbringer. Natürlich kann man in einer Wohlfühloase hervorragende Leistungen bringen. Doch ob noch der absolute Biss vorhanden ist, über die Leistungsgrenze zu gehen, ist offen. Falls die NHL Anfang 2021 startet, ist er bereits wieder weg.

Thornton selbst träumt übrigens noch vom langersehnten Stanley Cup. Dieser fehlt im Palmarès des Olympiasiegers. Wieso soll er sich hier bei seiner Stippvisite ein Bein ausreissen? Einen Schweizer Meistertitel hat er ja schon. Natürlich ist er ein Gewinn für die Davoser und die Liga. Im Powerplay etwa muss man nicht die schnellsten Beine haben, um erfolgreich zu sein. Aber vielleicht merkt auch der Routinier bei seiner neuerlichen Rückkehr, dass in Davos nicht mehr alles gleich ist. Kult-Trainer Arno Del Curto ist nicht mehr da, dafür Christian Wohlwend. Del Curto stand beim HCD über zwanzig Jahre an der Bande. Die Kultfigur hat dann aber den rechtzeitigen Absprung verpasst. Es war ein trauriges Ende.