Kommentar Das Eigentor von Kimmich und seinen ungeimpften Bayern-Kollegen

Von Syl Battistuzzi

10.11.2021

Der deutsche Nationalspieler Nikals Süle positiv auf Corona getestet

Der deutsche Nationalspieler Nikals Süle positiv auf Corona getestet

Der 26 Jahre alte Innenverteidiger Niklas Süle befindet sich wie seine Münchner Teamkollegen Joshua Kimmich, Eric Choupo-Moting, Serge Gnabry und Jamal Musiala sowie Karim Adeyemi von Red Bull Salzburg in Quarantäne.

10.11.2021

Mehrere DFB-Spieler sind in Quarantäne, nachdem Verteidiger Niklas Süle positiv auf das Coronavirus getestet worden ist. Das heizt die Impfdebatte neu an. Speziell Joshua Kimmich bekommt sein Fett weg. Ein Kommentar.

Von Syl Battistuzzi

10.11.2021

Grosse Unruhe herrschte am Dienstag bei der deutschen Nationalmannschaft, die sich in Wolfsburg auf die letzten beiden Partien der WM-Qualifikation vorbereitete. Um 10 Uhr sickerte in den Medien durch: Niklas Süle gab einen positiven Corona-Test ab. 



Kurz darauf bestätigte der Deutsche Fussball-Bund (DFB) den Fall. Der Verteidiger sei aktuell symptomfrei. Zudem bestätigte man, Süle sei doppelt geimpft. Weiter gab man bekannt, dass sich neben Süle seine Münchner Teamkollegen Joshua Kimmich, Serge Gnabry und Jamal Musiala als enge Kontaktpersonen in Quarantäne begeben mussten. Auch der gebürtige Münchner Karim Adeyemi von Red Bull Salzburg musste in Selbstisolation, später kam mit Maxim Choupo-Moting der vierte Bayern-Profi in Quarantäne.

Im Privatflieger aus München sassen aber noch weitere Spieler, wie die «Bild» erläuterte. So waren auch Manuel Neuer, Leroy Sané (beide Bayern) sowie Jonas Hofmann und Florian Neuhaus (beide Gladbach) an Bord. Diese Gruppe konnte nach einem negativen Test weiter an den Vorbereitungen teilnehmen. Die weiteren Bayern-Profis Thomas Müller und Leon Goretzka reisten separat an und waren von der Quarantäne-Massnahme des Gesundheitsamts nicht betroffen. 

Keine offizielle Angabe zum Impfstatus – aber klare Folge

Zwar wollte der DFB mit Ausnahme von Süle keine Kommentare über den Impfstatus der in Quarantäne geschickten Profis abgeben. «Die Impfung ist ein Kriterium, genau wie die Intensität und Dauer der Kontakte», so DFB-Mannschaftsarzt Dr. Tim Meyer.

Doch die Schlussfolgerung liegt auf der Hand. Grundsätzlich muss man weder in Bayern (wo vier der fünf Spieler wohnen) noch in Niedersachsen (wo das Länderspiel stattfindet) in Isolation, wenn man geimpft oder genesen asymptomatisch (mindestens 28 Tage und höchstens sechs Monate nach Infektion) ist, wie die «SZ» ausführt. 

Serge Gnabry (ganz links), Joshua Kimmich (Mitte) und Jamal Musiala (ganz rechts) mussten sich in Quarantäne begeben.
Serge Gnabry (ganz links), Joshua Kimmich (Mitte) und Jamal Musiala (ganz rechts) mussten sich in Quarantäne begeben.
Bild: Keystone

Bei Kimmich ist die fehlende Impfung bekannt. So gab der 26-Jährige kürzlich ein vielbeachtetes TV-Interview,  wo er unter anderem seine Skepsis bezüglich möglicher Langzeitwirkungen bei Corona-Impfungen ausdrückt.

Danach entbrannte an seiner Person eine emotionale Impf-Debatte, bei der sich sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel einschaltete. Als Initiator von #FightCorona – zusammen mit Teamkollege Leon Goretzka – stand er zuvor noch in der Gunst der Bevölkerung ganz weit oben.

