Die Young Boys als Topfavorit, ein erster Verfolger und ein breites Mittelfeld mit unklarer Hackordnung – so präsentiert sich die Super League vor dem Start in die neue Saison am Samstag.
In der vergangenen Spielzeit fiel keine Mannschaft richtig ab. Mit etwas Wettkampfglück hätte fast jede in den Top 4 landen können. Dementsprechend sind viele Klubs ihrer Linie bei der Suche nach Verstärkungen treu geblieben. Am unsichersten oder zumindest am schwersten zu durchschauen ist die Lage bei jenen vier Klubs, die den Trainer freiwillig gewechselt haben.
Der Meister
Die Young Boys mussten nach drei erfolgreichen Jahren ihren Coach Gerardo Seoane in die Bundesliga ziehen lassen. Mit dem neuen, David Wagner, verbrachten die Spieler zunächst viel Zeit im Videoraum. Es geht für die Berner in erster Linie darum, eine neue Spielweise einzustudieren, die sich aber wohl gar nicht mal so sehr von der alten unter Seoane unterscheiden wird. Hohes Pressing, Ruhe am Ball – so beschrieb es Vincent Sierro.
Wie schon Seoane bei seinem Antritt 2018 wird auch Wagner auf eine gefestigte Mannschaft zurückgreifen können. Die Ausfälle von Captain Fabian Lustenberger und Topskorer Jean-Pierre Nsame wohl bis Ende Hinrunde sind zu verkraften. Leader stehen bereit, genauso wie aufstrebende Junge. Mit Alex Jankewitz wurde ein hoch eingeschätzter Schweizer Nachwuchs-Internationaler von Southampton verpflichtet, mit Wilfried Kanga ein früheres französisches Talent, dessen Karriere ins Stocken geraten ist.
Der erste Verfolger
Der FC Basel hofft auch, mindestens ein weiteres grosses Talent in seinen Reihen zu haben. Von Liverpool, Real Madrid und Inter Mailand kamen die jungen Liam Millar, Sergio Lopez und Sebastiano Esposito. Allerdings hat sich noch keiner der drei bei seinem Klub durchgesetzt. Millar spielte in England zuletzt auf dritt- und Lopez in Spanien auf vierthöchster Stufe. Der besonders viel versprechende 19-jährige Stürmer Esposito kam in Italiens zweithöchster Liga in der vergangenen Saison zu 25 Einsätzen.
Die Erfahrung, die durch die Abgänge von Luca Zuffi, Silvan Widmer und Timm Klose verloren ging, sollen Michael Lang und Jordi Quintilla wettmachen. Sie sind zwei von nur noch acht Spielern im Basler Kader, die älter als 24 Jahre sind. Es ist eine spannende, aber nicht ganz risikolose Wette auf junge Spieler. Die Routiniers stehen nämlich doppelt in der Pflicht: Sie müssen die Leistung bringen und die Jungen unterstützen.
Die Routinierten
Der Cupsieger Luzern hat seine deutsche Fraktion ausgebaut und gleichzeitig viel Know-how ins Team geholt. Der 32-jährige Holger Badstuber und der 35-jährige Christian Gentner haben knapp 600 Bundesliga-Partien in den Beinen. Dazu kommt mit Samuele Campo ein weiterer Neuzugang, der die Super League und den Trainer Fabio Celestini gut kennt. Mit hoch gesteckten Zielen hielt sich Gentner zurück: «Wir wollen nicht etwas an einem Tabellenplatz festmachen, sondern uns als Team weiterentwickeln.»
Für den FC Sion geht es darum, sich von den hinteren Tabellenregionen zu lösen. Die Walliser beendeten letztmals vor vier Jahren eine Saison in der ersten Tabellenhälfte und kamen zuletzt dem Abstieg gefährlich nahe. Bewährte Kräfte sollen den Sittener mehr Konstanz verleihen. Mit Zuffi und Kevin Bua stiessen zwei ehemalige Basler zu ihrem früheren (Assistenz-)Trainer Marco Walker.
Die Talentsucher
Der FC St. Gallen konnte in den letzten beiden Saisons einigen Spielern zum Karriereaufstieg verhelfen. Ein Teil hat den Klub wieder verlassen. Nun hoffen Sportchef Alain Sutter und Trainer Peter Zeidler einen Goalgetter wie Cedric Itten, der ihnen in der letzten Saison gefehlt hat, wieder zur Hand zu haben. Die zwei ernsthaftesten Kandidaten dafür sind der 17-jährige St. Galler Alessio Besio und der 26-jährige Österreicher Fabian Schubert, der letzte Saison in seiner Heimat in der 2. Liga mit 33 Toren und 11 Assists in 28 Spielen brilliert hat.
Auch Servette präsentiert sich mit einem im Klub bestens verankerten Trainer (Alain Geiger) und einer Reihe sicherer Spielerwerte. Die Verstärkung kam wie oft in den letzten Jahren aus Frankreich. Die hoffnungsvollste ist der 31-jährige Ronny Rodelin, der vom Zweitligisten Guingamp kommt und wie Guillaume Hoarau in Réunion geboren ist.
Die Farmteams
Aufsteiger GC und Lausanne-Sport sind beide Teil eines finanzkräftigen Fussball-Konsortiums. In der Sommerpause sind viele Spieler gegangen und ähnlich viele gekommen. Bei den Grasshoppers sticht der Name von Amir Abrashi hervor, bei Lausanne überzeugte in den Tests besonders der vom Stadtrivalen Ouchy übernommene Zeki Amdouni. Das Teambuilding haben mit dem ehemaligen Lausanner Giorgio Contini bei GC und Ilija Borenovic bei den Waadtländern zwei neue Trainer übernommen.
Die Neustarter
Auch Zürich und Lugano setzen auf neue Coaches. Die Zürcher, die Massimo Rizzo durch den Deutschen André Breitenreiter ersetzt haben, trennten sich von einigen tonangebenden Spielern der letzten Jahr, etwa von Marco Schönbächler, Toni Domgjoni oder Benjamin Kololli. Zudem sind derzeit Blerim Dzemaili und Salim Khelifi verletzt.
In Lugano drehte sich in den letzten Monaten vieles um den geplatzten Verkauf des Klubs. Die neue Besitzer sind mangels finanzieller Mittel nicht gekommen, dafür aber ihr Wunschtrainer Abel Braga. Der 68-jährige Brasilianer mit eindrücklichem Leistungsausweis kann mit Demba Ba auf einen grossen Namen mit allerdings unsicherem Formstand zählen.