Cristiano Ronaldo ist sich nach wie vor unsicher, wann er in den Ruhestand gehen wird. Ausserdem sei das letzte Jahr sein schwierigstes gewesen, gesteht er in einem TV-Interview mit dem portugiesischen Sender «TVI».
In seiner Villa geniesst Cristiano Ronaldo einen wunderbaren Ausblick über die Dächer von Turin. Seit letztem Jahr ist das Piemont sein neues Zuhause. «Real zu verlassen war schwierig, weil ich neun Jahre lang dort war, also quasi sechzig Prozent meiner bisherigen Karriere. Aber es war eine andere Herausforderung und ich bin sehr froh, hier zu sein», erläuterte er.
«Es war einfach für mich und für Gio (Anm. d. Red: seine Freundin Georgina Rodriguez), denn sie mag ebenfalls Herausforderungen. Für meinen Sohn Cristiano Junior war es etwas schwieriger, weil er in Madrid seine Freunde hatte», verrät Ronaldo. «Aber ich bereitete ihn ein paar Monate vor auf dieses Szenario. Also rechnete er damit, dass sein Vater eines Tages Real verlassen könnte. Er glaubte es zwar nicht, aber er wusste, dass es passieren würde».
Für 100 Millionen Euro verliess er Spanien in Richtung Italien. «Ich mag es nicht, in der Komfortzone zu sein, und in Madrid wurde es mir zu bequem. Ich wollte eine neue Herausforderung», begründet CR7 seinen Wechsel. Bei seinem Transfer 2009 nach Madrid für 94 Millionen Euro war er gar der teuerster Spieler der Welt. Auf die grossen Summen im Fussball angesprochen meint er: «Die Klubs spekulieren viel, wie sich die Spieler entwickeln, die Fussballindustrie hat sich verändert. Jeder Spieler kann für 100 Millionen Euro wechseln, ohne vorher gross was gezeigt zu haben. Ein Torhüter oder Innenverteidiger gehen für 70 oder 80 Millionen Euro über den Ladentisch. Es ist viel mehr Geld involviert. Ich bin zwar nicht einverstanden damit, aber es ist die Realität und man muss sich deshalb damit abfinden.»
Seine Träume übertroffen
Sowieso sind andere Sachen entscheidender, wie er unterstreicht: «Natürlich ist es wichtig, Talent zu haben, und das habe ich und hatte es schon immer. Aber wichtiger als Talent zu haben ist harte Arbeit – das sieht man auch in anderen Sportarten oder bei grossen Wissenschaftlern oder Nobelpreisträgern. Und ich möchte die guten Beispiele kopieren. Ich wurde mit diesem Arbeitswillen geboren. Er war meine Ausbildung. Ich hatte eine schwierige Kindheit, obwohl ich zuhause immer Essen auf dem Tisch hatte. Aber ich musste meine Fähigkeit zeigen, als ich zu Sporting kam.»
In der portugiesischen Hauptstadt entwicklete sich der Junge von der Blumeninsel Madeira zum Top-Talent. In einem Testspiel gegen Manchester United fiel er Coach Alex Ferguson auf, welcher den Rohdiamanten umgehend für 17,5 Millione Euro verpflichtete. In England glaubte Ronaldo auch erstmals an eine Weltkarriere: «Ich spielte mit 18, 19 Jahren für Manchester United. Und weil ich so gut war wie die anderen Spieler, erkannte ich da: ‹Ich bin kurz davor, Grosses zu erreichen›. Natürlich war ich noch ein Kind und hatte noch viel zu lernen von meinem Mitspielern – und ich habe viel von ihnen gelernt – aber ich war in der Welt der Stars angekommen. Und ich bemerkte, dass sie nichts taten, was ich nicht auch tun konnte».
Fast alle Trophäen, welche man im Fussball holen kann, hat der fünfmalige Weltfussballer geholt. Unter anderem fünfmal die Champions League und 2016 den EM-Titel. «Ich habe mehr erreicht, als ich je zu träumen wagte. Ich hätte nie gedacht, dass ich dahin komme, wo ich jetzt bin», so der Stürmer. «Mein Traum war es, ein Profifussballer zu werden, weil ich Talent hatte und mich für fähig hielt. Diejenigen, die mit mir und gegen mich gespielt haben, sagten zu mir: ‹Cris, du wirst es schaffen, weil du ein Star bist›. Und du fängst an, diese Illusion zu glauben ... aber ich hätte nie daran gedacht, einen Ballon d'Or oder zwei zu gewinnen.»
Karriereende ungewiss
Ronaldo hat inzwischen fünf Mal den Preis für den besten Fussballer des Jahres abgeräumt. Genau gleich viele wie sein Erzivale Lionel Messi. «Ich möchte jedes Jahr einen Goldenen Ball gewinnen. Ich bin ein Mensch, der vom Erfolg besessen ist. Es ist mein Job, aber wenn ich nicht gewinne, geht die Welt auch nicht unter. Manchmal habe ich verloren, obwohl es nicht fair war. Ich weiss, dass ich einer der Besten bin und ich habe Fussballgeschichte geschrieben. Gibt es jemand, der mehr Aufzeichnungen hat als ich?», meint Ronaldo selbstbewusst. «Ich habe so viele Rekorde geholt, aber jetzt gibt es andere Prioritäten in meinem Leben. Vielleicht höre ich schon nächste Saison auf – oder ich spiele bis 40 oder 41».
Die letzten Monate haben ihm zugesetzt. Der Portugiese musste wegen Steuerhinterziehung dem spanischen Fiskus knapp 19 Millionen Euro abdrücken und wurde von einer Frau wegen einer mutmasslichen Vergewaltigung angezeigt. Ronaldo bewegt: «2018 war für mich das schwierigste Jahr meines Lebens. Es tut sehr weh, wenn deine Ehre in Frage gestellt wird. Gott sei Dank wurde wieder einmal bewiesen, dass ich unschuldig bin. Die Freunde, die Familie, diejenigen, die mich lieben, wussten alle, dass ich unschuldig war. Aber es war sehr schwer.»