Drohendes Damoklesschwert 

Während Kimmich vom coronaskeptischen Lager für seine Aussagen Applaus erhielt, erntete er von der anderen Seite viel Kritik. Nach den neusten Entwicklungen wird vor allem Kimmich mit Häme und Spott überzogen. Und unfreiwillig zur Symbolfigur. 

In Deutschland wurde am Wochenende die höchste Zahl an Neuinfektionen gemessen – notabene seit Beginn der Pandemie. Dass es auch junge und gesunde Menschen erwischen kann, ist nichts Neues. Zwar schützt selbst eine doppelte Impfung – wie bei Süle – nicht vor einer Ansteckung. Doch er dürfte die Quarantäne trotz seines positiven Tests deutlich beruhigter angehen als seine Kollegen. Die Wahrscheinlichkeit für einen milden Krankheitsverlauf ist in seinem Fall sehr hoch – auch wenn es auch bei ihm keine Garantie gibt. Falls sich aber jemand aus der ungeimpften Fraktion angesteckt hat, dürften keine schönen Gefühle aufkommen.

Niklas Süle hat es trotz doppelter Impfung erwischt.
Niklas Süle hat es trotz doppelter Impfung erwischt.
Bild: Keystone

Eindrücklich beschrieb der deutsche Nationalspieler Ilkay Gündogan vor einigen Monaten auf «ARD» seine Leidenszeit nach der Infektion. Danach warnte er eindringlich vor zu laschem Umgang mit der Krankheit. Wie viele Nachteile es hat, nicht geimpft zu sein, müssen nun auch Kimmich und Co. erfahren. 

Geld und Karriere steht auf dem Spiel

Sie müssen einerseits mit Süle in Quarantäne. Zudem könnte die Angelegenheit auch ins Geld gehen. Während Geimpfte auch in der Quarantäne weiter ihr Salär bekommen, haben Ungeimpfte in Deutschland seit dem 1. November keinen Anspruch auf Verdienstausfall. Die Entscheidungshoheit liegt dabei beim Arbeitgeber, also Bayern München. Gemäss einer Rechnung von «Bild» würden so bei sieben Tagen Quarantäne – danach könnte er sich vorzeitig freitesten – 384'000 Euro zusammenkommen.

Bei einer solchen Summe droht einem Fussball-Star wie Kimmich zwar nicht gleich ein Bankrott, aber ein Denkzettel wäre es trotzdem. Zumal es bei der drohenden Welle gut möglich ist, dass bald wieder auch bei Bayern München – wie kürzlich bei Greuther Fürth – Corona-Fälle auftauchen. Dann müssten die ungeimpften Spieler erneut in Isolation. 

Joshua Kimmich muss in Quarantäne und fehlt dem DFB für die letzten zwei WM-Qualispiele.
Joshua Kimmich muss in Quarantäne und fehlt dem DFB für die letzten zwei WM-Qualispiele.
Bild: Getty

Man stelle sich das Szenario vor, wenn die Vorfälle nicht vor zwei sportlich unbedeutenden Spielen – Deutschland hat sich bereits für die WM 2022 qualifiziert – passiert wären, sondern etwa bei einem wichtigen Turnier. Trainer Hansi Flick hätte statt auf nur einen Spieler gleich auf sechs Profis verzichten müssen. 

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach twitterte über die DFB-Fälle: «Schadenfreude ist jetzt fehl am Platz. Ich hoffe dennoch, dass Joshua Kimmich sich noch für die Impfung entscheidet.» Kürzlich verwies Lauterbach auf eine Studie, die auch für Kimmichs Berufsgruppe relevant sei. So waren Fussballer der Bundesliga und der Serie A in Italien sechs Monate nach einer Infektion noch immer fünf Prozent weniger leistungsstark im Spiel. Kurzum: Die langfristigen Folgen einer Corona-Infektion sind nicht zu unterschätzen. 

Kimmich wird in der Quarantäne genug Zeit haben, um über seine Rolle nachzudenken. Sportlich beschrieben kommt er hoffentlich irgendwann  zum Schluss: Fehlpässe passieren jedem. Wichtig ist aber, dass man daraus seine Lehren zieht.