Mehrmals steht er in dieser Saison vor dem Out, nun hat Zinédine Zidane Real Madrid wieder fest im Griff. Der 48-jährige Trainer liefert die Siege, die er als Pragmatiker benötigt.
Zinédine Zidane ist keiner dieser Trainer, denen man auf den ersten Blick ansieht, ob sie gewonnen oder verloren haben. Mit scheinbarer Gelassenheit nimmt er die Hochs und Tiefs hin. Nach dem Erfolg im Clasico gegen den FC Barcelona am Samstag meinte er, dieser ändere nicht viel, noch hätten sie nichts gewonnen. So reizbar er als Spieler sein konnte, so nüchtern gibt er sich als Trainer. Der Blick ist immer auf das nächste Spiel gerichtet, auf die kommenden Herausforderungen.
Dreimal stand Zidane in dieser Saison kurz vor der Entlassung. Verschiedene Personen aus der Führungsetage von Real Madrid machten Stimmung gegen ihn und plädierten für seine Absetzung. Präsident Florentino Perez widerstand dem Druck, obwohl auch er gern einen etwas extrovertierteren und idealistischeren Coach gehabt hätte, einen vom Typus eines Jürgen Klopp oder Julian Nagelsmann, einen der auch die Fans mitreisst und taktischen Erfindungsgeist zeigt.
An den Fähigkeiten von Zidane als Trainer wird immer wieder gezweifelt. Selten nennt man seinen Namen im gleichen Atemzug mit jenen von Klopp oder Pep Guardiola. Dabei ist sein Leistungsausweis unerreicht: In viereinhalb Jahren als Trainer von Real wurde er dreimal Champions-League-Sieger, zweimal Meister und gewann insgesamt elf Titel.
Derzeit ist er sowohl in der Meisterschaft als auch im Europacup wieder auf Kurs. Nach dem 2:1 gegen Barcelona liegt Real Madrid in Spanien nur noch einen Punkt hinter dem seit Wochen schwächelnden Leader Atlético Madrid zurück. Am Mittwoch (live auf blue TV ab 19:55) geht sein Team mit einem 3:1-Vorsprung ins Viertelfinal-Rückspiel der Champions League nach Liverpool.
Mi 14.04. 19:55 - 00:40 ∙ blue Sport Live ∙ Live Fussball: FC Liverpool - Real Madrid
Event ist beendet
Ein stiller Motivator
Der Einwand, mit Real Madrid muss man Erfolg haben, gilt nicht. Zum einen, weil die Madrider seit längerem auf dem Transfermarkt sehr zurückhaltend agieren, zum anderen, weil sich zwei andere Coaches erfolglos versucht haben, nachdem Zidane im Sommer 2018 sein erstes Mandat beendet hatte. Julen Lopetegui und Santiago Solari blieben nur wenige Monate auf der Trainerbank, bevor der Franzose im Frühjahr 2019 zurückgeholt wurde und die Mannschaft, die nun schon seit vielen Jahren auf die gleichen Leistungsträger zählt, wieder auf Kurs brachte.
Zidanes Stellung ist fragil, weil alles mit dem Erfolg steht und fällt. Er ist der Pragmatiker, der seine Taktik oft auf diejenige des Gegner ausrichtet. Am Samstag liess Real Madrid den FC Barcelona anrennen und konterte ihn, solange die Kräfte reichten sehr geschickt und variabel. Luka Modric und Toni Kroos waren im Mittelfeld mehr mit Verteidigen beschäftigt als mit der Spielorientierung. Hätte Real Madrid verloren, hätte Zidane keine statistischen Werte zur Hand gehabt, um die Niederlage zu relativieren: keinen riesigen Spielanteile oder massenhaft Abschlüsse.
Zidanes Sichtweise auf den Fussball, die etwas unzeitgemäss erscheinen kann, ist geprägt von seiner Spielerkarriere, von seiner Zeit in Italien bei Juventus Turin und von den Erfolgen mit der französischen Nationalmannschaft, deren Basis immer die gesicherte Defensive war. Die Taktik mag nun weniger spektakulär und zuschauerfreundlich sein, als was andere Teams bieten. Aber das sie über so lange Zeit so gut funktioniert, zeigt wie geschickt Zidane im Umgang mit seinen Spielern ist, wie gut er sie motivieren kann, auch das Unangenehme gewissenhaft zu tun.
Zeichen stehen auf Trennung
Es ist gut möglich, dass sich zum Saisonende die Wege von Zidane und Real Madrid ungeachtet möglicher Erfolge wieder trennen. Die Mannschaft steht vor einem Umbruch, heisst es. Und für diesen soll ein Trainer gefunden werden, der nicht für Siege, sondern auch für Spektakel steht. Derweil könnte Zidane zu jenem Klub wechseln, der derzeit schmerzlich erlebt, dass ohne Erfolg gar nichts geht: zu seiner anderen grossen Liebe Juventus Turin.