WM-Zwischenfazit Ein Dosenöffner und nie Langeweile – diese Nati ist reif für die nächste Medaille

Von Marcel Allemann

1.6.2021

Gemeinsames Ziel vor Augen: Noah Rod (l.), Jonas Siegenthaler (M.) und Gregory Hofmann.
Gemeinsames Ziel vor Augen: Noah Rod (l.), Jonas Siegenthaler (M.) und Gregory Hofmann.
Bild: Keystone

Fünf Siege, zwei Niederlagen. Und teilweise krasse Resultate. Es war eine ereignisreiche Gruppenphase der Schweiz. Sie gibt der Hoffnung auf die dritte Medaille innert acht Jahren viel Nahrung.

Von Marcel Allemann

1.6.2021

Nein, langweilig war die Schweizer Gruppenphase wirklich nicht. Es gab krasse Siege zu bejubeln, wie das 8:1 gegen die Slowakei und das 6:0 gegen Weissrussland. Die Schweizer gaben sich gegen die in der Weltrangliste schlechter positionierten Nationen keine Blösse und kamen auch gegen Dänemark (1:0) und Grossbritannien (6:3) zu problemlosen Siegen. Es ist erfreulich zu sehen, wie souverän sich die Nati inzwischen bei solchen Spielen durchsetzt, die in früheren Jahren oft ein Knorz waren. 

Der wertvollste Schweizer Sieg war aber zweifellos das überzeugende 5:2 zum Start gegen Tschechien. Es war der Dosenöffner für ein erfolgreiches WM-Turnier und dies gegen einen Gegner, gegen den man zuvor grosse Schwierigkeiten und die letzten sechs Spiele verloren hatte. Es waren letztlich auch die drei Bonus-Punkte, die dafür sorgten, dass die Schweizer hinsichtlich der Viertelfinal-Qualifikation nie in die Bredouille gerieten.

Schweden wird uns dieses Mal das Gold nicht wegschnappen

Doch es gab nicht nur Siege, sondern auch zwei Niederlagen. Mit Russland bewegte sich die Mannschaft von Patrick Fischer auf Augenhöhe und verlor am Ende unglücklich mit 1:4. Gegen Angstgegner Schweden erlebte sie mit einer 0:7-Klatsche einen Schockmoment, der im Nachhinein betrachtet vielleicht gar nicht so schlecht war. Er hat den Spielern gezeigt, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Die Mannschaft wurde durch diese Kanterniederlage im dritten Spiel einem Charaktertest unterzogen, den sie souverän bestand.

Und bekanntlich stehen wir Schweizer trotz diesem 0:7 viel besser da als die Schweden. Diese befinden sich bereits auf dem Heimweg, die Schweiz dagegen kann zeitgleich ihren Viertelfinal gegen einen bis heute Abend noch unbekannten Gegner (Kanada, Deutschland oder Lettland) vorbereiten. Sie hat auch die Gewissheit, dass ihr Schweden dieses Mal die Goldmedaille sicher nicht wegschnappen wird. Bei ihren Finalteilnahmen 2013 und 2018 musste sich die Nati den Nordländern jeweils geschlagen geben. 

Doch wie weit führt der Weg der Schweizer noch? Sie sind anhand des bislang in Riga Gesehenen zwar nicht die Topfavoriten auf Gold. Das sind Russland, das zuletzt nochmals weitere Verstärkung aus der NHL erhalten hat, und die Titelverteidiger aus Finnland. Doch gleich dahinter folgt neben der USA die Schweiz. Die Chancen auf die dritte Medaille innert acht Jahren sind sehr gut. Verstecken muss sich die Nati vor niemandem und das wird sie sich mit ihrem Selbstverständnis auch nicht – auch nicht vor Finnland und Russland. Wir dürfen uns auf ganz heisse letzte Tage dieser sehr speziellen Eishockey-Saison freuen.

Diese Mannschaft hat enorm viel zu bieten

Was für die Schweizer Equipe spricht: Sie hat enorm viel Vertrauen in sich, in das, was sie tut, und in das, was sie von ihrem Coaching-Staff als Vorgabe erhält. Sie ist in diesem Turnier als Mannschaft auch nochmals enorm gewachsen und brilliert im Kollektiv. Klar zieht Gregory Hofmann als Goalgetter derzeit das Rampenlicht gemeinsam mit seinem kongenialen Center Enzo Corvi auf sich. Und klar sind die Augen auf die ungeheuerliche Spielintelligenz von Nico Hischier und die Power seines NHL-Kollegen Timo Meier gerichtet. Aber diese Mannschaft hat noch viel mehr zu bieten.



Alle Blöcke hatten im Lauf der Gruppenphase ihre Erfolgserlebnisse, was enorm wertvoll ist. Einige Spieler wie Romain Loeffel, Christoph Bertschy, Joël Vermin, Sven Andrighetto oder Jonas Siegenthaler haben sich nach einem noch etwas harzigen Start zuletzt in eine Topverfassung gespielt. Und was die beiden Duracell-Häschen Andres Ambühl und Tristan Scherwey schon während des ganzen Turniers aufführen, ist ohnehin gigantisch.

Berechenbar ist diese Mannschaft für keinen Gegner und das macht es so schwierig, gegen sie zu spielen. Die Voraussetzungen, um die grosse Hürde Viertelfinal zu überspringen und danach in den Medaillenkampf einzugreifen, sind optimal.