Spanien machts

Martin Abgottspon

 

Spanien hat einiges, was Frankreich nicht hat. Ein zusammengeschweisstes Kollektiv zum einen. Und den Respekt vor der Nati zum anderen. Deshalb wird nach dem Viertelfinal Endstation sein für die Schweiz.

Eigentlich ist der Auftritt der Nati vom Achtelfinal schon Grund genug, um auch gegen Spanien von einem erneuten Exploit zu träumen. Erinnert man sich dann noch an das 1:0 der Nati an der WM 2010 gegen den späteren Weltmeister, dürften keine Zweifel bleiben: Das Team von Vladimir Petkovic wird auch den Viertelfinal rocken. Doch bei aller «Europhorie» bin ich eher skeptisch, dass die Schweiz gegen die «Furia Roja» das Land noch einmal in einen Ausnahmezustand versetzen wird.

Trotz der selbstbewussten Stimmung im Schweizer Lager wird man auch gegen Spanien auf dem Papier wieder nur Aussenseiter sein. Luis Enriques Mannschaft ist auf sämtlichen Positionen top besetzt. Einen absoluten Super-Star gibt es nicht, aber das ist bei diesem Kollektiv auch nicht nötig. Die Spanier verfügen über einen Zusammenhalt, den man an dieser Euro bei vielen Teams schmerzlich vermisst. Das ist zu grossen Teilen Verdienst des Trainers, der dieses «Wir-Gefühl» allem überordnet und sein Kader auch akribisch danach ausrichtet. Dass Sergio Ramos den Sprung ins Team nicht schaffte, mag wahnsinnig wirken. Im Endeffekt will Luis Enrique aber schlicht und einfach keine Alphatiere und potenziellen Störenfriede.

So steigert sich diese spanische Nationalmannschaft von Spiel zu Spiel. Nach hinten mag sie phasenweise wie zuletzt auch gegen Kroatien noch unsicher wirken, doch beim Spiel mit dem Ball macht den Spaniern keiner was vor. Durchschnittlich brachte es das Team bisher auf 67,5 Prozent Ballbesitz. Rechnet man das runter, bleibt den Gegnern nur gerade 30 Minuten, um überhaupt eigene Chancen zu kreieren. Gleichzeitig tankte man mit zehn Toren aus den letzten zwei Spielen gehörig Selbstvertrauen auf.

Für die «Furia Roja» kommt im Viertelfinal noch erleichternd hinzu, dass Granit Xhaka auf der Gegenseite nicht auf dem Feld stehen wird. Der Schweizer Captain agierte zuletzt tatsächlich wie ein echter Leader. Er riss die Mannschaft mit, stimmte sie mit den richtigen Worten auf die Verlängerung und das Elfmeterschiessen ein, ohne dabei von seiner eigenen Genialität einzubüssen. Selbst wenn sein Ersatz in der Person von Zakaria über sich hinauswächst, wird er die Leader-Rolle wohl niemals so gut ausfüllen können wie Xhaka.

Ich würde mich mit meiner Einschätzung noch so gerne täuschen, doch leider wird die Reise für die Nati in diesem Viertelfinal enden. Es war ein grandioser Trip mit Höhen und Tiefen, wie man sie als Schweizer Fussballfan nie erlebt hat. Doch diesem Tiki-Taka ist die Nati nicht gewachsen, weil der Gegner ganz einfach besser ist und im Vergleich zu den Franzosen auch nicht mit dieser gewissen Arroganz aufs Feld gehen wird.

Die Nati machts

Patrick Lämmle

 

Nach zwei Spieltagen wurden die Spanier genauso wie die Schweizer in ihrer Heimat zerrissen. Heute wird nun eines der beiden Teams ins Halbfinale einziehen. Ach, was ist Fussball schön.

Warum Gründe für ein mögliches Scheitern der Schweizer Nati suchen? Haben Petkovics Mannen nicht eben erst bewiesen, dass sie an einem richtig guten Tag jeden schlagen können?! Gegen Spanien werden die Schweizer wieder an ihre Leistungsgrenze gehen müssen. Und wie schon gegen die Franzosen wird es auch das nötige Quäntchen Glück brauchen, um den Halbfinal-Einzug perfekt zu machen. Ich traue es der Mannschaft auf jeden Fall zu.

Wer glaubt, die Luft bei den Schweizern sei nach dem Exploit gegen Frankreich raus, könnte sich irren. Nach dem Erreichen eines grossen Ziels kann die Spannung abfallen und dann wird es schwierig, den Motor wieder hochzufahren. Doch der Viertelfinal war ein von Medien ausgerufenes Ziel. Die Mannschaft selbst nimmt Spiel für Spiel. Dank des Sieges über Frankreich haben die Spieler Lunte gerochen.

Sie haben gesehen, zu was sie als Gruppe fähig sind, wenn alle am selben Strick ziehen, wenn alle bereit sind, die Extrameile zu gehen. Es gibt Ausnahmekönner, die ein Spiel im Alleingang entscheiden können. Doch oft gewinnt eben die Mannschaft, die tatsächlich als solche auftritt. So wie das die Schweizer gegen Frankreich getan haben oder die Tschechen gegen Holland. Wer so auftritt, der darf vom Titel träumen. Und der Druck von aussen ist verflogen, im Idealfall beflügelt das zusätzlich.

Aber kann die Nati auch ohne ihren gesperrten Anführer gewinnen? Klar kann sie das. Granit Xhaka ist ein Leader, er macht seine Sache richtig gut, auch als Blondschopf, wie wir inzwischen wissen. Aber unsere Nati ist nicht so abhängig von ihm, wie viele glauben. An seiner Stelle könnte Denis Zakaria auflaufen. Er ist ein Musterathlet und Powerfussballer, der gar schon mit Bayern München in Verbindung gebracht wurde. Es würde mich nicht überraschen, wenn gerade er zur grossen Figur im Spiel gegen die Spanier avanciert.

Denn gegen Spanien muss sich die Schweiz darauf einstellen, dass sie nicht so oft in Ballbesitz ist, wie sie es gerne wäre. In so einem Spiel würde Ballverteiler Xhaka, der Lenker und Denker, wie er auch gerne genannt wird, weniger Einfluss als üblich haben. Zakaria dagegen ist ein Balleroberer der Beletage, der blitzschnell in die Offensive umschaltet. Im Spiel gegen Spanien könnten genau diese Fähigkeiten Gold wert sein.

Versteht mich nicht falsch, das ist kein Angriff auf Xhaka, er hat grosse Verdienste am Einzug ins Viertelfinale. Aber sein potenzieller Ersatz ist kein Fussballer zweiter Klasse. Zudem haben wir von vorne bis hinten viele formstarke Spieler in unseren Reihen. Und Wundertüte Shaqiri ist auch immer für einen Geniestreich gut. Ja, die Chancen auf den Halbfinal-Einzug sind intakt. Einfach wird es aber nicht.

 
Schafft die Schweiz den Einzug in den EM-Halbfinal?