Serie A Conte und Sarri – zwei Trainer in der Loyalitätsfalle

SB10

24.6.2019

«Sarri, einer von uns» : Das hiess es mal bei den Napoli-Fans, jetzt hat er zum Erzfeind gewechselt.
«Sarri, einer von uns» : Das hiess es mal bei den Napoli-Fans, jetzt hat er zum Erzfeind gewechselt.
Bild: Getty

Sowohl Antonio Conte als auch Maurizio Sarri heuern beim ehemaligen Erzfeind an: Zwei erfolgreiche Trainer müssen ihre emotionale Bindung zu früheren Vereinen abbauen, um in ihren neuen Rollen erfolgreich sein zu können. 

Als Antonio Conte im Sommer 2014 nach drei Jahren im Traineramt ankündigte, dass er Juventus verlassen würde, hinterliess er eine herzliche Nachricht für die Fans des Vereins, für den der Mittelfeldpuncher in 13 Jahren insgesamt über 500 Mal auflief: «Ein riesiges Dankeschön für das, was du mir als Spieler und Trainer gegeben hast. Ich war dir immer nahe.»

Nun sucht der 49-Jährige sein Glück etwas weiter östlich. Ende Mai unterschrieb Conte bei Inter Mailand, ausgerechnet beim Erzrivalen der alten Dame. Das «Derby d'Italia» der beiden renommierten Vereine gilt als eines der bedeutendsten Duelle in ganz Italien.

Antonio Conte will mit Inter an glorreichere Zeiten anknüpfen.
Antonio Conte will mit Inter an glorreichere Zeiten anknüpfen.
Bild: Keystone

Sein langjähriger Teamkollege Gianluigi Buffon nimmt Conte in Schutz: «Professionelle Entscheidungen, auch wenn sie überraschend sind, können so eine Vergangenheit wie seine nicht verunstalten. Er hat Juventus nie verraten, er ist nicht der Typ, der das Hemd küsst, das Projekt öffentlich unterstützt, nur um dann hinter den Kulissen den Konflikt zu schüren.»

Paralellen zum anderen Trainerwechsel will Buffon nicht ziehen: «Du kannst 15 Jahre Conte bei Juve nicht mit Sarris drei Jahren bei Napoli vergleichen.»

Einen Monat vor Contes Abschied aus Turin wechselte ein noch nahezu unbekannter Veteran namens Maurizio Sarri, der zuvor noch in den unteren Ligen herumtingelte, von Empoli nach Neapel. In seinem früheren Leben arbeitete Sarri als Banker, unter anderem auch in der Schweiz.  

Der gebürtige Neapolitaner – obwohl in der Toskana aufgewachsen –konnte am Vesuv ein inniges Verhältnis zu den Fans aufbauen. Napoli wurde in seiner Amtszeit (2015 bis 2018) zweimal Zweiter und einmal Dritter. Vor der Sonne stand den Süditalienern dabei jeweils Juventus ... 

Maurizio Sarri, ein Mann mit Temperament.
Maurizio Sarri, ein Mann mit Temperament.
Bild: Getty

Sarris Beziehung zu Juve «verbesserungswürdig»

Trotz Titellosigkeit war er sehr beliebt bei den heissblütigen Tifosis. Sein Team trug seine Handschrift: Der «Sarrismo» zeichnete sich durch ein gepflegtes Spiel mit viel Ballbesitz aus. Ganz im Kontrast zu seinem Auftreten an der Seitenlinie: Der Kettenraucher tigerte im sportlichen Trainertenue stets wild hin- und her, bei Fehlpässen folgten vulkanartige Fluchtiraden. Seine impulsive Ader zeigte er auch gerne gegen Juventus.

Einmal beklagte er sich, dass Napoli wohl gestreifte Leibchen tragen müsste, um mehr Penaltys zu kriegen. Eine dezente Anspielung auf die (weitverbreitete) Ansicht im Land, dass die «Bianconeri» in der Liga einen Sonderbonus inne haben – was mit der Erinnerung an den Calciopoli-Skandal für viel Zündstoff sorgte. Aber es kursiert noch etwas Schlimmeres im Fan-Lager der alten Dame – ein Video, worin Sarri den Juve-Anhängern den Mittelfinger zeigen soll.

Und als Napoli-Präsident Aurelio De Laurentiis Sarri zum Sieg mit Chelsea in der Europa League gratulierte, hielt Sarri fast eine Laudatio auf seinen Ex-Verein: «Ich freue mich, dass Napoli mir gratuliert hat. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass es passieren würde. Die Neapolitaner wissen, wie sehr ich sie liebe ... Ich widme diesen Titel zuerst den Napoli-Fans, denn das ist die Befriedigung, die ich ihnen im letzten Jahr nicht geben konnte.»

Kurzum: Sarri wird eine grosse Charme-Offensive antreten müssen, um sich aus dem Fadenkreuz der Juve-Fans zu entfernen. Vielleicht kann der 60-Jährige dabei auf gute Tipps von einem ehemaligen Schützling zählen: Der Argentinier Gonzalo Higuain war einst Publikumsliebling in Napoli, ehe die Stimmung nach seinem Wechsel zu Juve ins Gegenteil kippte.

Trotz aller Vorzeichen: Wenn die beiden Trainer-Gurus mit ihren neuen Klubs Erfolg haben, werden die Fans ihre Vergangenheit schnell vergessen haben. Für Conte heisst das Ziel Scudetto, während für Juventus nur der Triumph in der Champions League zählt. Doch wenn es Sarri in seinem Leben langweilig haben wollte, würde er immer noch auf einer Bank seine Stunden absitzen.

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