Spanien krönt sich mit dem vierten Titel zum alleinigen Rekord-Europameister. Der Finalsieg in Berlin ist eine logische Konsequenz des Turnierverlaufs, den so nur die wenigsten vorausgesehen haben.
England galt bei den Buchmachern vor der Endrunde in Deutschland als Topfavorit auf den Titel, gefolgt von Frankreich und dem Gastgeber. Dass mit Spanien am Ende eine Nation aus der zweiten Reihe triumphierte, erstaunt nur auf den ersten Blick, ebenso, dass die Iberer in den K.o.-Spielen sämtliche Turnierfavoriten eliminierten. Bei genauerem Hinsehen war bereits im Auftaktmatch gegen Kroatien in Berlin augenfällig, dass sich der Kreis für die Mannschaft von Luis de la Fuente in der deutschen Hauptstadt schliessen könnte.
Spielerische Leichtigkeit, gepaart mit defensivem Biss liessen sämtliche Gegner die Zähne an den Spaniern ausbeissen. Mal spielte «La Roja» abwartend wie gegen Kroatien, um in den entscheidenden Momenten zuzuschlagen. Mal dominierten sie die Partie wie gegen Europameister Italien. Sie legten eine Flexibilität an den Tag wie keine andere Nation an diesem Turnier. Auch von Rückständen wie gegen Aussenseiter Georgien im Achtelfinal oder gegen das defensivstarke Frankreich im Halbfinal liessen sich die Spanier nicht aus dem Konzept bringen. Zu gross war der Glaube an die eigene Stärke.
Yamal und Williams begeistern
Überragend im Team des nunmehr viermaligen Europameisters war die Flügelzange mit Nico Williams und Lamine Yamal. Der 21-Jährige von Athletic Bilbao und das Wunderkind vom FC Barcelona, das einen Tag vor dem Final seinen 17. Geburtstag feierte, verzückten die Zuschauer und veräppelten die Gegenspieler. Ein ums andere Mal. Ohne dabei arrogant zu wirken. Dafür mit umso grösserer Wirkung für das eigene Spiel. Keine Mätzchen, keine unnötigen Übersteiger, sondern Haken über Haken, gepaart mit viel Tempo und Zug zum Tor.
Doch es waren nicht nur die beiden Youngster, die bei den Beobachtern für leuchtende Augen sorgten. Im Zentrum zogen mit Fabian Ruiz und Dani Olmo zwei äusserst ballsichere Mittelfeldspieler die Fäden, die immer wieder Akzente in der Offensive setzten. Orchestriert wurde die Mannschaft von Rodri. Der 28-jährige Dirigent vermag das Spiel zu lesen wie kaum ein anderer, weiss, wann es eines Querpasses bedarf, um das Spiel zu beruhigen oder wann er vertikal spielen muss, um die blitzschnellen Offensiven einzusetzen. Nicht umsonst setzt Pep Guardiola bei Manchester City seit Jahren auf ihn und wird er von vielen als derzeit bester Sechser angesehen.
Eine rosige Zukunft
So talentiert die Mannschaft und so gut die Mischung ist, sowohl was die Altersstruktur als auch die Fertigkeiten der einzelnen Spieler angeht: Architekt des Erfolgs ist mit Luis de la Fuente der Trainer. Der 63-Jährige kam 2013 zum Verband und kennt seine Spieler schon seit Jahren. Mit Rodri und Mikel Merino gewann er 2015 an der U19-EM den Titel, vier Jahre später schaffte er dieses Kunststück mit der U21. Torschützen im Final waren damals Fabian Ruiz und Dani Olmo.
De la Fuente, der für Bilbao, den FC Sevilla und Alaves zwischen 1980 und 1993 240 Spiele in der höchsten spanischen Liga als linker Aussenverteidiger absolvierte, jedoch nie für die Nationalmannschaft aufgeboten wurde, erntet nun die Früchte seiner Arbeit. Der EM-Titel mit La Roja ist der grösste Erfolg seiner Trainerkarriere – bis jetzt. Denn eines scheint klar. Obwohl bereits auf Europas Thron angekommen, hat die spanische Nationalmannschaft ihren Peak noch lange nicht erreicht. Abgesehen von Captain Alvaro Morata und Daniel Carvajal ist keiner der Leistungsträger über 30 Jahre alt. Hinzu kommt eine nie zu versiegen scheinende Talentquelle. Dem spanischen Fussball steht eine rosige Zukunft bevor.