Analyse Fünf Gründe, warum der FC St. Gallen Schweizer Meister wird

Von Tobias Benz

25.6.2020

Die St. Galler wissen, wie man jubelt. Aber jubeln sie auch ganz am Ende?
Die St. Galler wissen, wie man jubelt. Aber jubeln sie auch ganz am Ende?
Bild: Keystone

YB und Basel haben nach dem Restart bereits Punkte liegen gelassen. Holen die St. Galler am Donnerstagabend gegen den FCZ einen Punkt, sind sie alleiniger Leader. «Bluewin» nennt fünf Gründe, weshalb die Espen den Titel holen.

Zum ersten Mal seit dem fast schon legendären 3:3 im Februar gegen die Berner Young Boys rollt der Ball am Donnerstag im Kybunpark wieder. Endlich. Und es kommt sogar noch besser. Wie FCSG-Präsident Matthias Hüppi bereits bestätigte, wird es in St. Gallen kein komplettes Geisterspiel geben. Die Espen wollen nach den neuesten Lockerungen für das Spiel gegen den FC Zürich 750 Zuschauer ins Stadion lassen.



Die Stimmung wird im Vergleich zu vor der Corona-Krise natürlich nicht wiederzuerkennen sein. Aber schaffen es die Ostschweizer, dass zumindest die Resultate dieselben bleiben? «Bluewin» nennt fünf Gründe, weshalb die Mannschaft von Peter Zeidler auch ohne Zuschauer liefern und zum ersten Mal seit 20 Jahren Schweizer Meister wird.

1
Vorteil durch Geisterspiele

So komisch es sich anhören mag, aber der FC St. Gallen könnte zum grossen Profiteur der Geisterspiele werden. Auch wenn die Ostschweizer als äusserst heimstarke Mannschaft gelten, so sind sie in Wahrheit auswärts sogar noch einen Zacken besser. In den bisherigen zwölf Auswärtsspielen (acht Siege, ein Remis, drei Niederlagen) holten sie zwei Punkte mehr als zu Hause (sieben Siege, zwei Remis, drei Niederlagen).

Die fehlende Unterstützung dürfte für die Espen also kaum zum Problem werden. Im Gegenteil, die Mini-Kulissen könnten sogar der entscheidende Vorteil auf Seiten der St. Galler sein. Die Konkurrenz aus Bern tut sich nämlich ohne Fans im Rücken deutlich schwerer. In 13 Auswärtsspielen in dieser Saison holten die Young Boys lediglich 16 Punkte (vier Siege, vier Remis, fünf Niederlagen). Hinzu kommt, dass sie von den Zuschauern im Stade de Suisse zu zehn Siegen in zwölf Spielen gepeitscht wurden. Dieser Vorteil droht nun – genau wie das Publikum – auszubleiben. Die ersten beiden Spiele (3:2 gegen den FCZ und 0:1 gegen Thun) haben gezeigt, dass sich YB mit der neuen Situation schwertut.

2
Jung, wild und unkaputtbar

Mit einem Altersdurchschnitt von 23,37 Jahren stellt der FC St. Gallen das jüngste Kader der Super League. Die Stammelf weist sogar einen noch tieferen Schnitt von 22,8 Jahren auf. Die drei Mittelfeld-Veteranen Jordi Quintilla, Lukas Görtler und Victor Ruiz (alle 26) sind dabei die mit Abstand ältesten Spieler auf dem Platz. Das ist Wahnsinn – und in Zeiten, in denen an fast jedem dritten Tag ein Spiel ansteht – wahnsinnig genial.

Die grösste Sorge, die Super-League-Trainer in den nächsten Wochen nachts wach halten wird, ist die Verletztenliste. Da sich junge Spieler deutlich weniger schnell verletzen und im Normalfall viel belastbarer sind als ältere, könnten die St. Galler in dieser Hinsicht mit einem blauen Auge durch den Sommer marschieren. 

Bei den «Young Boys» beträgt das Durchschnittsalter übrigens 25,12 Jahre.

3
Geballte Offensivpower

Im Normalfall heisst es immer, der Stürmer gewinnt ein Spiel, der Verteidiger gewinnt die Meisterschaft. Aber was ist dieses Jahr schon normal? Die beste Abwehr der Super League stellt aktuell der FC Servette – und die Genfer werden wohl kaum Meister werden.

Wirft man einen Blick auf die beste Offensive, so führt dieser zu Leader St. Gallen. Keine Schweizer Mannschaft hat mehr Tore (53) als die Ostschweizer erzielt. Und immer wieder erweist sich die angriffige Spielweise als wahrer Segen. So auch im letzten Spiel gegen Sion, das trotz eines späten Gegentreffers mit 2:1 gewonnen werden konnte, weil sich Zeidlers Jungs nach dem 1:0 nicht hinten reindrängen liessen, aufsässig blieben und das 2:0 (erfolgreich) und danach auch das 3:0 (vergebens) suchten.

4
Das Nsame-Problem

Ein weiteres grosses Plus beim FCSG ist die Vielseitigkeit im Angriff. Während die Young Boys bei fast jedem zweiten Treffer (23 von 49) auf die Beteiligung von Toptorschütze Jean-Pierre Nsame zählen, streiten sich bei Grün-Weiss etliche Spieler um den Titel des Torschützenkönigs. Aktuell führt Cedric Itten (11) vor Ermedin Demirovic (9), Jordi Quintilla (9) und Boris Babic (7).

Dadurch ist St. Gallen während des dicht gestaffelten Spielplans der nächsten Wochen deutlich flexibler aufgestellt als die Konkurrenz aus Bern. Es werden Spiele kommen, in denen YB auf Topscorer Nsame verzichten muss. Inwiefern sie sich dann neu zu erfinden wissen, bleibt abzuwarten. St. Gallen hat dieses Problem nicht.

5
Mehr Biss

Der FCSG hat nicht nur das jüngste Kader der Super League, es dürfte sich auch um das unerfahrenste und am wenigsten dekorierte Team der Liga handeln. Mit Ausnahme von Lawrence Ati Zigi und Cedric Itten, die als Reservisten mit Red Bull Salzburg und dem FC Basel jeweils die nationale Meisterschaft gewinnen konnten, ist das eigentlich ein Team von Verlierern.*


*Okay, Miro Muheim gewann mit der U19 des FC Chelsea den UEFA Youth Cup und Jordi Quintilla wird gemäss «Transfermarkt» der US Open Cup zugesprochen, obwohl er nie ein Spiel in diesem Turnier absolviert haben soll. Aber unser Redaktionsteam hat auch schon den Martin Cup in Höngg gewonnen. Sie wissen, was ich meine – das zählt nicht.


Genau das könnte ihnen aber in diesem turbulenten Schlussspurt zugutekommen. In Bern und in Basel wurden die ganz grossen Glocken bereits geläutet. In St. Gallen wissen sie nicht (mehr), wie es sich anfühlt, wenn die Stadt «explodiert». Aber genau da wollen sie unbedingt hin. Und genau wie das bissige Nachsetzen auf dem Platz ihnen immer und immer wieder Siege beschert, könnte es am Schluss genau dieses Quäntchen Willen sein, das sie über die Ziellinie trägt.

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