Am 17. Juli erzielte Lausanne-Sport gegen GC in der 91. Minute das 1:0. Es war das Tor, nach dem für GC nichts mehr war wie vorher – und nach dem GC schliesslich in der Challenge League bleiben muss.
Die wenigen Zuschauer auf der Pontaise hatten sich in jenem Spitzenspiel der 32. Runde bereits mit dem 0:0 angefreundet, das GC zwar nicht stoppen würde, aber immerhin auf Distanz hielt, als Lausanne doch noch zum Knockout ansetzte. Nach einem Corner in der Nachspielzeit fiel der Ball dem Lausanner Dan Ndoye vor die Füsse und rauschte, von einem Halbvolley-Schuss getroffen, ins Lattenkreuz und ins Herz der Hoppers.
Die wunderbare Aufholjagd – GC hatte den Rückstand in einem Monat von 15 auf 5 Punkte vermindert – war abgeblasen, Lausanne-Sport, der lahmende Hase, entwischt. Nach dem Schlusspfiff war aus den Zürcher Gesichtern Konsternation zu lesen. In der Schockstarre nach der Niederlage schien die mit jungen, wenig erfahrenen Spielern durchsetzte Mannschaft nicht mehr zu merken, dass sie auf der Jagd bleiben musste, auf der Jagd nach dem 2. Platz und der Teilnahme an der Barrage.
Trotz der Niederlage in Lausanne hatten die Hoppers fünf Runden vor Schluss eine Reserve von immerhin noch vier Verlustpunkten auf das drittplatzierte Vaduz. Doch die letzten Spiele der Zürcher wurden zu torreichem Slapstick. Zuerst ein 5:3-Sieg gegen das zweitletzte Schaffhausen nach einem 1:3-Rückstand. Dann ein 4:4 in Kriens nach einer 3:0-Führung nach 16 Minuten. Dann eine 2:3-Niederlage im Nachtragsspiel beim FC Wil, den man zuvor in dieser Saison dreimal bezwungen hatte, ein 2:2 beim enttäuschenden FC Aarau, und schliesslich am Sonntag das 0:6 gegen Winterthur. Es war die erste Heimniederlage der Grasshoppers in der Meisterschaft gegen «Winti» seit 51 Jahren. Allerdings muss man anmerken, dass GC und Winterthur in 41 dieser 51 Jahre nie gegeneinander spielten, weil sie nicht der gleichen Liga angehörten.
Wie sehr die Grasshoppers nach dem 0:1 auf der Pontaise aus dem Tritt geraten sind, lässt sich an einem statistischen Wert besonders eindrücklich ablesen. 18 Gegentore gehen bei GC auf die Phase nach dem 17. Juli zurück, sie machen fast 35 Prozent der über die gesamte Saison kassierten 52 Tore aus. Hätte GC in allen 36 Spielen der Challenge League derart linkisch verteidigt wie zum Schluss, der Absteiger hätte es auf weit über 100 Gegentore gebracht.
Folgt Neustart auf Neustart?
Nach dem ersten Abstieg seit 70 Jahren am Ende der letzten Saison kündigte der Rekordmeister einen Neuanfang an. Dieser ist erfolgt. Von der schier unglaublichen Zahl von 40 Spielern, die im Lauf der Abstiegssaison zum Einsatz kamen, stehen heute nur noch zehn im Kader, so wenige, dass man sie aufzählen kann: Allan Arigoni, Euclides Cabral, Aleksandar Cvetkovic, Djibril Diani, Nikola Gjorgjev, Anthony Goelzer, Petar Pusic, Amel Rustemoski, Baba Souare und Ersatzgoalie Mateo Matic.
Dafür sind in dieser Saison immer mehr ganz junge Spieler zum Zug gekommen, die dem eigenen Nachwuchs entstammen und einen ähnlich guten Weg gehen könnten wie der bereits arrivierte Djibril Diani. Diese Jungen sind die Teenager Yannick Scheidegger, Marcin Dickenmann, Robin Kalem, Randy Schneider, Kevin Iodice, Elias Mesonero und – als Ältester von der Jungschar – der 20-jährige Fabio Fehr.
