Mit Nils Nielsen hat der SFV einen Dänemark-Insider in seinem Lager. Nicht schön anzuschauen, aber schwer zu schlagen seien die Dänen, sagt der Frauen-Nationalcoach über den nächsten Schweizer Gegner.
Nielsen, der Trainer des Schweizer Frauen-Nationalteams, kennt das Gros der dänischen Mannschaft aus seiner langjährigen Tätigkeit im Juniorenbereich der Dansk Boldspil-Union, des dänischen Fussballverbandes, wo er unter anderem zwischen 2012 und 2013 Nationalcoach der U18 war. «Es wird nicht leicht, die Dänen zu schlagen», sagt der 47-Jährige. Die Art und Weise, wie sein Heimatland seit 17 Pflichtspielen in der regulären Spielzeit ungeschlagen geblieben ist, missfällt Nielsen aber: «Schön anzuschauen ist es nicht. Der Fokus liegt stark auf dem Verhindern.»
Nils Nielsen, Sie waren bis 2013 im Juniorenbereich des dänischen Fussballverbandes tätig und begleiteten viele der heutigen Nationalspieler auf ihrem Weg nach oben. Was können Sie uns über die Nationalmannschaft ihres Heimatlandes sagen?
Ich kenne tatsächlich fast alle Spieler. Die meisten durchliefen das ganze Talent-Entwicklungsprogramm im Nachwuchs-System des Verbandes. Sie sind ein richtig gutes Team, das nur schwer zu schlagen ist. Allerdings hat sich die Spielweise unter Morten Olsens Nachfolger Age Hareide signifikant geändert. Die Mannschaft spielt nun viel simpler, direkter und ohne Risikobereitschaft. Der Fokus liegt stark auf dem Verhindern. Zum Anschauen ist das nicht schön und nicht interessant. Weil die Spieler das Risiko minimieren, gibt es viel weniger Torchancen. Dafür ist die Mannschaft defensiv extrem stark. Sie verfügt über einige exzellente Verteidiger und einen aussergewöhnlichen Torhüter.
Und Christian Eriksen.
Christian Eriksen ist Weltklasse. Er war schon als Junior so gut, dass er stets in höheren Altersklassen spielte. Goalie Kasper Schmeichel ist auch Weltklasse, er wird wie ein Rotwein mit jedem Jahr besser. Dazu gibt es diverse Akteure von internationaler Klasse, die in den besten Ligen spielen, allen voran den Dortmunder Thomas Delaney und den beim FC Sevilla engagierten Simon Kjaer. Das sind gute, solide Spieler, wobei die aktuelle Spielweise exakt auf Innenverteidiger Kjaer zugeschnitten ist. Im Nationalteam ist er einer der Besten und Wichtigsten.
Was zeichnet die Dänen aus?
Vor allem das Kalkül. Sie wägen die Risiken ganz genau ab, analysieren die Gegner sehr detailliert und haben stets einen spezifischen Gameplan zur Hand. Sie gehen keine unnötigen Risiken ein und nutzen Schwächen des Gegners gezielt aus. Wenn zum Beispiel der linke Verteidiger der Schweizer klein ist, dann versuchen sie dies mit langen Bällen und einem grossen Stürmer auf dieser Seite auszunutzen. Dieses clevere Kalkül ist sicher mit ein Grund für den Erfolg. Es lässt sich schliesslich nicht abstreiten, dass Dänemark nur schwer zu schlagen ist. Ich weiss gar nicht, wann die Mannschaft zum letzten Mal eine Partie in der regulären Spielzeit verloren hat und wie lange sie in Pflichtspielen nun schon ungeschlagen ist nach 90 Minuten – gegen 20-mal vielleicht?
17 Spiele sind es seit dem 0:1 gegen Montenegro im Oktober 2016 in der WM-Qualifikation.
Dafür verdient die Mannschaft zweifellos meinen Respekt. Für ein so kleines Land ist das eine ausserordentliche Leistung.
Aber?
Abgesehen davon, dass ich diesen Stil einfach nicht mag, glaube ich auch nicht, dass du damit etwas Grosses gewinnen wirst. Die Risikominimierung bringt für den Moment gewiss bessere Resultate, aber langfristig setzt du dir damit Grenzen. Das letzte Mal, dass eine Mannschaft auf diese Weise Grosses erreichte, war Griechenland an der EM 2004 und davor Dänemark 1992. Nicht nur deshalb bevorzugte ich den Stil von Morten Olsen – das Spielerische, das Kreative. Das gefällt mir bei der Schweiz besser. Die Schweizer sind fähig, den Ball zu behaupten und Torchancen zu kreieren, indem sie das Spiel selbst aufbauen. Sie orientieren sich mehr an der südeuropäischen Spielweise, während alle nordischen Länder mittlerweile gleich spielen. Man könnte es 'schwedisch' nennen.
Was sind die Schwachpunkte bei den Dänen?
Die Abhängigkeit von Christian Eriksen in der Offensive ist gefährlich. Wenn es dem Gegner gelingt, Eriksen zu kontrollieren – was natürlich nicht leicht ist -, dann ist die Kreativität der Dänen spürbar eingeschränkt. Ohne Eriksen sind die Dänen durchschaubar. Jeder weiss dann, wie sie zum Torerfolg kommen wollen. Für die Schweiz ist der Ausfall von Shaqiri am Dienstag weniger gravierend, als es das Fehlen von Eriksen für Dänemark wäre.
Dänemark ist wie die Schweiz ein kleines Land. Die Nationalteams spielen auf einem ähnlichen Niveau und die meisten Nationalspieler sind im Ausland tätig. Wo sehen Sie sonst noch Parallelen zwischen den beiden Ländern, und worin unterscheiden sie sich?
Ich sehe vor allem einen Rollentausch, der stattgefunden hat in den letzten Jahren. Bis vor einigen Jahren war es die Schweiz, die einen defensiven Stil pflegte. Dänemark dagegen wollte das Spiel selber machen. Jetzt sehe ich das Gegenteil. Die Dänen haben kein Problem damit, 90 Minuten lang zu verteidigen, um zu ihrem Wunschresultat zu kommen. Das können sie zugegebenermassen richtig gut, weshalb es für die Schweiz schwierig werden dürfte. Der Schweizer Stil ist aber attraktiver. Die Schweizer suchen mit dem Ball kreativ nach Lösungen und trauen sich auch, schwierige Dinge zu probieren. Das mag ich, und das ist auch gut für den Fussball.
Was erwarten Sie für ein Spiel am Dienstag in Basel?
Ich rechne mit viel Ballbesitz für die Schweiz und wenigen Torchancen auf beiden Seiten. Die Schweizer werden versuchen, den dänischen Abwehrriegel zu knacken, und das wird nicht einfach. Die Dänen werden auf Fehler lauern, und wenn den Schweizern ein solcher unterläuft, dann wird es gefährlich. Dann kommt die grosse Stärke der Dänen zum Tragen. Wenn die Schweizer also Fehler vermeiden, wird es ein Spiel mit wenigen Torszenen. Ich tippe auf ein 0:0 oder maximal ein Tor. Beide wollen eine Niederlage vermeiden.