Es sind zwei verschiedene Welten, die am Donnerstagabend im Windsor Park aufeinandertreffen. Geht es nach diversen Fakten, ist Nordirland gegen die Schweiz im WM-Playoff klarer Aussenseiter.
Ihre Arbeitgeber tragen Namen wie Scunthorpe, Millwall, Charlton Athletic oder Gwangju. Sie spielen in der dritt- oder zweithöchsten Liga Englands, in Südkorea oder in Schottland. Von einer Teilnahme an der Champions League sind sie, vielleicht mit Ausnahme von Lee Hodson von den Glasgow Rangers, ungefähr gleich weit entfernt wie Belfast geographisch von Zürich (gut 1300 km Luftlinie).
Als Einheit aber, im grün-weissen Dress, wollen sie zum zweiten Mal in Folge an ein grosses Turnier. Ihre grössten Stärken heissen physische Robustheit, Ehrgeiz und Kondition. Getragen werden die nordirischen Spieler, wenn sie im Nationaltrikot auflaufen, von der ebenso unüberhörbaren wie passionierten "Green and White Army".
Der Schweizer Captain Stephan Lichtsteiner, ein sprichwörtlicher "Dauerbrenner" in der Champions League, verdient sein Geld bei Juventus Turin. Andere Klubs mit Schweizer Internationalen wie Milan, Arsenal, Borussia Dortmund oder Mönchengladbach spielen um nationale oder im Optimalfall um internationale Titel mit. Das Schweizer Reservoir mit Spielern auf hohem Niveau ist definitiv besser gefüllt als jenes der Nordiren. "Wir haben beschränkte Ressourcen. In Nordirland leben knapp 1,8 Millionen Menschen", sagt Nationaltrainer Michael O'Neill dazu.
Kein tägliches Training
Die Krux mit den eingeschränkten Mitteln gilt nicht zuletzt für die heimische Spitzenliga. In Nordirland spielen die Top-12-Teams eine Meisterschaft unter halbprofessionellen Verhältnissen aus. Trainiert wird nicht täglich, zu verdienen gibt es ein paar Hundert Pfund pro Monat. "Das Geld fehlt, das Interesse ist nicht da. Investoren sind keine in Sicht. Die Spieler müssen alle normal arbeiten", so O'Neill. Deshalb erstaunt es nicht, dass Granit Xhakas Marktwert gemäss "transfermarkt.ch" sieben Mal höher ist als jener aller Spieler der nordirischen Premiership zusammen.
Dass das öffentliche Interesse an der eigenen Liga nur in Ausnahmesituationen vorhanden ist, verrät ein Blick auf die Statistik. In der letzten Saison lag der Zuschauerschnitt bei 1074 Fans pro Spiel; führend ist Meister Linfield mit 2538. Einmal durfte der Rekordchampion 7504 Besucher im Windsor Park begrüssen, wo auch das Nationalteam seine Heimspiele austrägt. Zum Vergleich: die Schweizer Challenge League weist in dieser Saison selbst ohne den in die Super League zurückgekehrten FC Zürich einen Schnitt von 1946 Zuschauern auf.
"Unsere Liga hat kein internationales Format. Wir sind im Ranking der UEFA an 49. Stelle klassiert. Selbst die finnische Meisterschaft ist besser", erzählte O'Neill im Interview mit der Nachrichtenagentur sda. "Das ist für mich eine ziemlich frustrierende Situation. Ich würde gerne mehr Junge spielen sehen. Aber die verlassen mit 16 das Land. Ohne starke Basis ein Nationalteam zu betreiben, ist ein schwieriges Unterfangen."
Sechs Ausländer
Einen Weg in die richtige Richtung wüsste O'Neill. "Frisches Blut würde guttun, nur zwölf Prozent sind unter 21-jährig." Und rechnet man Spieler aus Schottland, England oder Irland nicht ein, verdingen sich genau sechs ausländische Akteure in Nordirlands Liga: zwei Franzosen sowie je ein Bulgare, ein Deutscher, ein Däne und ein Spanier.
Aus dem Nationalteam ist einzig Roy Carroll im eigenen Land engagiert. Der 40-jährige Goalie, zu seinen besten Zeiten Mitte des letzten Jahrzehnts Stammkeeper von Manchester United, spielt für Linfield unter seinem langjährigen Teamkollegen David Healy, dem Rekord-Internationalen. Immerhin dort ist Carroll die Nummer 1. Sein Konkurrent Michael McGovern, an der EM 2016 und in der WM-Qualifikation für Nordirland unbestritten, wärmt bei seinem Klub Norwich in Englands Championship primär die Bank.
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