Selbstporträt Rakitic: «Es ist das beste Trikot der Welt»

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10.7.2018

Wohin geht die Reise von Ivan Rakitic mit Kroatien an dieser WM?
Wohin geht die Reise von Ivan Rakitic mit Kroatien an dieser WM?
Bild: Getty Images

Ivan Rakitic ist einer der ganz grossen Stars an dieser WM. Dass er für Kroatien – und nicht für die Schweiz – spielt, hat viele Gründe. In einem Selbstporträt, das «The Players Tribune» vor der WM publizierte, erklärt der Barça-Spieler, wie es dazu kam.

Das Herz, die Emotionen, der Vater, die Vorbilder: Der in der Schweiz geborene Ivan Rakitic sah sich als junger Spieler zwar nicht wirklich als Kroate. Seine Freunde waren Schweizer, er ging hier zur Schule, kickte mit Schweizern und durchlief die Ausbildung des Schweizerischen Fussball-Verbands.

«Ich bin ein Schweizer Junge», pflegte Rakitic zu sagen, wenn er auf seine Herkunft angesprochen wurde. Kroatien war weit weg. Zwar nicht in der Familie, die vor dem Krieg Anfang der 90er-Jahre in die Schweiz kam. Zuhause sprach man kroatisch und bekam mit, was in der Heimat der Eltern vor sich ging. «Meine Eltern haben mit meinem Bruder und mir nicht oft über den Krieg gesprochen, aber wir haben zugehört, wenn sie mit Verwandten telefonierten. Oft flossen Tränen», schreibt Rakitic in einem Selbstporträt. «Meine Eltern haben viele Freunde verloren», führt er aus.

Das wegweisende Treffen mit Slaven Bilic

Vater Luka, einst selbst Fussballer in Bosnien, schenkte seinen Söhnen schon früh ein Trikot der kroatischen Nationalmannschaft. Ivan und Dejan platzten vor Stolz: «Wir wollten das Trikot nicht mehr ausziehen. Plötzlich fühlten wir uns dazugehörig. Es war ein starker Augenblick», beschreibt der heute 30-Jährige den Moment, als er und sein Bruder vom Vater beschenkt wurden. Auf dem Papier blieb Rakitic dennoch zunächst Schweizer, spielte fünf Jahre in den Nachwuchsmannschaften des SFV – ohne sich dabei Gedanken zu machen, jemals für Kroatien aufzulaufen.

Vor zehn Jahren dann das erste Treffen mit Slaven Bilic, dem damaligen Trainer der Landesauswahl von Rakitics zweiter Heimat – und Mitglied jenes heroischen Teams um Davor Suker, das an der WM 1998 sensationell den dritten Platz belegte. Rakitic sagt dazu: «Im selben Raum mit Slaven zu sitzen war surreal. Ich hätte zu allem Ja gesagt. Er war ein Held für mich. Aber er machte zu keinem Zeitpunkt Druck auf mich. Er erklärte mir seine Ziele mit dem Team und erklärte mir, was er mit mir vorhat.»

«Und dann hörte ich auf mein Herz»

«Du kannst mit uns spielen, wir machen das Beste daraus», soll Bilic gesagt haben. Rakitic habe sofort viel Vertrauen gespürt – möglicherweise mehr als er jemals von Schweizer Seite spürte. «Slaven ist einer der wichtigsten Menschen, die mir in meiner Karriere je begegnet sind. Nicht nur als Trainer, sondern auch als Mensch. Er ist anders, er ist speziell. Man denkt sich: ‘Dieser Mann macht alles für mich’.»

Rakitic habe gewusst, dass er sich das gut überlegen müsse, denn die Schweiz habe ihm soviel gegeben. «Es war meine letzte Saison in Basel, bevor ich nach Schalke ging. Die Entscheidung der Nationalmannschaft lastete auf mir und ich wollte mit freiem Kopf nach Deutschland. Ich sass in meinem Zimmer, mein Kopf drehte sich. Und dann hörte ich auf mein Herz. Ich nahm den Hörer ab und informierte zuerst meinen Trainer in der Schweiz. Ich sagte ihm, dass es nicht ein Entschluss gegen die Schweiz, sondern für Kroatien sei. Danach habe ich mich bei Slaven gemeldet. Dieser habe gesagt: 'Die Kroaten werden stolz auf dich sein. Aber denke jetzt nur an den Fussball.'»

Als er seinem Vater mitteilte, wie er sich entschieden hatte, flossen Tränen. Wenngleich sein Vater jeden Entscheid akzeptiert hätte, sagt Rakitic. «Ich denke oft an diesen Moment, wenn ich den Platz betrete.» Er sei nun zwar viel älter als damals, als er sein erstes Trikot der kroatischen Nationalmannschaft erhalten habe. Aber noch heute möchte er das karierte Shirt eigentlich nie ausziehen: «Es ist das beste Trikot der Welt»

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