Interview FCB-Sportchef Zbinden stärkt Koller den Rücken: «Ihn bringt so schnell nichts vom Kurs ab»

SDA

9.8.2020 - 21:04

FCB-Sportchef Ruedi Zbinden (rechts) kennt das Transferwesen im Fussball seit über 20 Jahren genau.
FCB-Sportchef Ruedi Zbinden (rechts) kennt das Transferwesen im Fussball seit über 20 Jahren genau.
Source: Keystone

Die laufende Saison verläuft für Basels Sportchef Ruedi Zbinden nicht nur aufgrund der Coronakrise kurios. Im Interview spricht der 61-Jährige über Basels Europacup-Kampagne und Trainer Marcel Koller.

Ruedi Zbinden, wie haben sie in der Nacht auf Freitag geschlafen?

Es war auf jeden Fall eine kurze Nacht. Ich habe mir gewisse Szenen unseres Spiels vom Donnerstagabend gegen Frankfurt im Fernsehen nochmals angeschaut und wollte mir die Kommentare von SRF und Teleclub dazu anhören. So kam ich erst gegen drei Uhr ins Bett, obwohl ich am Freitagmorgen um neun Uhr bereits wieder einen Termin in Zürich hatte.

Sind Sie zufrieden mit dem Gesagten?

Die Kommentare waren sehr positiv. Es haben sich wirklich alle mit dem FCB über das Weiterkommen gefreut und darüber, dass wir nun am Finalturnier mitmachen dürfen. Dies ist für die ganze Schweiz eine gute Sache.

Sie sprechen auf den UEFA-Koeffizienten an, der ausschlaggebend für die Europacup-Startplätze der Schweiz ist?

Diesbezüglich war es sehr wichtig, dass wir sogar noch gewinnen konnten. Der Sieg bringt der Schweiz weitere Punkte ein. Es ist wichtig für die gesamte Liga, dass der Startplatz des Schweizer Meisters in der Champions-League-Qualifikation nicht verloren geht. Darum hoffen wir auch, am Finalturnier in Deutschland noch Punkte für die Schweiz gutzumachen.

Was trauen Sie Ihrer Mannschaft zu an diesem Finalturnier und im Viertelfinal gegen Schachtar Donezk?

Wenn ich nur unser Abschneiden im Europacup berücksichtige, dann ist alles möglich. Schachtar mit seinen Brasilianern ist in der Offensive schnell, beweglich und technisch stark. Aber ihre Abwehr agiert teilweise etwas schwerfällig. Wenn wir gut nach vorne spielen und die Möglichkeiten besser nutzen als gegen Frankfurt, dann haben wir gute Chancen. Angst müssen wir keine haben.



Die Kampagne im Europacup verläuft in dieser Saison im Gegensatz zur heimischen Meisterschaft ganz nach dem Gusto des FCB. Wieso gibt es in der Mannschaft diese Diskrepanz zwischen den Leistungen in der Meisterschaft und dem Europacup?

Wir steckten die Dreifachbelastung mit Cup, Europacup und Meisterschaft nicht so locker weg wie in anderen Jahren. Im Vergleich zu früher haben wir in dieser Saison weniger erfahrene Spieler in unseren Reihen. Vor drei, vier Jahren waren alle Positionen im FCB doppelt besetzt, von Spielern mit grosser Erfahrung, auch Nationalspieler. Nun arbeiten wir mehr mit jungen Spielern, wodurch wir Ausfälle unserer arrivierten Kräfte stärker zu spüren bekommen. Hinzu kamen die Strapazen der Reisen im Europacup und vier Abgänge in der Coronazeit. Alles zusammen resultierte im einen oder anderen Punktverlust zu viel für uns.

In der Europa League und im Cup kämpft der FC Basel aber weiterhin um den Titel. Ärgert es Sie, dass die Saison von einigen Beobachtern nur an der Meisterschaft aufgehängt wird?

Ein bisschen ärgert mich das schon, weil es ein Meckern auf hohem Niveau ist. Die Ansprüche an uns von Fans und Medien sind nach der Serie an Meistertiteln natürlich riesig. Im Klub selber waren wir uns jedoch immer bewusst, dass wir nicht immer an der Decke laufen würden. Ein dritter Rang in der Meisterschaft, das ist nicht der Anspruch des FCB. Aber was da teilweise geschrieben wurde: Als wären wir abgestiegen.

Sprechen wir über Ihre Aufgabe als Sportchef. Wie schwierig ist es, unter den derzeitigen Umständen die nächste Saison zu planen?

Dass wir nicht wissen, wann wieder genügend Zuschauer ins Stadion dürfen und so wieder Einnahmen generiert werden können, macht es extrem schwierig. Im Hinblick auf nächste Saison haben wir das Glück, dass viele Spieler noch Verträge über zwei, drei Jahre besitzen. Da wird es hoffentlich nicht zu viele Abgänge geben. Wenn wir einen Spieler abgeben, dann wird es für uns ein gutes Geschäft sein. Verschenken werden wir auch während Corona keinen. Wie wir dann aber auf mögliche Wechsel reagieren können und werden, weiss ich noch nicht.

