Das sagt der TV-ExperteHuggel: «Das Überstehen der Gruppenphase ist meine Hoffnung und meine Erwartung»
SDA
13.6.2018 - 09:42
2010 ist Benjamin Huggel mit der Schweiz WM-Teilnehmer in Südafrika. Acht Jahre später wird der 41-fache Internationale in Russland die Auftritte seiner Nachfolger als SRF-Experte analysieren.
Kompetent und souverän analysiert Huggel seit 2012 Fussballspiele für das SRF, erklärt dem TV-Publikum anhand eines Analyse-Tools einzelne Spielsituationen, gibt Einschätzungen oder klärt den Zuschauer über taktische Kniffe auf. Seit Beginn dieses Jahres begleitet der 40-Jährige aus Münchenstein als Nachfolger von Raphael Wicky und Alain Sutter die Schweizer Nationalmannschaft als SRF-Experte hautnah. An der WM in Russland wird er die Geschehnisse rund um die Mannschaft von Vladimir Petkovic in den Stadien und im SFV-Camp in Togliatti unter die Lupe nehmen.
«Die WM-Teilnahme als Spieler war die Erfüllung eines Bubentraums», so Huggel. «Aber auch die Teilnahme als TV-Experte ist etwas Besonderes.» Mit Recherchen, Videoanalysen und dem Verfolgen des Fussballgeschehens bereitet sich der ehemalige Mittelfeldspieler auf seine Einsätze vor der Kamera vor. Huggel macht sich Gedanken über mögliche Aufstellungen, überlegt sich Szenarien, die eintreffen könnten. «Es braucht sehr viel Vorbereitungszeit, das unterschätzen die Leute oft.»
Mit den Schweizer Leistungsträgern Yann Sommer, Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri hat Huggel gegen Ende seiner Karriere im FC Basel noch zusammengespielt, mit ihnen hält er auch heute noch gelegentlich Kontakt, unmittelbar vor der WM lässt er seine ehemaligen Teamkollegen aber in Ruhe. «Ich will sie nicht in eine Situation bringen, in der sie nicht genau wissen, was sie sagen dürfen.» Der Baselbieter scheut sich aber nicht, gegenüber seinen Ex-Kollegen auch einmal ein kritisches Wort zu verlieren. «Es geht immer um die Art und Weise, wie man etwas sagt.»
Auch weiche Faktoren entscheiden
Wie mit Kritik umzugehen, weiss Huggel aus seiner Zeit als Fussballer, das Leben eines Profis kennt er aus dem Effeff. Die Erfahrung von Südafrika hilft ihm, die Geschehnisse der nächsten Wochen in Russland einzuordnen, dem TV-Publikum einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen. Nicht allein die fussballerische Qualität oder das taktische Spielsystem entscheiden an einer Endrunde über Erfolg und Misserfolg, auch weiche Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Ist die Organisation im Camp gut? Klappen die Transfers? Oder wird unnötig Energie verpufft?
Huggel weiss, dass sich solche Turniere in die Länge ziehen. «Die Teams werden abgeschottet, die Spieler sind eingepfercht, haben in ihren Camps kaum Ablenkung, es gibt wenig zu tun.» Gerade für Spieler, die nicht zur Stammformation gehören, sei die Situation nicht immer einfach. «Sie wissen, dass ihre Klubkollegen gleichzeitig in den Ferien sind und dass sie bei ihren Klubs verspätet in die Vorbereitung einsteigen werden.» Schafft es die Gruppe, fokussiert zu bleiben und alle einzubeziehen, damit kein Lagerkoller aufkommt? «Auch dieser Faktor ist nicht zu unterschätzen», so Huggel.
Achtelfinal-Qualifikation als Erwartung
Als erste Favoriten auf den Titel in Russland sieht Huggel Spanien und Titelverteidiger Deutschland. «Brasilien lebt für mich zu sehr von seiner individuellen Klasse in der Offensive, Argentinien ist schwierig einzuschätzen.» Was die fussballerischen Qualität der WM anbetrifft, erwartet er keine neuen, «bahnbrechenden» Entwicklungen. «Die Trends werden sich verstärken.» Huggel sieht jene Teams vorne, die als Mannschaft am besten wissen, was in den verschiedenen Phasen eines Spiels zu tun ist. «Eine gute Mannschaft steht heute nicht mehr nur für einen Spielstil.»
Dem Team von Vladimir Petkovic traut Huggel einiges zu: «Das Überstehen der Gruppenphase ist meine Hoffnung, aber auch meine Erwartung.» Was in einer allfälligen K.o.-Phase möglich ist, sei schwierig abzuschätzen, eine Viertelfinal-Qualifikation nicht planbar. «Aber ich hoffe, dass sich die Mannschaft wie die Eishockey-Nati im Lauf des Turniers steigern kann.» Dass die Schweiz an einer WM teilnimmt, ist für Huggel nach wie vor keine Selbstverständlichkeit, auch wenn dies bereits die vierte WM-Endrunde in Folge für die SFV-Auswahl ist. «Andere Nationen mit viel grösserer Fussball-Tradition als die Schweiz beneiden uns in diesem Sommer.»