Admir Mehmedi ist an der EM nur Ersatz. Dank seiner Erfahrung ist er für das Team trotzdem wichtig.
Der Platz in den Annalen des Schweizer Fussballs ist Admir Mehmedi seit fünf Jahren sicher. Mit seinem Tor an der EM 2016 gegen Rumänien wurde der 30-jährige Zürcher zum ersten Schweizer, dem sowohl an einer WM als auch an einer EM ein Tor gelang.
Damals im Juni 2016 in Paris war Mehmedi ein gefragter Mann. Fast 40 Minuten benötigte er, bis er sich durch den Interview-Marathon durchgesprochen hatte. Mehmedi hatte mit seinem Treffer für die SFV-Auswahl die Pforte zur erstmaligen Qualifikation für die K.o.-Phase an einer EM-Endrunde weit aufgestossen.
Fünf Jahre später ist es ruhiger geworden um den Stürmer von Wolfsburg. Nach dem Training im Stadio «Tre Fontane» warten nur wenige TV-Kameras und Mikrofone auf ihn. Mehmedi steht nicht mehr im Mittelpunkt. Bisher ist ihm an der EM nur eine Nebenrolle zugewiesen, nachdem er an der WM 2014 und EM 2016 noch Stammspieler gewesen war. «Es ist schwer zu akzeptieren. Aber ich nehme die Ersatzrolle an. Ich versuche, ruhig zu bleiben, auf meine Chance zu warten und diese dann zu nutzen.»
Nur die Nummer 6
Derzeit kommt Mehmedi in der Offensive nicht an Xherdan Shaqiri, Breel Embolo und Haris Seferovic vorbei. In der Vorrunde sind ausserdem Mario Gavranovic und Ruben Vargas noch vor ihm zum Einsatz gelangt. Nationalcoach Vladimir Petkovic schickte Mehmedi erst für die letzten vier Minuten im Spiel gegen die Türkei auf den Platz.
Von einem Platz in der Startformation scheint Mehmedi derzeit weit entfernt. Trotzdem spielt er in diesem Moment nicht den entspannten EM-Touristen. «Ich wäre fehl am Platz, wenn ich hier ganz entspannt das Turnier geniessen würde. Dann wäre ich besser in die Ferien gefahren. Ich will beeinflussen, was ich beeinflussen kann und in den Trainings alles geben.»
Die EM in diesem Jahr ist Mehmedis fünftes grösseres Turnier. 2011 war er auch an der U21-EM dabei, ein Jahr später an den Olympischen Spielen in London. Ein Tor ist ihm auch an diesen beiden Turnieren gelungen. Mit seiner ruhigen Art und seiner Routine ist Mehmedi in der Mannschaft auch ohne Hauptrolle wichtig. Einige Spieler haben keine Endrunden-Erfahrung – Mehmedi dafür umso mehr. Das macht ihn auch ohne Stammplatz zum Führungsspieler.
Und so kommt auch Mehmedi zu sprechen auf die schwierigen Tage vor dem erlösenden Sieg gegen die Türkei. «Die Niederlage gegen Italien war ein Weckruf. Wir haben gesehen, dass es so nicht geht. Wir wissen jetzt wieder, was es braucht, um auf diesem Niveau zu bestehen.» Im Hinblick auf den Achtelfinal dürften sie jetzt keinen Millimeter nachlassen. «Wir müssen die positive Energie aus dem Türkei-Spiel wieder auf den Platz bringen. Wenn uns dies nicht gelingt, dann haben wir keine Chance.»
Setzt er die nächste Marke?
Dass die Schweiz anders als zuletzt an der EM in Frankreich und an der WM in Russland im Achtelfinal nicht Favorit ist, sieht Mehmedi weder als Vor- noch als Nachteil. «Wir sind 2016 und 2018 gegen vermeintlich einfache Gegner wie Polen und Schweden ausgeschieden. Und wir haben es 2014 gegen den vermeintlich grossen Gegner Argentinien fast bis ins Penaltyschiessen geschafft. Uns fehlte immer etwas. Auf diesem Niveau muss man in einem solchen Spiel auf den Punkt bereit sein, sonst reicht es gegen keinen Gegner.» Er selbst will alles dafür tun, auch wenn er nicht von Anfang an auf dem Platz steht. «Wenn ich gut trainiere, nützt das auch den anderen in der Vorbereitung.»
Und dann, wer weiss, kommt Mehmedi im Achtelfinal vielleicht ins Spiel und setzt eine weitere Marke. Er war 2011 der Spieler, der die Schweiz erstmals in einen U21-EM-Final schoss. Er war 2012 der Spieler, der das erste Schweizer Tor seit 88 Jahren an einem Olympia-Turnier erzielte. Er war 2016 der Spieler, dem als erster Schweizer ein Treffer an einer WM und EM gelungen war. Könnte ja sein, dass Mehmedi 2021 der Spieler ist, der die Schweiz erstmals seit 67 Jahren in einen EM- oder WM-Viertelfinals schiesst.