Heute vor 48 Jahren Wilde Cup-Schlacht vor 50'000 Fans: Ohrfeigen, Haltbare und Rasenlöcher

SDA

3.4.2020 - 04:34

Ostermontag, 3. April 1972. Heute vor 48 Jahren bekämpfen sich YB und Basel im Cup-Halbfinal. Es ist in der Tat mehr Kampf als Spiel. Hanspeter Latour und Karl Odermatt sind Hauptdarsteller.

Mehr als 50'000 Zuschauer waren bei gutem Wetter im Wankdorf. Eine grössere Kulisse, ob in der Meisterschaft oder im Cup, gab es im Schweizer Fussball später nur noch einmal, und zwar noch in der gleichen Saison: Am 10. Juni 1972 stellte Basel im «Joggeli» gegen den Erzrivalen Zürich vor 56'000 den Meistertitel sicher.

Im Cup-Halbfinal waren die Basler den Young Boys überlegen. YB kam mit der 0:2-Niederlage gut weg. Dank kuriosen Ereignissen wurde der Match trotzdem etwas Besonderes.

Hanspeter Latour war auf die Saison 1971/72 vom damaligen 1.-Liga-Klub FC Thun nach Bern gekommen. Vor einer Kulisse, die hundertmal grösser war, als er es im Oberland gewohnt gewesen war, hütete er YBs Tor. Er vertrat den unbestrittenen Nummer-1-Goalie Walter Eichenberger, der sich verletzt hatte. Nach nur sechs Minuten liess Latour einen nicht besonders gefährlich scheinenden Weitschuss von Karl Odermatt zwischen den Hosenträgern passieren. Es könnte die Folge einer anfänglichen Nervosität gewesen sein.

Noch in der ersten Halbzeit bekam Latour die Chance, sich an Odermatt zu revanchieren. Nach 37 Minuten – es stand weiterhin 0:1 – ahndete Schiedsrichter Walter Gallmann ein Hands von Ernst «Lisi» Schmocker, dem YB-Verteidiger aus dem Berner Oberland, mit einem Penalty. Odermatt trat den Penalty halbhoch in Richtung des linken Pfostens. Latour parierte den Schuss mit scheinbarer Leichtigkeit.

Schiedsrichter legt den Ball beim Penalty in ein Loch im Rasen

Die Szene wurde später in der Fachzeitung «Sport» ausgebreitet. Latour gab zu Protokoll, er habe zwei Wochen vorher auf einem Bild im «Sport» gesehen, wie Odermatt gegen Servettes Goalie Jacques Barlie einen Penalty mit einem halbhohen Schuss nach links versenkt habe. Deshalb habe er vermutet, dass Odermatt es wieder auf diese Weise versuchen würde. Odermatt wehrte sich im «Sport» vehement. Man könne seine Penalty-Strategie nicht durchschauen, sagte er. Er habe eigentlich viel höher schiessen wollen. Aber der Ball sei vom Schiedsrichter in ein Loch im Rasen gelegt worden. Latour verlor den Match 0:2, aber aus dem persönlichen Duell mit dem grossen Karl Odermatt holte er ein 1:1 heraus.

Nicht nur dass er den Ball für Odermatt angeblich unfair ungünstig auf den Penaltypunkt setzte, auch sonst hatte Schiedsrichter Gallmann einen schlechten Tag. Er benachteiligte die Mannschaften mit undurchsichtigen Entscheiden abwechslungsweise. Der Match wurde schon in der ersten Halbzeit gehässig. Es war eine Cupschlacht im besten Sinn. Gallmann musste hüben und drüben ermahnen und verwarnen. Aber irgendwann – so vermutete der grosse Chronist Walter Lutz, Chefredaktor des «Sport» – habe sich Gallmann wohl nicht mehr getraut, Gelbe oder sogar Rote Karten zu zeigen.

Eine Ohrfeige bleibt unbestraft

Gallmann gab demnach den 22 Spielern eine Art Generalamnestie. Nur so erklärt es sich, dass Dieter Brenninger nach 40 Minuten nicht vom Platz flog. Der deutsche Stürmer, der nur in jener Saison für YB spielte, und Odermatt waren aneinandergeraten. Die beiden sahen sich sehr ähnlich. Brenninger trug die blonden Haare schon so licht, wie Odermatt sie ein paar Jahre ebenfalls tragen sollte. Die Zuschauer in der Nähe der Cornerfahne unterhalb des Totomats konnten sehen und hören, wie Brenninger dem Schweizer Fussballdenkmal eine schallende Vaterländische verabreichte. Der Schiedsrichter hielt an seinem Grundsatz fest, nicht mehr einzugreifen. Odermatt wirkte belämmert, und Brenninger rannte zu seinem nächsten Einsatz.

In der zweiten Halbzeit verlief das Spiel einigermassen gesittet. Spannend wurde es jedoch nicht. Die Young Boys versuchten alles, aber trotz eines grossen Aufwands mit guten Offensivkräften wie Hans-Peter Schild, Peter Marti, Bert Theunissen und Torschützenkönig Walter Müller kamen sie zu keinen guten Chancen. Der FCB hatte nebst Odermatt auch Rolf Blättler, Walter Balmer, Ottmar Hitzfeld, Peter Wenger, in der Abwehr Urs Siegenthaler und Peter Ramseier und im Tor Marcel Kunz zu bieten. Und war einfach besser. Als der früh verstorbene Walter Balmer, der Berner Oberländer Stürmer des FCB, Latour nach 82 Minuten mit einem unhaltbaren Schuss unter die Latte bezwungen hatte, war alles entschieden.

Cupsieger wurden die Basler in jener Saison nicht. Ebenfalls im Wankdorf verloren sie den Final am Pfingstmontag gegen den FCZ 0:1. Der Torschütze hiess Daniel Jeandupeux.

Zurück zur StartseiteZurück zum Sport