Magische Europacup-Abende Die Reds sind für den FCZ dann doch zu stark

SDA

28.4.2020 - 04:04

Nie mehr taucht eine Schweizer Fussballmannschaft im Meistercup so weit vorne auf wie der FC Zürich im April 1977. Der FC Liverpool ist in Hin- und Rückspiel des Halbfinals allerdings zu stark.

Der Europacup der Meister war damals noch das, was der Name aussagte. Nur die Landesmeister und der Titelverteidiger qualifizierten sich. Es gab noch längst nicht so viele Verbände wie nach der Auflösungen der Sowjetunion und Jugoslawiens. So begann der Wettbewerb mit den Sechzehntelfinals. Die Mannschaft von Trainer Timo Konietzka setzte sich nacheinander gegen die Glasgow Rangers, Turku und (dank der Auswärtstore-Regel) Dynamo Dresden durch. In Liverpool formierte sich gerade die legendär gewordene Mannschaft. Nur die Schotten Kenny Dalglish und Graeme Souness fehlten in jenem April 1977 noch. Die anderen waren schon dabei: Ray Kennedy, Phil Neal, Emlyn Hughes, Terry McDermott, Kevin Keegan, der rothaarige Super-Sub David Fairclough und Goalie Ray Clemence. John Toshack war gerade verletzt.

Ray Kennedys Warnschuss

Am Vortag trainierte der FC Liverpool auf dem mittleren Nebenplatz im Letzigrund, verfolgt von allerlei Zürcher Argusaugen. Ray Kennedy schoss vom Anspielkreis so hart aufs Tor, dass die Latte erzitterte und beinahe barst. Die Beobachter hätten vielleicht besser weggeschaut. So aber wussten sie, was es geschlagen hatte. Derart hart konnte nicht einmal Gianpietro Zappa schiessen, und dieser kam erst gut zwei Monate später (aus Lugano) nach Zürich.

1:3 nach frühem 1:0

An diesen Festabend im Schweizer Fussball am 6. April füllten 30'500 Zuschauer den Letzigrund. Dieses Hinspiel hätte für den FCZ nicht besser beginnen können. Nach fünf Minuten liess sich Fredy Scheiwiler im Strafraum fallen. Nach dem Match räumte der feingliedrige Stürmer die Schwalbe ein. Peter Risi verwertete den Penalty. Aber von dort weg waren die Favoriten in Rot eindeutig stärker. «Nach dem 1:0 begann ich das zu glauben, was für mich ein kleines Wunder gewesen wäre», sagte Konietzka der Fachzeitung «Sport». «Doch nach dem 1:1 wusste ich und wohl jeder andere im Stadion auch, dass gegen diese Klassemannschaft ein Erfolg meines Teams in dieser Verfassung nicht mehr drin war.» Mit der «Verfassung» spielte Konietzka darauf an, dass Köbi Kuhn und Fredy Scheiwiler nach Verletzungen nicht hatten trainieren können und dass Ernst Rutschmann sich im Spiel selber verletzte und mit halber Kraft weiterspielen musste. Phil Neal nach einer Viertelstunde, Steve Heighway und auf Penalty nochmals Phil Neal erzielten die Tore zu Liverpools verdientem 3:1-Sieg. Die Hypothek im Rückspiel am 20. April wettzumachen schien für die Zürcher fast unmöglich zu sein.

Jeandupeux' Psychotrick schlug fehl

Zu denen, die unter keinen Umständen aufgeben wollten, zählte Daniel Jeandupeux. Der kopflastige Chaux-de-Fonnier war im Sommer 1975 von Zürich zu Bordeaux gewechselt. Nach dem 1:3 unternahm er aus der Ferne in einer Zeitungskolumne mit dem Titel «Wir müssen an und glauben» alles, um den Zürchern für das Rückspiel an der Anfield Road Mut und Selbstvertrauen einzuflössen. Er selber glaubte in seiner Zeit beim FCZ erlebt zu haben, dass sich der Schweizer Fussball manchmal kleiner macht, als er ist. Nach dem Hinspiel heisse es wieder, schrieb Jeandupeux: «Karl Grob geht bei Flanken nicht weit genug aus dem Tor, Gabet Chapuisat hat für einen Libero einen unmöglichen Charakter, Hilmar Zigerlig, Max Heer und Pius Fischbach sind am Ball limitiert, Köbi Kuhn verzögert das Spiel, Ernst Rutschmann erreicht nur knapp internationales Niveau, René Botteron rennt zu viel mit dem Ball am Fuss, Peter Risi beteiligt sich nicht am Mannschaftsspiel, Franco Cucinotta ist ein Verrückter, Fredy Scheiwiler ist zu zerbrechlich.»

Solche Qualifikationen, schrieb Jeandupeux, habe man in Frankreich nie lesen können, auch nicht nach Saint-Etiennes Ausscheiden gegen Liverpool in den Viertelfinals. Und so sollten jetzt die Medien, vor allem aber die Mannschaft und die Spieler an die Vorzüge glauben. Nämlich an Grobs Reflexe, an den Wert von Zigerlig, Heer und Fischbach im Kampf Mann gegen Mann, an Kuhns gekonntes Ballhalten, an Rutschmanns Flanken, an Botterons Punch, an Risis Goalgetter-Fähigkeiten, an Cucinottas Unberechenbarkeit und an Scheiwilers Dribblings. Mit einem hohen Mass an Selbstvertrauen werde Zürich in Liverpool etwas ausrichten können, schrieb Jeandupeux. Hanjo Weller und Timo Konietzka habe er in der Aufzählung nicht erwähnt, weil es keine Schweizer seien, sondern Deutsche, die das Selbstbewusstsein sowieso in sich trügen.

Jeandupeux' Appell wurde in Zürich ganz sicher gehört. Erhört wurde er aber nicht. Das Rückspiel in Liverpool war für Konietzkas Mannschaft eine ernüchternde Sache. «Der FCZ gab sich im voraus verloren», titelte der «Sport» nach dem 0:3, das den FCZ mit dem Gesamtscore von 1:6 ausscheiden liess. Die Zürcher hätten an dem Abend vor 50'000 ängstlich gewirkt, war zu lesen.

Im Final in Rom schnitt Borussia Mönchengladbach gegen die Reds nicht wesentlich besser ab als der FCZ im Halbfinal. Liverpool siegte 3:1 gegen die renommierten Deutschen, die nach Jeandupeux' Vorstellung ein grosses Selbstbewusstsein mitgebracht haben mussten: Berti Vogts, Rainer Bonhof, Uli Stielike, Jupp Heynckes, Herbert Wimmer, Trainer Udo Lattek und andere. Der Ur-Gladbacher Günter Netzer spielte in jener Saison in der Schweiz. Bei GC.

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