Ein Jahr nach dem Titelgewinn mit Basaksehir führt Gökhan Inler Demirspor aus der Metropole Adana in die türkische Süper Lig. Der frühere Nati-Captain blickt auf einen Thriller zurück.
An das erste Treffen mit den Entscheidungsträgern von Adana Demirspor erinnert sich Inler gut: «Sie machten ohne Wenn und Aber klar, was ultimativ verlangt wird: der Aufstieg.» Tief im Süden der Türkei hat sich der vermögende Klubchef Murat Sancak einen Plan zur Rückkehr in die höchste Liga zurechtgelegt und mit Inler einen Leader und den späteren Captain gefunden, der bereit war, sich der Herausforderung zu stellen.
Das Geld war nicht der Antrieb für den Mittelfeldmotor mit grosser Vergangenheit in Zürich, bei Napoli, beim Premier-League-Wunder von Leicester und bei den Istanbuler Meisterklubs Besiktas und Basaksehir. «Für mich war die Challenge wichtig, das Feuer musste brennen. Ich wollte wieder eine grosse Geschichte schreiben – wie damals in Zürich, als wir nach 25-jähriger Durststrecke die Meistertrophäe zum FCZ zurückholten.»
«Ich habe diesen Schritt bewusst gewählt»
Der Gang in die zweite türkische Liga war ein schwieriger Weg weit ausserhalb der Komfortzone. Stundenlange Busfahrten, Spiele auf schlechten Plätzen, harte Gegenspieler, der teilweise lähmende Druck. In den Hinterhöfen des internationalen Fussballs musste der 89-fache Schweizer Internationale «Gras fressen. Aber ich habe diesen Schritt bewusst gewählt. Es gab andere Offerten aus erstklassigen Ligen.»
Der fünffache Champion entschied sich im letzten Herbst für einen Verein, den Inler mit seiner alten Liebe Napoli vergleicht. «Die Begeisterung ist riesig, die Erwartungen ebenfalls.» Wie kurz die Zündschnur der Verantwortlichen ist, verdeutlicht die Saisonbilanz auf der Trainerposition. Ümit, ein früherer WM-Held der Türken, verlor seinen Posten bereits nach wenigen Monaten. Sein Nachfolger Cüneyt Dumlupinar kapitulierte ebenfalls – nach einem 1:2 am Tag der Eröffnung im schmucken Yeni-Stadion.
«Erst mit der Ankunft von Samet Aybaba beruhigte sich die Lage. Der neue Coach räumte auf und setzte klare Leitplanken», so Inler. Unter der Besiktas-Ikone Aybaba und mit Inler als Ansprechpartner für den Taktgeber sprintete Demirspor dank zehn Siegen in den letzten elf Runden von Platz 8 aus zum Aufstieg.
An Rücktritt denkt in Inler nicht
Für Inler schliesst sich ein weiterer Kreis. In Neapel gewann er 24 Jahre nach der Regentschaft von Diego Maradona die erste Cup-Trophäe für die Società Sportiva Calcio. Beim FCZ brach er unter Lucien Favre nach 25 Saisons den Meisterbann. In Adana endete die lokale Flaute nach 26-jähriger sportlicher Dürrezeit. «Was ich hier erreicht habe, schaffen nicht viele. Das kann mir niemand mehr nehmen.»
Er habe in den letzten acht Monaten nahezu alles erlebt. «Ich habe hier den Herbst, den Winter, den Frühling und den Sommer gespürt.» Die enorme Wertschätzung, die ihm zuteilwurde, schätzt Inler. Sein Wort hat Gewicht. Die Zukunft der Schlüsselfigur ist offen. In den kommenden Tagen wird der 36-Jährige Gespräche führen und ausloten, «was die Klubleitung mit mir vorhat. Solange ich fit und mental auf der Höhe bin, werde ich weiterhin auf dem Rasen stehen.»