Kommentar Wie die rechte Hetze das nächste deutsche Sommermärchen zerstört

Martin Abgottspon

20.6.2018

Deutsche Fussballfans, die mit ihrer Mannschaft mitleiden, sind rarer geworden.
Deutsche Fussballfans, die mit ihrer Mannschaft mitleiden, sind rarer geworden.
Bild: Getty Images

Man konnte 2006 wirklich neidisch sein auf die Deutschen. Den WM-Titel hat das Team im eigenen Land zwar verpasst, an Euphorie und Liebe zu ihrer Mannschaft mangelte es trotzdem zu keinem Zeitpunkt. Davon ist heute  nicht mehr viel übrig.

«Die Welt zu Gast bei Freunden»: So lautete das Motto der WM 2006. Und dieses Motto hat tatsächlich das ganze Land gelebt. Gemeinsam feierte man auf den Strassen der deutschen Grossstädte die Fussballspiele. Anhänger unterschiedlicher Nationen lagen sich in den Armen. Bei den Auftritten der deutschen Mannschaft verwandelte sich alles in ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer.

Aus sportlicher Sicht endete das Sommermärchen damals im Halbfinal mit einer 0:2-Niederlage gegen Italien. Doch trotz den hohen deutschen Ansprüchen und Erwartungen war niemand wütend oder traurig über das Ausscheiden. Am Ende holte die Mannschaft den Sieg im kleinen Final und hatte auch noch etwas zu feiern. Die Nation war stolz. Stolz auf dieses unglaubliche Turnier, stolz auf die Spieler und stolz, dass sich wirklich jeder in Deutschland zuhause fühlte.

Niemand stellte sich damals über die anderen 31 teilnehmenden Nationen, geschweige denn Menschen anderer Religionen oder Ethnien. Den einen gingen die unschuldig wirkenden Rückspiegelbezüge und Wimpel schon fast ein bisschen zu weit und dennoch trugen sie zu einem guten Gefühl bei.

Seltsame Anti-Stimmung will nicht weichen

Zwölf Jahre später kann die deutsche Truppe und das ganze Land nun nicht mehr vom Sommermärchen 2006 zehren. Die Unschuld ist gewichen. Stattdessen herrscht eine seltsame Anti-Stimmung in Deutschland. Das Auftaktspiel gegen Mexiko geriet komplett aufs Nebengleis. Lieber empörte man sich noch immer über Özil und Gündogan, welche sich mit Erdogan ablichten liessen und kritisierte die mangelhafte Kommunikation beim DFB, der mit allen Mitteln versuchte, doch noch ein bisschen Euphorie zu entfachen.

So passte es nur zu gut, dass der amtierende Weltmeister das Auftaktspiel gegen Mexiko mit 0:1 verlor. Den rechten Wutbürgern kam die Niederlage sogar entgegen. So können sie nun beruhigt weiter schimpfen.

Die rechte Hetze hat inzwischen weite Teile Deutschlands erfasst. Haupttreiber dabei war in den letzten Jahren sicherlich die AfD. Aber nicht nur die rechte Partei sorgte dafür, dass Fussball-Deutschland mittlerweile vergiftet ist. Wenn es zur Normalität geworden ist, dass man Grenzen schliessen will, obwohl die Flüchlingszahlen längst gesunken sind, dann weiss man, dass vom Fussball-Motto 2006 nicht mehr viel übrig ist.

Zeiten und Stimmungen ändern sich

Genauso wie sich die positive Stimmung damals auf die Nationalmannschaft übertrug, tut sie es auch heute. Nur, dass sie heute eben negativ ist. Womöglich ist Jogi Löws Truppe heuer rein personell sogar noch um einiges besser als das Team damals von Jürgen Klinsmann. Doch der fehlende Enthusiasmus macht dann doch mehr aus, als man vielleicht denken mag.

So können wir nur hoffen, dass es erneut der Fussball ist, der in einigen Köpfen wieder eine Wende auslöst. Vielleicht braucht es dafür aber mehr als diese WM in Russland.

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