Im vierten Jahr bei Benfica Lissabon performt Haris Seferovic so gut wie während der Meistersaison 18/19. Vor dem Start in die WM-Qualifikation spricht er über den jüngsten Aufschwung seiner Karriere.
«Die Zahlen sprechen für mich», sagt Haris Seferovic im Interview. 14 Tore hat der 29-Jährige für den portugiesischen Rekordmeister markiert, sechs davon in den letzten vier Runden. Der Flow stimmt, das Selbstbewusstsein ist greifbar. Mit einer Steigerung dieser Grössenordnung war nicht zu rechnen. Im Spätsommer keimten Spekulationen auf, die Zeit von Seferovic bei Benfica laufe ab. «Das Gerede links und rechts interessierte mich nie gross.»
Ihre aktuelle Torproduktion deutet auf einen klassischen Flow hin.
Es läuft gut, ich bekomme meine Minuten. Die Konstellation ist aktuell erfreulich. Ich treffe regelmässig, und die Mannschaft ist wieder auf Touren gekommen.
In solchen Phasen bauen Sie enorm viel Selbstvertrauen auf und riskieren viel. Kommen die Treffer auch deshalb nun richtiggehend schubweise?
Natürlich benötigt jeder Stürmer zunächst mal den Zuspruch und Support des Trainers. Es ist wichtig zu wissen, dass einem das Umfeld etwas zutraut. Und mit jedem weiteren Tor wächst die eigene Zuversicht. Bei mir fehlte zu Beginn der Saison der Rhythmus, eine gewisse Unzufriedenheit meinerseits war spürbar. Inzwischen gehöre ich wieder zum Stamm – weil ich auch hart dafür gearbeitet habe. Meine Aktionen sind flüssiger, ich bewege mich mit der nötigen Selbstsicherheit, handle intuitiv richtig.
Im Spätsommer kalkulierten Lissaboner Medien mit Ihrem Abgang. Das Team wurde für gegen 100 Millionen Euro umgebaut. Machten Sie sich Sorgen?
Natürlich habe ich mir Gedanken gemacht nach den vielen Transfers. Aber es ist relativ simpel: Der Coach wollte, dass ich bleibe. Für mich ging es in der Folge darum, um einen Platz zu kämpfen. Die Spekulationen interessierten mich null. Letztlich stehe ich auf dem Rasen und treffe die Entscheide – es ist meine Karriere! Und ich weiss am besten selber, was ich leisten kann und in welcher Form ich der Mannschaft helfen kann. Ich habe schon immer meinen Weg gemacht, das Gerede links und rechts interessierte mich nie gross.
Einem hingegen hören Sie genau zu: Ihrem Coach Jorge Jesus. Er geniesst den Status einer Ikone. Wie geht er mit den Spielern um?
Er ist in erster Linie ein vorzüglicher Trainer. Seine Titelgewinne sprechen für ihn. Er lebt für den Fussball. In den acht Monaten unter ihm haben wir viel gelernt. Jorge Jesus gehört zur älteren Generation, aber er versteht den modernen Fussball. Ich nehme ihn als ausgesprochen direkten Menschen wahr. Für mich ist seine unverblümte Art hilfreich. Ich lerne so am meisten.
«Das Virus hinterliess bei mir Spuren. Kurz nach meinem Comeback fehlte mir die Luft. Ich konnte kaum einen Sprint durchziehen.»
Sporting Lissabon spielte in den letzten fünf Jahren nahezu keine Rolle mehr, nun führt der Stadtrivale souverän die Liga an. Wie ist das zu erklären?
Sie haben einen Lauf und gewinnen viele Spiele in der Schlussphase. Wir hingegen hatten eine schwierige Periode zu verkraften. Während fast zweieinhalb Monaten hatten wir immer wieder Corona-Fälle im Team. Das Virus hat uns zugesetzt, die Rückkehrer haben wochenlang um ihre Form ringen müssen.
Sie selber waren auch von einer Covid-Erkrankung betroffen.
Das Virus hinterliess bei mir Spuren. Kurz nach meinem Comeback fehlte mir die Luft. Ich konnte kaum einen Sprint durchziehen. Inzwischen ist die Kondition wieder okay, ich kann mehrere Sprints hintereinander machen. Im Januar hingegen war es ganz schwierig. Meine Muskeln übersäuerten, ich fühlte mich schon während der Partien schlapp. Ich verlor gegen fünf Kilogramm an Körpergewicht – keine einfache Zeit. Die Rückkehr zur Normalität verlangte allen sehr viel ab.
Benfica hat sich von den Corona-Strapazen erholt. Was ist noch möglich in dieser Saison?
Für uns geht es nun darum, Platz 2 ins Visier zu nehmen. Wir können uns etappenweise wieder herantasten. Ein grosser und ambitionierter Verein wie Benfica muss und will sich jedes Jahr für die Champions League qualifizieren. Den Cup-Final haben wir ebenfalls noch auf der Rechnung.
Grosses vor hat auch die Schweizer Nationalmannschaft. In den kommenden Tagen beginnt die WM-Ausscheidung mit einem Kaltstart gegen Bulgarien sowie Litauen.
Es ist, wie es ist. Der internationale Kalender ist so dicht, dass man sich eigentlich gar keine grossen Gedanken machen kann.
Im Juni folgt die EM-Endrunde. Denken Sie bereits an das aufgeschobene Highlight?
Klar, wer nicht? Wir haben uns die Teilnahme an diesem Turnier mit harten Fights erarbeitet. Umso grösser war vor einem Jahr die Enttäuschung wegen der Verschiebung. Jeder Spieler träumt von EM- und WM-Turnieren. Das sind unbezahlbare Highlights in einer Karriere.
Welche Rolle wollen Sie in der SFV-Auswahl spielen? Ihr Fundus mit zwei WM-Teilnahmen und einem EM-Auftritt ist beträchtlich. Ihre Passion und Engagement sind innerhalb des Teams hoch geschätzt.
Ich nehme mir das Recht heraus, Dinge klar anzusprechen. Wenn mir etwas nicht passt, melde ich mich auf eine konstruktive Art. Aber den Lead hat unser Captain Granit (Xhaka). Die übrigen Routiniers sollen mitziehen und Vorbilder sein für die jüngeren Spieler. Ich stelle meinen Körper zu 100 Prozent in den Dienst der Mannschaft. Der Trainer kann jederzeit auf mich zählen.