Vor der EM waren gar Parallelen zum erfolgreichen WM-Dritten von 2002 gezogen worden. Die Türkei reiste mit grossen Hoffnungen nach Rom. Diese wurden schon im Eröffnungsspiel zerstört.
Mit der Aufarbeitung des ernüchternden 0:3 zum EM-Auftakt wollte sich Senol Günes nicht lange aufhalten. Stattdessen richtete der türkische Nationalcoach nach der Pleite im Eröffnungsspiel gegen Italien den Blick auf die nächsten Aufgaben. «Der Wettbewerb geht weiter. Wir haben noch zwei wichtige Spiele», sagte der 69-Jährige. Doch für die heimischen Medien und Kommentatoren war die Niederlage zum EM-Auftakt damit noch lange nicht abgehakt. «Ich habe die Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren noch nie so schlecht spielen sehen», sagte Ahmet Cakar, ehemaliger Schiedsrichter und mittlerweile einer der bekanntesten TV-Experten der Türkei.
Die türkische Auswahl um den erfahrenen Kapitän Burak Yilmaz und mit zahlreichen jungen Talenten war mit grossen Hoffnungen zur EM gereist. Coach Günes hatte gar vor dem Auftaktspiel gesagt, das Team erinnere ihn an die erfolgreiche Elf, die er 2002 bei der WM auf Platz drei geführt hatte. Umso grösser war dann der Schock über die schwache Leistung. «Dieser Kader mit so viel Qualität hat kein Recht, so schlechten Fussball zu spielen», schrieb Cakar in der Zeitung «Sabah».
Gegen Italien präsentierten sich die Ay-Yıldızlılar zum Auftakt ihrer fünften EM offensiv komplett harmlos und ohne Ideen. Nur ein einziger Schuss ging wenigstens in Richtung des Tores der Gastgeber. «Es ist inakzeptabel, dass ein solches Team in der Offensive so hilflos ist», schimpfte Kommentator Sansal Büyüka in der Zeitung «Miliyet». «Wir hätten beinahe das Spiel beendet, ohne den gegnerischen Strafraum zu betreten. Nicht zu glauben.» Die fünfte Niederlage im fünften EM-Auftaktspiel war für die Südeuropäer die logische Konsequenz.
Defensivtaktik geht nach hinten los
Schien die Defensivtaktik von Günes in der ersten Halbzeit noch aufzugehen, waren die Türken nach dem 0:1 durch ein Eigentor von Merih Demiral (53. Minute) komplett chancenlos. Auch nach den weiteren Treffern durch Ciro Immobile (66.) und Lorenzo Insigne (79.) blieben die Türken offensiv harmlos. «Fussball besteht aus Angriff und Verteidigung. Wir haben nur daran gedacht, zu verteidigen», kritisierte der frühere Profi und Kolumnist Erman Toroglu im Sender «A Spor». «Unsere Fussballer wurden gestern fast gefoltert.»
Günes sah die Leistung seiner Mannschaft um die Ex-Bundesliga-Profis Hakan Calhanoglu und Caglar Söyüncü nicht so schlecht, räumte aber ein: «Ich bin nicht zufrieden mit dem Ergebnis.» Die Hoffnung auf ein Weiterkommen hat er trotzdem nicht aufgegeben, zumal auch vier von sechs Gruppendritten ins Achtelfinale kommen. Nächster Gegner ist am Mittwoch Wales, danach folgt die Partie gegen die Schweiz. «Wir werden das abhaken und uns auf die Spiele vorbereiten», sagte Günes.