Kommentar Rolf Fringer: «Der Videobeweis ist ganz einfach Schwachsinn»

Kommentar von Rolf Fringer

14.6.2018

Rolf Fringer ist kein Freund vom Videobeweis.
Rolf Fringer ist kein Freund vom Videobeweis.
Bild: Teleclub

Beim Turnier in Russland wird erstmals der Videobeweis eingesetzt. Das wird die WM nicht gerechter machen, meint Teleclub-Experte Rolf Fringer.

Gut 35 Jahre war ich als Trainer und Spieler aktiv. Ich habe mich bestimmt mal über eine Entscheidung des Schiedsrichters aufgeregt. Aber ich kann mich an keinen einzigen Pfiff erinnern, der meiner Mannschaft tatsächlich den Sieg geraubt hätte – und das hat nichts damit zu tun, dass man im Alter etwas vergesslich wird. Schon gar nicht kann ich mich an eine Situation erinnern, in der ich mir den Videobeweis herbeigesehnt hätte. Der ist nämlich ganz einfach Schwachsinn.

Zum einen gaukelt die Technologie uns Objektivität und Gerechtigkeit vor. Aber viele Situationen im Fussball sind nicht eindeutig. Wann ist ein Handspiel absichtlich? Wann wird aus einem erlaubten Körperkontakt ein Foul? Beim Pokalfinale in Deutschland hat der Schiedsrichter in der Nachspielzeit dem FC Bayern München einen Elfmeter verweigert. Die Videobilder hatte er sich angeschaut. Die meisten Fans und Journalisten glauben trotzdem, dass es ein Elfmeter war.

Fringer: «Am schlimmsten aber ist, dass man so die Freude am Spiel verliert»

Der Videobeweis macht also nichts besser, sondern vieles schlechter. Er schadet der Autorität des Schiedsrichters, der sich permanent mit dem Videoassistenten beratschlagen muss. Und die Spieler malen jetzt nach jeder Entscheidung ein Rechteck in die Luft, um so den Schiedsrichter zu überreden, sich die Szene noch einmal anzuschauen. Ich kann das nicht mehr sehen. Am schlimmsten aber ist, dass man so die Freude am Spiel verliert. Man weiss gar nicht mehr, ob man bei einem Tor jubeln soll oder ob der Schiedsrichter erst noch auf den Bildschirm gucken muss.

Ohnehin unterschätzen die Fans und die Spieler den Einfluss des Schiedsrichters. Hätte Real Madrid im Viertelfinal-Rückspiel der UEFA Champions League gegen Juventus Turin keinen umstrittenen Elfmeter bekommen, wäre das Spiel in die Verlängerung gegangen. Und da hätte ja auch Real Madrid gewinnen können. Glaubt wirklich irgendwer, der BSC Young Boys aus Bern wäre dieses Jahr nicht Meister geworden, hätte es den Videobeweis gegeben? Und Deutschland hätte 2014 den Weltmeistertitel nicht geholt? Warum dann also überhaupt der irre Aufwand? Das ist, als ob man sich für eine kurze Fahrt in die Stadt extra einen Ferrari kauft – und nicht einfach nur ein Busticket.

Ganz egal, ob Liga oder K.-o.-Runde: Im Fussball siegt am Ende derjenige, der es verdient hat. Weil die Mannschaft, das Trainerteam, der Verein oder der Verband am besten gearbeitet haben. Wir schauen immer nur auf die Details, auf eine Fehlentscheidung in der 28. Minute oder kurz vor Schluss. Ich mit meiner jahrelangen Erfahrung kann aber sagen: Es geht um das grosse Ganze.

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