Den ersten Kaderschnitt im Nationalteam hat Leonidas Stergiou überstanden. Nun hat der 22-Jährige gute Chancen, auch an der EM dabei zu sein. Darauf hätten vor ein paar Monaten nur wenige gewettet.
Keine Zeit? blue Sport fasst für dich zusammen
- Leonidas Stergiou drückte bei Stuttgart bis im April mehrheitlich die Bank. Wegen einer Verletzung von Teamkollege Vagnoman kommt der Ex-St.Galler zu Spielzeit und überzeugt.
- Nun darf sich der 22-jährige Verteidiger Hoffnungen auf die EM machen.
- An ein mögliches EM-Aufgebot will er aber noch nicht denken. «Ich war schon froh, dass ich ins Pre-Camp einrücken durfte.»
Glück und Pech liegen im Fussball bekanntlich nahe zusammen – manchmal sogar bei Teamkollegen. Als sich Stuttgarts Josha Vagnoman am 6. April im Spiel gegen Dortmund verletzt, endet für den 23-jährigen Deutschen die starke Saison vorzeitig, während sie für einen ein Jahr jüngeren Schweizer erst so richtig Fahrt aufnimmt.
Denn Leonidas Stergiou war bis dahin nur sporadisch zum Einsatz gekommen. In den 26 Spielen bis im April stand der Verteidiger nur ein einziges Mal in der Startaufstellung. Ohne diese 90 Minuten kam der Ostschweizer insgesamt nur auf rund eine Stunde Einsatzzeit, meist blieb ihm die Zuschauerrolle auf der Ersatzbank. «Er ist ein Perspektivspieler, muss sich noch steigern», hatte Trainer Sebastian Hoeness noch im Februar gegenüber SRF gesagt.
Das erste Dreivierteljahr in Stuttgart bezeichnet Stergiou rückblickend als «enorm wichtige Phase». Er, der schon als Teenager beim FC St.Gallen zu den Leistungsträgern gehörte und kaum ein Spiel verpasste, habe die für ihn unbekannte Rolle annehmen und umso härter an sich arbeiten müssen. «Ich wollte beweisen, dass ich bereit bin, wenn es mich braucht.» Und seine Chance sollte kommen.
Die Chance konsequent genutzt
Als Stergiou nach Vagnomans Verletzung auf die zweite Halbzeit eingewechselt wird, fügt er sich nahtlos in die Dreierkette in der Abwehr ein. Es ist auch sein Verdienst, dass Stuttgart einen der seltenen Auswärtssiege gegen den BVB feiert (1:0). Eine Woche später beweist der Leihspieler, dass er auch als Rechtsverteidiger eine gute Figur macht und ist fortan gesetzt.
Den emotionalen Höhepunkt erlebt Stergiou im Spiel gegen Bayern München, als er vor heimischem Publikum das Tor zum 1:0 erzielt. Er bezwingt den deutschen Nationaltorhüter Manuel Neuer und feiert mit seinem Team einen 3:1-Sieg. Stuttgart beendet die Meisterschaft auf Platz 2 und qualifiziert sich zum ersten Mal seit 14 Jahren wieder für die Champions League.
Und Stergiou wird für seinen Schlussspurt fürstlich belohnt: Der Klub zieht die Kaufoption und bietet ihm einen bis 2028 dotierten Vertrag an. Kurz darauf wird Stergiou, der 2022 sein bisher einziges Länderspiel bestritt, von Murat Yakin für das EM-Vorbereitungscamp aufgeboten. «Unfassbar» seien die letzten Wochen gewesen, sagt Stergiou, der eine für ihn persönlich lange schwierige Saison optimal abgeschlossen hat.
Nur noch wenige Konkurrenten
Und nun könnte sogar noch ein Dessert in Form einer Europameisterschaft folgen. Denn Stergious Chancen, trotz null Einsätzen in der Qualifikation an der Endrunde dabei zu sein, sind nach dem ersten Kaderschnitt schlagartig gestiegen. Gleich vier Verteidiger mussten sich am Donnerstag aus dem Vorbereitungscamp verabschieden.
Neben Neuling Bryan Okoh wurden Ulisses Garcia, Becir Omeragic und Aurèle Amenda von Blessuren ausgebremst. Damit stehen derzeit nur noch acht Verteidiger im Kader, in der kommenden Woche stösst mit dem 21-jährigen Albian Hajdari lediglich ein weiterer Abwehrspieler dazu. Dieser wurde bei Lugano mehrheitlich als Innenverteidiger eingesetzt, seltener als linker Aussenverteidiger.
An ein mögliches Aufgebot für die EM wage er noch nicht zu denken, sagt Stergiou. «Ich war schon froh, dass ich ins Pre-Camp einrücken durfte.» Nun will er abwarten, mit guten Trainings überzeugen und auf seine Chance warten. Warum auch nicht – es hat schliesslich schon einmal geklappt in dieser Saison.