Früher als erwartet und erhofft muss Lionel Messi in die Rolle des Retters schlüpfen. Von ihm aus müssen gegen Mexiko die argentinischen Impulse kommen.
Die Berichterstattung in Argentinien lässt keine Zweifel darüber aufkommen, auf wessen Schultern die Verantwortung am Samstagabend gegen Mexiko lastet. Lionel Messi steht im Zentrum des Interesses. Auf ihn sind die Blicke gerichtet seit der sensationellen Niederlage gegen Saudi-Arabien. Der 35-Jährige erklärte das für Argentinien Unerklärliche zunächst in TV- und Radio-Interviews und dann noch gegenüber weiteren Journalisten. Er sprach mit dem Team in der Garderobe und dann später auch noch im Mannschaftsbus.
Nach der ersten Niederlage seit 36 Spielen hatte der sechsfache Weltfussballer eine ziemlich klare Vorstellung, was er übermitteln wollte. Nichts von Frustbewältigung. Enttäuscht ja, aber nicht aller Hoffnungen beraubt. «Dieses Team zeichnet sich durch Einheit und Solidarität aus. Jetzt müssen wir zeigen, dass wir wirklich stark sind», kommentierte er. Der Ausnahmekönner ist mehr denn je ein Anführer, der auf das Kollektiv schaut.
Gerade die Weltmeisterschaften haben Messi in der Vergangenheit einige bittere Lektionen in Form von Niederlagen erteilt. Er ist mit Argentinien bei seinen bisherigen vier Teilnahmen zwar noch nie in der Vorrunde gescheitert, aber vor vier Jahren war die Lage mindestens so gefährlich wie momentan: Argentinien war mit einem Remis gegen Island und einer deutlichen Niederlage gegen Kroatien gestartet. Wie man das Teamgefüge trotz Rückschlägen beisammen hält, weiss er noch von damals.
Fragezeichen um Messis Mitspieler
Spielerisch misslang ihm die unmittelbar Reaktion auf den Rückstand gegen Saudi-Arabien. Der Hoffnungsträger machte in der Schlussphase der Partie keinen frischen Eindruck mehr und seine Versuche, das Spiel zu organisieren, die Angriffe zu lancieren, scheiterten. Er hat in der laufenden Saison mit Paris Saint-Germain gezeigt, wie brillant er immer noch sein kann, aber er benötigt im Spiel seine Erholungspausen. Es dürfte ihm bewusster als auch schon sein, dass auch vieles von seinen Mitspielern abhängt.
Die Frage, wie gut Messi ist, kam rund um das Teamhotel bei der Universität von Katar weniger oft auf, als die Frage, wie gut seine Mitspieler sind. Womöglich nicht ganz so gut, wie man es sich in Argentinien wünschen würde. Etwas provokativ kann man sagen, es ist kein Zufall, dass nur die wenigsten bei den absoluten europäischen Topklubs spielen. Wie schon vor vier Jahren scheint auf einigen Position schlicht etwas die Qualität zu fehlen.
In der Heimat, wo sich die Kritiker mit scharfen Voten für einmal stark zurückhielten, gehen die Experten davon aus, dass sich der eine oder andere Spieler nicht in der Startformation wird halten können, etwa die Aussenverteidiger Nahuel Molina von Atlético Madrid und Nicolas Tagliafico von Lyon. Für Coach Lionel Scaloni ist schon nach einem Match die Zeit der Justierungen gekommen. Gegen Mexiko heisst es: Verlieren verboten.
Unterstützung aus der Heimat
Um sich auf den Match gegen die Mittelamerikaner vorzubereiten, haben sich Messi und Co. nicht stundenlang in einen dunklen Theoriesaal verzogen. Am Mittwoch konnten die Spieler Zeit mit ihren Familien verbringen. Messi empfing seine Ehefrau Antonela, seine Kinder, seine Brüder und seine Eltern. Am Tag danach veröffentlichten die argentinische Spieler einige Fotos von den diversen Familientreffen auf dem Campus der Universität.
Auch weil Messi besonnen auf den Rückschlag vom Dienstag reagiert hat, ist die Stimmung beim zweifachen Weltmeister noch gut. Aus der Heimat prasselt nicht Kritik auf die Spieler ein, sondern es kommen unterstützende Worte. In der Nacht auf Freitag veröffentlichte der Fussballverband einen Song, eine Hymne voller Pathos: «Wohin du auch gehst, ich folge dir überall», heisst es darin untermalt von Bildern von Fans, Toren und Jubelszenen. Für seine fünfte und nach eigener Aussage letzte Weltmeisterschaft darf Messi bis auf weiteres auf die volle Unterstützung zählen. Das Happy-End bleibt weiter möglich.