Fussball verbindet. Hautfarbe, Geschlecht, sozialer Status – spielt alles keine Rolle. Gemeinsam wird gelitten, gejubelt und geweint. Der Kriegsjargon, dessen man sich gerne bedient, um das Geschehen auf dem Feld zu kommentieren, der will da nicht so recht ins Bild passen.
Die Schweizer Nationalmannschaft besteht mehrheitlich aus Söldnern, auch Legionäre genannt. Einen «Bomber der Nation», der jeden Erzfeind das Fürchten lehrt, den vermissen wir leider, sonst hätte sich die Nati von Italien kaum so wehrlos abschlachten lassen.
Kleinere Nationen nehmen wir schon mal unter Feuer, es sei denn, die Herren auf dem Platz verweigern ihren Dienst. Doch wenn Dribbling-Künstler Shaqiri, auch der Zauberzwerg genannt, den Ball streichelt und ihn dann butterweich ins weite Eck zirkelt oder mit einem Zuckerpässchen seinen Mitspieler lanciert, dann ist das ganz hohe Fussballkunst. Sein Geniestreich gegen Polen an der EM 2016, ein Gedicht von einem Tor. An dieser EM warten wir bislang vergebens auf diesen magischen Moment, der die Stimmung im Schweizer Fanblock explodieren lässt.
Gegen fussballerische Grossmächte allerdings, da herrscht schon mal Belagerungszustand am eigenen Sechzehner und dann verkommt das Ganze zur reinsten Abwehrschlacht. Gewinnen kannst du so einen Kampf nur, wenn du den Gegner hart attackierst und die Zweikämpfe Mann gegen Mann gewinnst. Übertreiben sollte man es mit der Härte dann aber doch nicht. Wenn einer seinen gegnerischen Spieler mit einer Blutgrätsche niedermetzelt, dann wird der Übeltäter des Feldes verwiesen – das kann dann die Kräfteverhältnisse so sehr verschieben, dass es fatale Folgen hat. Gegen Italien, da hat die Nati diese Art von Gegenwehr vermissen lassen – sie hat den Kampf nie richtig angenommen und scheinbar schon vor dem Anpfiff kapituliert.
Gegen die Schwergewichte des Weltfussballs braucht es halt immer auch das nötige Quäntchen Glück. Zum Beispiel eine Granate aus 20 Metern, die im gegnerischen Gehäuse einschlägt. So kann man die Festung der eigentlich über 90 Minuten feldüberlegenen Truppe schon mal überwinden, ihr den K.o.-Schlag verpassen, einen Stich ins Herz versetzen, der den Kampf zwischen David und Goliath entscheidet. Wenn es dann ausgerechnet noch der eigentliche Chancentod ist, der das Geschoss abfeuert, dann explodiert die Stimmung bei den Schlachtenbummlern auf der Tribüne.
Eine historische Spurensuche
So sehr unter Beschuss genommen mit kriegerischer Rhetorik wie in diesem Artikel werden wir zum Glück nur selten. Und doch hat man auch rund um diese Euro schon ähnliche Sätze gehört und gelesen. Wenn man sich darüber Gedanken macht, dann fragt man sich: Wo haben diese Parallelen zwischen Krieg und Fussball ihren Ursprung?
Bei der Recherche sind wir auf ein Radio-Interview aus dem Jahr 2014 gestossen. Im Gespräch mit «SRF» beantwortete Historiker Christian Koller ebendiese Frage. In Deutschland habe man schon vor dem Ersten Weltkrieg erkannt, «dass man im Fussball sehr vieles lernen kann, das dann im Krieg eine Rolle spielen könnte».
Die Mischung aus Individualität und Kollektiv könne im Fussball sehr gut eintrainiert werden und deshalb sei diese Sportart schon früh in den Ausbildungsbetrieb von Armeen aufgenommen worden. Und: «Fussball wurde auch immer wieder genutzt, um die Moral der Truppen zu heben.» Im Ersten Weltkrieg hätten viele Soldaten den Fussball kennengelernt «und da ist wiederum der militärische Jargon fast automatisch mitgekommen», erklärt Koller.
Es gebe aber auch eine versöhnliche Seite, so hätten während des Ersten Weltkriegs an der Westfront immer wieder Fussballspiele – etwa zwischen den verfeindeten britischen und deutschen Soldaten – im Niemandsland stattgefunden. Unvergessen jenes an Weihnachten 1914, über das es gar einen eindrücklichen Antikriegsfilm (Merry Christmas, Trailer im Video unten), der von einem Akt der Menschlichkeit und Verbrüderung im Ersten Weltkrieg handelt, gibt.
Da kann einem schon mal angst und bange werden, wenn man die martialische Sprache im Fussball vor diesem Hintergrund betrachtet. Und selbstkritisch stellt man sich die Frage: Müsste man die Sprache nicht entschärfen und dem kriegerischen Vokabular einen Fusstritt verpassen?