Der zurzeit vereinslose Trainer Massimiliano Allegri vergleicht Fussballer mit Pferden und hält Taktik für völlig überbewertet.
Seit sich die Wege von Juventus Turin und Massimiliano «Max» Allegri in diesem Sommer nach fünf Jahren trennten, befindet sich der 52-Jährige im selbstauferlegten Sabbaticaljahr. Einen neuen Verein will er sich erst in der neuen Saison suchen.
Interessierte Klubs sollte er zwar mit seinem Leistungsausweis
(unter anderem mehrfacher italienischer Meister und Pokalsieger sowie zweifacher Champions-League-Finalist) genügend haben, trotzdem dürften diese sich offenbar nicht zu viel von taktischen Wunderdingen erhoffen.
In einem Interview mit «ESPN» erläutert Allegri seine Fussballphilosophie: «Einer der grössten Pferdetrainer aller Zeiten sagte immer, dass man morgens zu den Pferden gehen und ihnen bei der Bewegung ihrer Beine zusehen muss. Mit den Spielern ist es dasselbe. Man muss sie dabei beobachten, wie sie ihre Beine bewegen, damit man sehen kann, ob sie in guter Form sind oder nicht. Erst danach schaut man sich die Statistiken und Werte an und kann seinen Eindruck überprüfen.»
Allegri meint: «Um die Ronaldos, Dybalas, Ronaldinhos, Seedorfs oder Pirlos zu entfalten, muss ich die anderen Spieler so positionieren, dass sie den Ball zu ihnen bringen können. Und wenn sie den Ball haben, entscheiden sie selbst, was sie damit machen, was die beste Entscheidung ist.»
Medien und Zuschauer sehen nur einen Teil
Allegri zählt sicher nicht zu den sogenannten «Laptop-Trainern», welche sich durch technologische Mittel einen Vorteil zu verschaffen suchen. Nicht mal einen Computer besitzt er nach eigener Aussage: «Ich habe nur ein Ipad, das Juventus mir gegeben hat.»
«Mit meinem achtjährigen Sohn gehen wir manchmal auf YouTube und sehen uns die grossen Spieler an, die erstaunlichen Dinge, die sie in der Verteidigung und im Angriff machen, denn Fussball ist Kunst. In Italien und anderswo redet man immer von Taktik und so – das ist alles Blödsinn ... Fussball ist Kunst und die Künstler sind die Weltklassespieler. Man muss ihnen nichts beibringen, man bewundert sie nur», erläutert er.
Die grösste Qualität eines Trainers sei der Instinkt, führte der Toskaner einst in einem Essay auf. Deshalb können auch die Zuschauer oft vieles nicht nachvollziehen. Allegris Begründung: «Ein Trainer muss das Spiel atmen, er muss verstehen, wann es Zeit für eine Veränderung ist und was für einen Spieler die Mannschaft braucht. Wie kann man das von der Tribüne aus sehen? Ich musste auch schon ein paar Mal von der Tribüne aus coachen – aber dort fühlt man sich distanziert. Man hört die Geräusche auf dem Spielfeld nicht, man sieht den Spielern nicht ins Gesicht und man versteht nicht, ob man sie ersetzen oder ermutigen muss.»