Nicht viele trauten Xherdan Shaqiri nach seinem Wechsel im Sommer zu, dass er bei Liverpool den Sprung in die erste Elf schaffen würde – mittlerweile sieht das Ganze anders aus. Jürgen Klopp vertraut ihm.
Die Reaktionen in der Schweiz und in England waren durchmischt, als Liverpool am 13. Juli die Verpflichtung eines gewissen Xherdan Shaqiri bekannt gab. Der Schweizer kostete den Champions-League-Finalisten knapp 17 Millionen Franken, nicht die Summe Geld, die man von einem Klub wie Liverpool erwartet, wenn es darum geht, den Kader ernsthaft zu verstärken. Jürgen Klopp bezeichnete die Verpflichtung damals als «no brainer», zu Deutsch so viel wie «ohne zu überlegen» und deutete an, dass er den Schweizer auch zu einem deutlich höheren Preis erstanden hätte.
Mittlerweile ist klar wieso: Klopp vertraut Shaqiri und teilt ihm zunehmend die Aufgaben zu, die einst Philippe Coutinho für den FC Liverpool erledigte. Er wächst in eine Rolle hinein, die weitaus mehr ist, als die des Bankdrückers, er könnte schon bald als Ersatz für den nach Barcelona abgewanderten brasilianischen Wunderfussballer gehandelt werden – als das letzte Teil in Jürgen Klopps Liverpool-Puzzle.
Ein Fallrückzieher vor 100'000 Zuschauern
Seine Karriere bei den «Reds» startete fulminant, im Vorbereitungsspiel gegen Erzrivale Manchester United knallte er den Ball in Michigan vor 100’000 Zuschauern per Fallrückzieher in die Maschen (Video unten).
Obschon es kein Ernstkampf war, die «Message» kam an: Hier bin ich. Das war am 29. Juli 2018. Seither hat Shaqiri im Dress des FC Liverpool nicht ein einziges Mal enttäuscht und er nähert sich der Startelf schrittweise an. So nahe, dass am Samstag beim Heimspiel gegen Cardiff City wohl der Grossteil der Anfield Road besorgt die Stirn runzeln würde, wäre Shaqiri nicht auf dem Matchblatt eingetragen.
Am Mittwoch in der Champions League knüpfte Shaqiri nahtlos an seine guten Leistungen in der Premier League an und leitete gegen Roter Stern Belgrad das erste Tor ein, bevor er das zweite direkt vorbereitete. Beim 1:0 war es Shaqiri, der zuerst den Ball für Liverpool zurückeroberte und dann mit einem perfekt getimten Schnittstellenpass Andrew Robertson in die Tiefe schickte, der musste nur noch für Firmino querlegen und das Stadion stand ein erstes Mal Kopf. Beim 2:0 brauchte der 27-Jährige gar nur eine einzige Ballberührung – aber was für eine – um die Kugel perfekt in den Lauf von Mohamed Salah weiterzuleiten, der eiskalt abschloss.
Auf die Standing Ovation, die Shaqiri nach seiner Auswechslung an der ikonischen Anfield Road erhielt, folgte heute eine Lobeshymne der englischen Presse. «Der hat doch eine Waagschale in den Schuhen, so perfekt gewichtet er seine Pässe», schreibt etwa der «Telegraph». Die «Daily Mail» betitelt den Schweizer als Mann des Spiels und auch die sozialen Netzwerke sind voll des Lobes. James Pearce vom «Liverpool Echo» bezeichnete die Ablösesumme für Shaqiri als «kleines Wechselgeld»
Klopp: «Er ist einfach ein richtig guter Fussballer»
Mit seiner kreativen Spielweise füllt Shaqiri bei Liverpool eine Lücke im Mittelfeld, die seit Coutinhos Abgang zu Barcelona nicht mehr richtig gefüllt werden konnte. In der vergangenen Saison gelang dies Alex Oxlade-Chamberlain noch ziemlich gut, der junge Engländer fällt aber verletzungsbedingt für ein ganzes Jahr aus. Trotz sieben Siegen aus neun Spielen in der laufenden Spielzeit wurde der FC Liverpool immer wieder für fehlenden kreativen Input im Mittelfeld kritisiert. Allerdings nur in den Spielen ohne Shaqiri.
Der wirblige Zauberwürfel schafft es in seiner neuen, zentraleren Position sogar, Klopp zum Staunen zu bringen: «Beim zweiten Tor weiss ich gar nicht, wie er den Ball zu Salah rübergespielt hat, aber das ist Shaqiri. Er ist einfach ein richtig guter Fussballer», so der deutsche Trainer nach dem Spiel gegen Belgrad.
Über die guten Leistungen des Schweizers scheint Klopp indes überhaupt nicht überrascht zu sein, wohl auch ein Grund, weshalb er darauf verzichtete, im Sommer viel Geld für einen Coutinho-Ersatz auszugeben.
Shaqiri auf der Salah-Position, das ist längst Geschichte. Es sei denn, der Ägypter fällt aus, ansonsten aber wird Shaqiri in Zukunft wohl nicht anstelle von Salah, Firmino oder Mané auflaufen, sondern mit ihnen. Neben Shaqiri gibt es wohl nur Adam Lallana und Naby Keita, die Coutinhos oder Chamberlains Position übernehmen könnten. Keita kämpft derzeit mit einer Verletzung und Lallana scheint nicht mehr derselbe Spieler zu sein, den die «Reds» vor vier Jahren verpflichtet haben.
Momentan sieht es also sehr gut aus für den Schweizer. Jetzt muss er zeigen, dass er seine guten Leistungen konstant abrufen kann.