Aber Sie fühlen sich für mögliche Abgänge gerüstet?

Unsere Scouts sind momentan nicht auf Reisen, schauen sich aber enorm viele Spieler und Spiele auf Videos an. Wir haben so eine grosse Auswahl an möglichem Ersatz und können schnell reagieren. Aber es ist nicht so wie früher, als wir die Nachfolger in Idealfall bereits vor einem Abgang verpflichtet haben.

Der aktuell wohl begehrteste FCB-Profi: Goalie Jonas Omlin.
Der aktuell wohl begehrteste FCB-Profi: Goalie Jonas Omlin.
Bild: Keystone

Der Vorstoss ans Finalturnier der Europa League dürfte Ihre Arbeit in den nächsten Wochen intensivieren. Die Spieler des FCB könnten noch begehrter werden.

Das sollen sie auch. Wir sind nicht Bayern München, die ihre Spieler ewig halten können. Wir spielen in einer Ausbildungsliga und sind entsprechend auch ein Ausbildungsklub. Transfereinnahmen sind für einen Klub wie den FCB sehr wichtig. Und wenn sich unsere Spieler jetzt in Deutschland zeigen und danach wechseln können, dann ist das so. Ich kenne dieses Spiel seit 20 Jahren. Schlaflose Nächte habe ich deswegen nicht.

Stehen beim FCB Spieler unter Vertrag, die für Sie als Sportchef derzeit «unverkäuflich» sind? Oder ist alles eine Preisfrage?

Ich sehe viele unserer Spieler sehr gern bei uns spielen. Und auch unsere Fans wollen natürlich, dass die Besten bleiben und nicht immer gleich weiterverkauft werden. Das ist auch nicht in unserem Sinn. Aber wenn der Preis stimmt und ein Spieler unbedingt wegwill, müssen wir ihn ziehen lassen – und einen noch besseren Ersatz verpflichten (lacht).

Das klingt nicht schwer.

Es gibt tatsächlich Leute, die so denken. Die Entwicklung des Marktes ist aber eine andere. Ein Klub wie der FCB kann nicht mehr einfach jeden Wunsch-Spieler verpflichten, dafür sind die Preise mittlerweile einfach zu hoch. Spieler sollen für immer weniger Geld verpflichtet werden, aber selbst von einer Neuverpflichtung von 100'000 Franken erwarten die Leute, dass er ein künftiger Superstar wird.

Woher rührt diese Entwicklung?

Selbst die grossen europäischen Klubs verpflichten unterdessen junge, zukunftsträchtige Spieler. Somit nehmen sie uns viel Spielermaterial weg. Das heisst für uns, dass wir im Scouting einen extrem guten Job machen müssen, um doch immer wieder eine ‹Perle› zu finden.

Apropos Abgänge und Zuzüge. Wie ist der Stand in Basel bezüglich der Trainerfrage? Bleibt Marcel Koller dem FCB über die Saison hinaus erhalten?

Ich bin hier im ständigen Austausch mit unserem Präsidenten. Auch mit Marcel habe ich schon ein paar Mal gesprochen. Am Ende entscheiden wir das aber zusammen in der technischen Kommission und kommunizieren dann, wenn es etwas zu kommunizieren gibt.

Marcel Kollers Vertrag in Basel läuft aus.
Marcel Kollers Vertrag in Basel läuft aus.
Bild: Keystone

Ich deute Ihre Aussage so, dass Sie grundsätzlich gerne mit dem aktuellen Staff weitermachen würden.

Sehen Sie, in jedem Klub gibt es gewisse Spannungen zwischen Spielern und Trainer. Dass ein Sportler keine Freude hat, wenn er wenig oder gar nicht spielt, ist logisch. Aber wenn ich unseren Trainer sehe, mit dieser Erfahrung und Ruhe, mit der er in den letzten Jahren schon einiges überstanden hat: Ihn bringt so schnell nichts vom Kurs ab. Marcel ist ein absoluter Profi, der sich mit jedem Gegner genau befasst und die Mannschaft dann auch gut einstellt. Und er ist keiner, der sich beklagt.

Inwiefern?

Wir haben zum Beispiel seit dem Winter fünf Spieler verloren. Der Trainer hat sich darüber nie beschwert, sondern gesagt: ‹Ich arbeite mit denen, die hier sind.› Andere Trainer wären in dieser Situation ständig am Jammern.

Haben Sie betreffend nächster Saison irgendwelche Vorgaben von Präsident Bernhard Burgener erhalten?

Nein. Aber bei uns in Basel wird es nie heissen: ‹Wir wollen einfach nicht absteigen.› Wir wollen jedes Jahr in der Meisterschaft und im Cup vorne dabei sein, jedes Jahr auch europäisch spielen. Aber natürlich steht in einer so speziellen Phase das Überleben des Klubs an erster Stelle.

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