Europas neue Talentschmiede Warum die Schweizer Liga so viel besser ist, als wir glauben

tbz

8.2.2022

Natalie Barros: «YB oder FCB – einer verabschiedet sich vom Meisterrennen»

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Nach dem zweiten Spieltag der Rückrunde zieht der FC Zürich in der Super League davon. Das Verfolgerduell am kommenden Wochenende könnte wegweisend sein.

07.02.2022

Wow, was für ein Fussballwochenende. In der Schweizer Super League fallen am Samstag und Sonntag in 5 Partien 20 Tore – 4 pro Spiel. So geht Unterhaltung – aber wie gut ist der Schweizer Fussball tatsächlich? Ein Kommentar.

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Lahme Pässe, kuriose Stolpertore und fehlendes Tempo. Jahrelang wurde der Schweizer Fussball von vielen Sportbegeisterten belächelt. Auch hierzulande. Die Liga zähle im Vergleich unter den Nachbarländern zu den schwächsten. Eine Ansicht, die über die Jahre nur von einzelnen europäischen Ausreissern des FC Basel infrage gestellt wurde. Eine Ansicht, die vielerorts bis heute anhält.

Doch wer die Flimmerkiste übers Wochenende auf Super League drehte, der mag sich zu Hause auf der Couch verwundert die Augen gerieben haben. GC – Zürich 1:3, Basel – Sion 3:3, St. Gallen – YB 3:3. Resultate, die sich sehen lassen. Aber nicht nur die Anzahl, auch die Art und Weise der Tore überzeugt. Im St. Jakob-Park jagt während 90 Minuten eine Sehenswürdigkeit die nächste. Itaitinga, Stocker, Grgic. Alles Kracher. Auch St. Gallens Besio stellt sein Zauberfüsschen unter Beweis. Angetrieben von Bastien Toma, dem Rückkehrer aus Belgien, der in der zweiten Halbzeit den Meister aus Bern fast im Alleingang an die Wand spielt.

Die Stärke der Nati

Super League, was willst du mehr? Aber geht das schon länger so, oder wird sich dieses Wochenende demnächst als spektakulärer Sonderfall entpuppen? Ein bewährter Indikator, um die Stärke einer Liga abzuschätzen, ist die Leistung der jeweiligen Nationalmannschaft. Zwar spielt die Mehrheit des Nationalkaders gerade in kleineren Ligen wie der Schweiz längst jenseits der Grenze, dennoch sind im Normalfall so gut wie alle Nationalspieler auf heimischem Rasen gross geworden.

Ein starkes Nationalteam kann deshalb auch ein starkes Indiz für die qualitative Tiefe einer Liga sein. Die Ausbildung passt, das taktische Niveau passt, nur die Salär-Situation für Spieler, die ein gewisses Level erreicht haben, passt nicht ganz.

Als Schweizer Fussball-Fan ist zu hoffen, dass sich hinter dieser Annahme die Wahrheit versteckt. Denn der Nati macht derzeit niemand etwas vor. Nicht Weltmeister Frankreich, wie man an der EM im Sommer gesehen hat, und auch nicht die Europameister aus Italien, wie sich im Verlauf der WM-Qualifikation im Herbst herausstellte. Die Nati ist in der momentanen Verfassung so stark, sie könnte die Grundlage für eine der führenden Ligen Europas bilden. Fehlte da nur nicht etwas Geld.



Die Schweiz als europäische Talentschmiede?

Denn selbst wenn das Niveau der Super League über Nacht explodierte – so urplötzlich wie diese neuen Weltstars gekommen wären, so schnell hätten sie sich wieder in die grossen fünf Ligen, die Big-5 verabschiedet. Ein solcher Exodus fand gerade erst diesen Januar statt. Und damit schlägt ein weiteres Warnsignal an, das uns sagen will, die Schweizer Liga sei besser, als wir glauben.

Mit elf Abgängen hat sich die Super League im Januar zum Export-Kassenschlager gemausert. Keine andere Liga weltweit hat so viele Spielerverkäufe in die Big-5 zu verzeichnen. Zugegeben, da tragen ein aufgrund der Corona-Pandemie erschlaffter Transfermarkt, als auch die neue GC-Führung und deren Wolverhampton-Verbindung ihren Anteil dazu bei.



Doch selbst das ist ein klares Zeichen. Mit Jorge Mendes interessiert sich einer der einflussreichsten und erfahrensten Spielerberater der Welt für die Super League. Alles nur Zufall? Wohl kaum, schliesslich tragen ehemalige Abgänger den Namen der Liga längst über unsere Grenzen hinaus. Man denke an Mo Salah, Basler Abschlussklasse 2014.

Aber damit nicht genug. Trotz zahlreicher Verluste, die die Vereine über das Transferfenster hinnehmen mussten, folgt nach der Winterpause eine derartige Fussball-Show. Scheint, als lägen die nächsten Exportschlager bereits aufgewärmt im Ofen. Und das stimmt nicht nur zuversichtlich für die Zukunft von Vereinen, Liga und Nationalmannschaft, sondern auch für das nächste Wochenende.

Artur Petrosyan (ESPN, Guardian, Sky): Die spannendsten und langweiligsten Ligen Europas (Anteil Spiele, bei denen beide Mannschaften treffen).