Neben den aufstrebenden Youngsters hatte GC auch Spieler mit Erfahrung in den Reihen, etwa Goalie Mirko Salvi, der zurzeit verletzte Oliver Buff, Veroljub Salatic, Andreas Wittwer oder Mychell Chagas. Der Brasilianer, im Winter ab Servettes Ersatzbank verpflichtet, gehörte zu jenen, die nach der fatalen Niederlage in Lausanne einen kühlen Kopf bewahrten. Chagas erzielte selbst als Joker noch Tore in einer Zahl, dass es der Mannschaft zuletzt für den 2. Platz hätte reichen müssen. Dass es trotzdem nicht für die Barrage reichte, hat für den statistisch besten Angreifer der Zürcher Konsequenzen.
Chagas erhielt für GCs zweite Saison in der Challenge League keinen neuen Vertrag, ebenso wie Buff und Wittwer. Lange sah es im Zürcher Klub danach aus, als wäre die Möglichkeit mit dem vorhandenen Kader gegeben, um auf einen neuen Neuanfang nach dem letztjährigen Neuanfang zu verzichten. Nach dem inferioren Saisonabschluss stehen die Zeichen nun auf einen weiteren Umbau. Auch die Personalie Veroljub Salatic wird bei den Hoppers diskutiert werden müssen. Der Captain dürfte der Mannschaft nur dann etwas bringen, wenn er nicht mehr in der Abwehrmitte spielen muss. Für einen Posten in der Innenverteidigung ist «Vero» mit fast 35 Jahren langsam zu langsam. Bei der Entstehung des 0:1 gegen Winterthur liess er sich zweimal abschütteln, ohne dass der Gegenspieler sprinten musste.
Finanzen gesichert, Plan unbekannt
Wieder einmal versprechen die kommenden Wochen in Niederhasli spannend zu werden, auch wenn sich die Problemfelder von GC in den letzten Monaten massiv verschoben haben. Statt um die Existenz zu feilschen, stehen beim Rekordmeister Gespräche über die künftige Ausrichtung an. Der Nichtaufstieg habe keinen Einfluss auf den Geldfluss aus China, sagte Marketing-Chef Adrian Fetscherin gegenüber «Teleclub» am Sonntag. Die neue chinesische Klubführung – Besitzerin Jenny Wang und Präsident Sky Sun – habe beim Geschäftsabschluss in Kauf genommen, dass die Mannschaft vielleicht nicht schon in diesem Jahr aufsteigen werde.
Wang und Sun haben sich bisher von der Schweiz ferngehalten, an den Videositzungen des Verwaltungsrats werden sie über den Stand der Dinge informiert. Vor Ort arbeiten lassen sie andere, beispielsweise den neuen Sportchef Bernard Schuiteman. Dieser könnte den Verein in ruhige Gewässer führen. Dass er das kann, muss er aber erst noch beweisen. Noch Mitte Juni deckte Schuiteman seinen Vorgänger Fredy Bickel öffentlich mit Vorwürfen und Unterstellungen ein. Es roch nach einer voreiligen Entschuldigung im Falle des nun eingetretenen Nicht-Aufstiegs, auch weil Bickel einige der Vorwürfe widerlegen konnte.
Die Frage wird sein, wie besonnen die neue Führungsriege mit den enttäuschenden letzten Wochen umgeht. Zu einem ruhigen Stil würde es wohl passen, mit Zoltan Kadar als Cheftrainer weiterzufahren. Der Hungaro-Rumäne brachte es auf einen Schnitt von nahezu zwei Punkten pro Spiel, bevor er die Barrage verpasste. Andererseits kennt man den Spruch, dass es keine guten oder schlechten Trainer gibt, sondern erfolgreiche und nicht erfolgreiche. Nach dem 0:6 gegen Winterthur war Kadar ganz am Boden. Diese Niederlage werde ihn noch das ganze Leben lang verfolgen, sagte er.
Am Tag nach dem Scheitern meldete sich der Klub mit einem Offenen Brief. Darin stand auch, dass man spätestens in fünf Jahren im Schweizer Fussball wieder ganz zuoberst mitspielen wolle. Es wäre auch möglich gewesen, die Parole erst dann herauszugeben, wenn man überhaupt wieder im Oberhaus mitspielt.