Zürich
Dosiert, überlegen, souverän: Das Schweizer Nationalteam hat sich für höhere Aufgaben empfohlen. Die direkte WM-Qualifikation im kommenden Duell mit Portugal soll Höhepunkt und Bestätigung zugleich sein, abermals markante Fortschritte erzielt zu haben.
Das Nationalteam verwöhnt ihr anspruchsvolles Umfeld. Alle kommen auf ihre Rechnung: die Spieler, der Trainer, die Zuschauer, die kritischen Experten, die Gourmets, die WM-94-Nostalgiker. Bei der 5:2-Gala gegen die degradierten Ungarn zeigten die Schweizer alles, was eine moderne Equipe auszeichnet. Eine nahezu perfekte Raumaufteilung, flexible Angriffsauslösungen, imposante Struktur, Sinn für das schöne Passspiel und eben auch pure, ungestüme, unwiderstehliche Angriffslust.
Es gibt derzeit in Europa nicht mehr viele Verbandsauswahlen, die besser gruppiert sind, die einen höheren Unterhaltungsfaktor zu bieten haben. Vielleicht der Weltmeister Deutschland, England oder Spanien. Und sonst? In der SFV-Geschichte ist der aktuelle Parcours beispiellos. Aber Rekordwerte allein genügen nicht, die Performance einzuordnen. Der attraktive Stil hat System, hinter dem wunderbaren Auftritt steckt eine jahrelange Basisarbeit und eine Trainerpersönlichkeit, die Pläne entwirft, die umsetzbar sind.
Vladimir Petkovic hat die unter Köbi Kuhn und Ottmar Hitzfeld geleistete Basisarbeit um eine Kategorie erweitert. Der Tessiner machte Stephan Lichtsteiner zum Captain und Granit Xhaka im Frühling 2016 zum Chef-Koordinator auf dem Rasen. Seit der Arsenal-Skipper die Fäden zieht, sind die Schweizer praktisch gegen jeden Kontrahenten mehr am Ball und im Vorwärtsgang. Der 25-Jährige steuert das Spiel und ist ein zentraler Grund für die blendenden Perspektiven der spannendsten SFV-Auswahl seit mehreren Jahrzehnten.
Die zu Beginn der Ära von Petkovic hemmenden gegenseitigen Irritationen und Missverständnisse haben sich verflüchtigt. Die massgeblichen Protagonisten vertrauen sich. Die freundlichen Ergebnisse haben das Teambuilding vereinfacht, ausschlaggebend war letztlich aber der Einfluss Petkovics. Er verlangt das kompromisslose Vertrauensverhältnis: "Darüber haben wir immer wieder gesprochen. Auf unseren Teamgeist bin ich stolz." Die gelebte Solidarität verstärkt den Tiefgang, sie ist für den Trainer Garant für eine tatsächliche Breite im Kader. Nicht nur elf, sondern 23 Akteuren traut er zu, einen wichtigen Beitrag zu leisten.
Im Kollektiv sind die Schweizer in der Lage, schwierige Situationen aufzufangen, ohne dabei trotz diverser Umstellungen von ihrer strategischen Linie abzuweichen. Sie sind nicht so sehr auf überragende Individualisten ausgerichtet wie die Portugiesen. Zwei, drei Rochaden erfordern keine umfassende Neuprogrammierung. Die gute Organisation hängt nicht nur von Namen ab - das spricht für das ausgeklügelte Konzept des Chefs an der Seitenlinie.
Im Team Petkovics hat sich das Selbstvertrauen bis in den letzten Garderobenwinkel ausgebreitet. Nicht nur beim Triumph im vorerst letzten Heimspiel der makellosen WM-Kampagne überzeugte der inspirierte, druckvolle, aber unaufgeregte Leader. Auch die Pflicht im kleineren Rahmen erledigte er schnörkellos. Bei Bedarf mit Kalkül, mal mit Souplesse, immer mit der gebotenen Sorgfalt, nie auch nur im Ansatz überheblich - kurzum: hoch professionell, ganz im Stil einer Klassemannschaft, ganz à la Petkovic: "Mit Qualität, mit Lust, mit kühlem Kopf."
Von der zuletzt der Reihe nach dominierten Konkurrenz bescheinigten die Verlierer den Schweizern ausnahmslos enorme Qualitäten. "Die Schweiz ist stärker als Portugal", legte sich der lettische Coach Aleksanders Starkovs im September ohne ein Zögern fest. Zum gleichen Schluss war bereits der Ex-Europameister Lars Olsen (Färöer Inseln) gelangt.
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